An der TU Wien wurden neuronale Netze entwickelt, mit denen es viel einfacher wird, in kurzer
Zeit unterschiedlichste Materialien fotorealistisch am Computer darzustellen.
Wien (tu) - Wenn computergenerierte Bilder realistisch wirken sollen, muss man unterschiedliche Materialien
unterschiedlich darstellen: Der metallische Schimmer einer Münze sieht ganz anders aus als der matte Glanz
einer Holzplatte oder die leicht durchsichtige Haut einer Weintraube. Wer solche Materialeffekte exakt simulieren
möchte, braucht normalerweise viel Erfahrung und Geduld. Viele verschiedene Parameter müssen sorgfältig
justiert werden, dann muss man jedes Mal warten, bis der Computer das entsprechende Bild berechnet hat – und schließlich
kommt der nächste Schritt, solange bis man voll zufrieden ist.
An der TU Wien wurden nun Methoden entwickelt, mit denen dieser Vorgang viel schneller und einfacher wird. Eine
künstliche Intelligenz erkennt die gestalterischen Wünsche und schlägt selbstständig passende
Varianten vor, ein neuronales Netz wendet die gewählten Material-Parameter in Echtzeit auf ein vorgefertigtes
Probeobjekt an. Für ganz unterschiedliche Anwendungen im Grafikbereich ist das ein großer Fortschritt
– vom Gamedesign über Filmanimation bis zur Architektur-Visualisierung.
Künstliche Intelligenz statt herumprobieren
„Normalerweise muss man am Computer bis zu hundert Parameter händisch anpassen, damit ein Objekt fotorealistisch
aussieht“, sagt Károly Zsolnai-Fehér vom Institut für Visual Computing and Human-Centered Technoloy
an der TU Wien. „Wenn man ein Bild erzeugen will, auf dem viele verschiedene Materialien vorkommen, ist es sehr
herausfordernd und zeitaufwändig, für alle eine zufriedenstellende Lösung zu finden.“
Daher hat Zsolnai-Fehér, der im Team von Prof. Michael Wimmer forscht, Methoden der künstlichen Intelligenz
eingesetzt: Damit der Computer lernt, wie ein bestimmtes Material dargestellt werden soll, wird zunächst ein
Probeobjekt in verschiedenen Varianten angezeigt. Ein Mensch klickt an, welche am ehesten zum gewünschten
Ergebnis passen. Nach ein paar Proberunden hat die künstliche Intelligenz die physikalischen Eigenschaften
des gewünschten Materials erlernt. „Diese erlernten Parameter können dann verwendet werden, um Objekte
dieses Materials nun passend zu einer bestimmten Beleuchtung in ein beliebiges Bild einzufügen“, erklärt
Michael Wimmer.
Nicht nur hübsch, sondern auch schnell
Es genügt aber noch nicht, dass sich der Computer rasch auf die Wünsche des Menschen einstellt – es ist
auch wichtig, dass er die Vorschaubilder in jeder Proberunde in möglichst kurzer Zeit präsentiert. Meistens
generiert man fotorealistische Bilder, indem man die Ausbreitung von Lichtstrahlen physikalisch möglichst
exakt simuliert. Mit solchen Physik-basierten Methoden dauert das Erstellen eines Testbildes allerdings jedes Mal
einige Minuten. Wenn man auf der Suche nach den optimalen Parametern hunderte Male ein neues Testbild berechnen
muss, wird das bald zur nervenaufreibenden Geduldsprobe.
Daher kommt auch beim Generieren der Vorschaubilder künstliche Intelligenz zum Einsatz: Károly Zsolnai-Fehér
entwickelte (zusätzlich zum Machine-Learning-Algorithmus, der die passenden Parameter vorschlägt) auch
noch ein neuronales Netz, das die jeweiligen Material-Parameter viel rascher auf ein Probeobjekt anwendet als das
mit bisherigen Computercode möglich ist. Wenn nötig kann man die Resultate des neuronalen Netzes danach
auch noch auf sehr einfache Weise anpassen und verfeinern.
Sogar komplizierte Materialien, etwa reflektierende oder diffus streuende Oberflächen sind für die neuronalen
Netze kein Problem. „Unser Zugang ist für Anfänger und Profis gleichermaßen geeignet, und ich hoffe,
dass er im Bereich der Computergrafik breite Anwendung findet“, sagt Zsolnai-Fehér.
Großes Interesse in der Grafik-Community
Erstmals präsentiert wurden die neuen Methoden bei der weltgrößten und prestigeträchtigsten
Computergrafik-Konferenz SIGGRAPH, die im August 2018 stattfand. „Károly Zsolnai-Fehérs neue Methoden
sorgen in der Fachwelt seither für großes Aufsehen“, sagt Forschungsgruppenleiter Michael Wimmer. „Die
Methode ist eine echte Erleichterung für viele Leute aus dem Grafik-Bereich.“ Bilder, die mit Hilfe der neuen
Methode erstellt wurden, zieren nun sogar das Titelbild des offiziellen SIGGRAPH-Konferenzreports.
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