Neue Ausstellung beleuchtet
 die VHS im Nationalsozialismus

 

erstellt am
13. 12. 18
13:00 MEZ

Erstmals wurde zu den vertriebenen und getöteten Vortragenden und FunktionärInnen geforscht.
Wien (rk) - In einem Projekt des Österreichischen Volkshochschularchivs, der VHS Hietzing und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) wurde die Geschichte der Vortragenden und FunktionärInnen der Wiener Volkshochschulen während des NS-Regimes untersucht. Die Gesamtzahl der bis dato eruierten Opfer beläuft sich auf 453 Personen. Diese 453 Personen stehen für 9.171 Kurse und Vorträge. Als Opfer wurden dabei Personen gewertet, die sich unmittelbar nach dem sogenannten „Anschluss“ im März 1938 das Leben genommen haben (11 Personen), die vor den Nazis ins Exil fliehen konnten (332 Personen) sowie jene, die deportiert und ermordet wurden (111 Personen). Die bisherigen Ergebnisse werden in einer Ausstellung, die zehn Tafeln umfasst, präsentiert. Beeindruckt über die geleistete Arbeit zeigte sich Dr. Heinz Fischer, der als Präsident der Österreichischen Volkshochschulen die Ausstellung in der VHS Hietzing bereits besucht hat.

VHS internationale Vorreiterin im Bereich der Opferforschung
„Die Praxis der Volkshochschulen nach 1945 hat deutlich gemacht, dass diese Bildungsinstitution kein Ort des Verdrängens ist. Im Gegenteil haben die Volkshochschulen die zeitgeschichtliche Diskussion in Österreich lange vor Etablierung der universitären Fachdisziplin mitinitiiert und befeuert. Auf die eigenen Opfer haben die Volkshochschulen jedoch bisher kaum Augenmerk gelegt“, so Dr. Christian H. Stifter, Historiker und Direktor des Österreichischen Volkshochschularchivs. „Ohne die Zusammenarbeit mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes wäre diese erste Dokumentation nicht möglich gewesen. Immerhin wurden die umfangreichen Dateneinträge des Volkshochschularchivs – in Summe 8442 Datensätze – mit den Opfer-Datenbanken des Dokumentationsarchives abgeglichen.“

Wenngleich dieses Forschungsprojekt spät gestartet wurde, sind die Wiener Volkshochschulen im europäischen Vergleich bis dato die einzige großstädtische Erwachsenenbildungseinrichtung, die die Zahl ihrer Opfer kennt.

Ausstellung noch bis 20. Dezember in der VHS Hietzing zu sehen
Die Arbeit ist aber bei weitem nicht abgeschlossen. Das Ziel des Projekts ist die Erstellung eines Opfer-Handbuchs mit Kurzbiografien. „Die Tafeln erzählen noch keine Geschichten. In manchen Fällen haben wir beispielsweise nur ein Bild eines Haustores, durch das eine Frau Dr. Flora Hochsinger täglich gegangen ist. Sie hat 1910 an der Universität in Wien promoviert. Sie war die erste Absolventin in Geophysik und Meteorologie. Von Flora Hochsinger selbst existiert kein Foto, aber ein ungewöhnlicher Briefwechsel, der dokumentiert, dass sie bis 1941 versuchte, ein Einreisevisum für die USA zu bekommen“, so Dr. Robert Streibel, Historiker und Direktor der VHS Hietzing. „Nur 19 Überlebende beziehungsweise aus dem Exil Zurückgekehrte haben nach 1945 wieder an den Volkshochschulen unterrichtet. Manche von ihnen, wie etwa der Rechtsanwalt und bedeutende Erwachsenenbildner Wolfgang Speiser, hielten mehr als 100 Vorträge.“

Bis 20. Dezember ist die Ausstellung noch in der VHS Hietzing zu sehen. Im kommenden Jahr wird sie als Wanderausstellung in verschiedenen Volkshochschulen Halt machen.

 

 

 

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