Ausstellung des Jüdischen Museums Wien zeigt Auswahl fotografischer Werke und Teilnachlass
des Fotografen
Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, präsentiert zum 100. Geburtstag
von Kurt Klagsbrunn eine Auswahl seiner Fotografien aus dem brasilianischen Exil. Seine Bilder vom Leben der Cariocas
auf den Straßen Rios und am Strand von Copacabana, der exklusiven Events der Eliten, der Promis und bedeutender
Ereignisse wie der Fußballweltmeisterschaft 1950 oder der Entstehung der neuen Hauptstadt Brasília,
lassen die BetrachterInnen in das Brasilien der 1940er- bis 1970er- Jahre eintauchen und bedeuten für Wien
eine Entdeckung.
Von Floridsdorf nach Rio de Janeiro
Der Fotograf Kurt Klagsbrunn, geboren 1918 in Wien, hielt von 1939 bis in die 1970er-Jahre das moderne Leben
Brasiliens fest. Er fotografierte die Partys der Wohlhabenden ebenso wie die Vergnügungen der kleinen Leute.
Seine Modelle waren Prominente wie Orson Welles oder Evita Perón, aber auch Brautstrauß werfende Frischvermählte,
SchuhputzerInnen auf den Boulevards oder verträumte KaffeegenießerInnen. Dabei wollte der Sohn eines
Floridsdorfer Kohlenhändlers und Fußballfunktionärs eigentlich Arzt werden, musste jedoch nach
der Flucht aus Österreich 1938 den Beruf wechseln, um sich im Exil eine neue Existenz aufzubauen. Er wählte
das Hobby seiner Jugend und stieg rasch vom Autodidakten zum Pionier der Gesellschaftsfotografie auf. 2005 starb
Kurt Klagsbrunn in Rio de Janeiro. Sein Neffe Victor Klagsbrunn betreut seither den Nachlass mit mehr als 250.000
Negativen. 2017 schenkte er dem Jüdischen Museum Wien einen Teilnachlass mit Briefen, Notizen, Fotos und anderen
Erinnerungen an das Leben der Familie Klagsbrunn in Floridsdorf und ihrer Flucht nach Rio. Die Ausstellung „Das
Auge Brasiliens. Kurt Klagsbrunn“ präsentiert diese Schenkung sowie eine Auswahl seiner Werke aus dem brasilianischen
Exil.
Familie Klagsbrunn – Schicksal einer Wiener jüdischen Familie
Die Geschichte der Familie Klagsbrunn steht stellvertretend für das Schicksal tausender Wiener JüdInnen,
die im Zuge des wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Aufbruchs der Residenzstadt im späten 19. Jahrhundert
aus Galizien in die boomende Metropole Wien strömten, in der Hoffnung, sich hier ein besseres Leben aufbauen
zu können. Was für ein paar Jahrzehnte auch gelang, bis die Nationalsozialisten dem ein brutales Ende
setzten.
Im Alter von zwanzig Jahren wurde der Wiener Jude Kurt Klagsbrunn im März 1938 aus seinem studentischen Leben
an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien gerissen. Glücklicherweise gelang der Familie
Klagsbrunn die Flucht und Kurt, der in Wien unter anderen Umständen vermutlich eine medizinische Karriere
vor sich gehabt hätte, fand in Brasilien eine neue Heimat und avancierte dort zu einem der bekanntesten Fotografen
des Landes. Bekannt wurde die Geschichte der Familie Klagsbrunn durch den Schriftsteller Erich Hackl, der durch
eine zufällige Bekanntschaft mit Victor Klagsbrunn darauf aufmerksam wurde und ihr mit einer Erzählung
in dem Band „Drei tränenlose Geschichten“, ein literarisches Denkmal setzte.
Kurt Klagsbrunn – eine Schenkung
Der Teilnachlass von Kurt Klagsbrunn, den sein Neffe Victor Klagsbrunn dem Jüdischen Museum Wien überließ,
enthält neben vielen Fotos auch eine große Anzahl an Archivalien: Briefe, Korrespondenzkarten, Notizen,
ein Skizzenbuch, Ausweise und andere amtliche Dokumente sowie handschriftliche Listen von den ersten Jahren des
20. Jahrhunderts bis in die 1980er. Der größte Teil der Schenkung stammt aber aus den 1930er-Jahren
und dokumentiert das Leben von Kurt, seines um fünf Jahre älteren Bruders Karl Peter, genannt Peter,
und ihrer Eltern Friederike und Leopold Klagsbrunn in Wien sowie die Flucht der Familie 1938/39 über Rotterdam,
London und Lissabon nach Rio de Janeiro. Darüber hinaus enthält der Teilnachlass auch noch biografische
Dokumentationen zu vielen weiteren Mitglieder der umfangreichen Verwandtschaft.
„Das Auge Brasiliens. Kurt Klagsbrunn“ ist von 5. Dezember 2018 bis 19. Mai 2019 im Jüdischen Museum Wien,
einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Zur Ausstellung, die von Andrea Winklbauer kuratiert und von Schuberth
& Schuberth gestaltet wurde, erscheint ein Katalog zum Preis von 14,90 € im Eigenverlag. Das Jüdische
Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der zweite
Standort, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, freitags
10 bis 14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet.
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