Die Republik Österreich feierte ihr 100-Jahr Jubiläum und hielt Rückschau auf
eine bewegte Geschichte
Wien (bka) - Das zu Ende gehende Jahr 2018 war für Österreich ein besonderes Gedenkjahr. Insbesondere
die Gründung der Republik vor 100 Jahren sowie der "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische
Deutschland vor 80 Jahren standen im Zentrum der Erinnerung. Für die jüdische Bevölkerung begann
1938 mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht ein in seiner Abgründigkeit beispielloser Leidensweg, der den
Auftakt zu einem nie dagewesenen Verbrechen, der Shoah, bildete.
Im heurigen Gedenk- und Erinnerungsjahr jährte sich auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
von 1948 zum 70. Mal oder aber das gewaltsame Ende des "Prager Frühlings" von 1968 vor 50 Jahren.
Ebenso wurde an die Revolution 1848 gedacht, welche – heute verwirklichte – Forderungen nach einer demokratischen
Verfassung zur Gewährung von Meinungs-, Presse- und Redefreiheit stellte.
Die österreichische Bundesregierung hatte es sich für dieses Jahr zur Aufgabe gemacht, sich der jüngeren
Vergangenheit unvoreingenommen zu stellen und auch an die dunklen Seiten in der Geschichte unseres Landes zu erinnern.
Um das Gedenk- und Erinnerungsjahr würdig zu begehen, wurde ein Beirat eingerichtet, an dessen Spitze Alt-Bundespräsident
Heinz Fischer stand. In zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen, Symposien und Publikationen wurde den historischen
Meilensteinen und Wegmarken gedacht, welche die Geschichte unseres Landes nachhaltig geprägt haben.
"Der 12. November 1918 war für Österreich einer der größten Wendepunkte unserer Geschichte.
Von da an konnte das Volk selbst bestimmen. Mit der Ersten Republik wurde auch die Nation Österreich geboren",
sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Staatsakt anlässlich der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Gründung
der Republik im November. "Geboren in Angst, Hunger und Selbstzweifel, wurde die Republik nachträglich
oft als das Kind, das keiner wollte, bezeichnet. Nach einer kurzen Phase des Aufschwungs begann die Zeit der politischen
Extreme. Auf die Gewalt der Worte folgte die Gewalt der Taten", die zu Krieg und den unfassbaren Schrecken
der Shoah führten, wie Sebastian Kurz betonte.
Bereits am 12. März – am Jahrestag des im Jahr 1938 erfolgten Einmarsches der deutschen Wehrmacht in Österreich
– wurde die Klanginstallation "The Voices" von Susan Philipsz mit vier singenden Gläsern am Wiener
Heldenplatz eröffnet. Diese soll an die Zerbrechlichkeit von Kultur und Menschlichkeit erinnern: "Wenn
wir heute zurückblicken, vor allem auf das Leid, das der Nationalsozialismus den Menschen gebracht hat, so
können wir es nur dann wiedergutmachen, indem wir aus der Geschichte lernen", bekräftigte Bundeskanzler
Sebastian Kurz bei der Eröffnung der temporären Klanginstallation. "Wir müssen uns gegen Antisemitismus
auf allen Ebenen und in allen Formen wehren, für unsere Grundfreiheiten und unsere Rechtsstaatlichkeit eintreten
und diese entschieden gegen Intoleranz verteidigen."
Bereits im Frühjahr wurde die Idee von Kurt Tutter aufgegriffen, eine "Namensmauer" – mit den Namen
von rund 66 000 während der Nazizeit getöteten österreichischen Jüdinnen und Juden – in Wien
zu errichten. Im Herbst beschloss der Ministerrat deren finanzielle Unterstützung. Für Österreich
und Wien sei es wichtig, einen nachhaltigen Ort des Gedenkens zu haben, der weit über das Gedenkjahr hinausstrahle.
"Neben der Pflicht zu gedenken, haben wir als Land Österreich auch die Pflicht zu handeln", so Sebastian
Kurz.
Der Bundeskanzler versicherte, dass sich Österreich heute seiner historischen Verantwortung bewusst sei, und
"dass wir alle wissen, dass wir die Pflicht haben, zu gedenken, aber auch, dass wir in Gegenwart und Zukunft
handeln müssen." Denn erst die Traumata der nationalsozialistischer Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges
haben einen radikalen Paradigmenwechsel eingeleitet, der am Beginn der Zweiten Republik vollzogen wurde. Es hat
der bitteren Erfahrungen und der Katharsis der Jahre nach 1938 sowie der Schrecken des Zweiten Weltkrieges bedurft,
um Österreich schätzen zu lernen. So wurde das Jahr 1945 zu einem Ausgangspunkt, von dem aus sich eine
eigenständige und selbstbewusste österreichische Identität zu entwickeln begann.
Erst mit der Gründung der Zweiten Republik sei es gelungen, die Einheit Österreichs zu wahren und langfristig
Frieden und Wohlstand zu sichern. "Mit der Unabhängigkeit konnte unser Land seinen beispielhaften Erfolgsweg
der letzten Jahrzehnte beschreiten. Wir müssen dieser Generation, die unser Land nach dem Krieg wieder aufgebaut
hat, immer dankbar sein, dass sie an unser Österreich geglaubt hat. Dieser Glaube hat uns allen geholfen,
dass wir heute im schönsten Land der Welt leben dürfen", so der Bundeskanzler.
Mit dem Bekenntnis zur eigenständigen Nation habe Österreich ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln
können, das uns heute auch "viel geliebtes Österreich" aus ganzem Herzen sagen lasse. "Jede
Generation muss sich immer wieder aufs Neue Frieden, Freiheit und Wohlstand erkämpfen. Und auch unsere Demokratie
und unser liberaler Rechtsstaat müssen immer wieder aufs Neue geschützt werden. All das kann nur gemeinsam
funktionieren", erklärte Sebastian Kurz. Jeder habe das gleiche Recht auf seine eigene Meinung. Die politische
Auseinandersetzung solle aber stets in einem respektvollen Ton stattfinden. Denn Demokratie würde zweifelsohne
unterschiedliche Meinungen aushalten.
"Das Jahr 2018 ist ein Jahr, in dem wir uns intensiv mit unserer Geschichte auseinandergesetzt haben. Es ist
wichtig, aus unserer Vergangenheit für die Zukunft zu lernen und die Erinnerung an gute, aber auch an schwierige
Zeiten hochzuhalten. Dazu ist ein gemeinsamer, respektvoller Diskurs notwendig", so Bundeskanzler Sebastian
Kurz anlässlich des Festaktes "100 Jahre Republik Österreich" im Oktober im Palais Niederösterreich
in Wien, an dem auch der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, Bundespräsident
Alexander Van der Bellen und die Landeshauptleute der österreichischen Bundesländer teilnahmen. Den Besuch
des Kommissionspräsidenten erachtete der Bundeskanzler als eine besondere Auszeichnung, denn "Österreich
ist in der Europäischen Union fest verankert und stets gewillt, die EU auch aktiv mitzugestalten."
Es sei die Aufgabe der Bundesregierung, die demokratischen Grundwerte unter Aufbietung aller rechtsstaatlichen
Möglichkeiten zu erhalten. Zu einem solchen Vorgehen mahnt gerade das Gedenken an die Opfer der Shoah und
die Solidarität mit ihren Hinterbliebenen. "Österreich hat nach 1945 seine innere Balance als eine
gefestigte Demokratie gefunden und sich als ein Faktor der Stabilität und des Ausgleichs in Europa etabliert.
Daran gilt es auch in Zukunft festzuhalten", so der Bundeskanzler.
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