Länder erhalten alleinige Zuständigkeit für Kinder- und Jugendhilfe
Wien (pk) - Das von Justizminister Josef Moser geschnürte erste Gesetzespaket zur Entflechtung von
Kompetenzen zwischen Bund und Ländern ist endgültig auf Schiene. Nach dem Nationalrat stimmte am 20. Dezember
auch der Bundesrat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsnovelle und begleitende Gesetzesänderungen.
Damit kann das Paket, mit dem sowohl der Bund als auch die Länder auf bestimmte Gesetzgebungskompetenzen und
Zustimmungsrechte zugunsten der jeweils anderen Gebietskörperschaft verzichten, wie geplant Anfang 2020 in
Kraft treten. Eine Sonderregelung gibt es für die Kinder- und Jugendhilfe: Sie wandert erst dann in die alleinige
Zuständigkeit der Länder, wenn bundeseinheitliche Qualitätsstandards durch den Abschluss einer Bund-Länder-Vereinbarung
sichergestellt sind.
Die Länderkammer passiert haben außerdem ein EU-Beschluss zu den Europawahlen 2019, die 2. Dienstrechts-Novelle
2018 mit dem Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst sowie Änderungen im Bundesbezügegesetz
. Zudem ermöglicht eine begleitende Novellierung des Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetzes
künftig auch den Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat, einen persönlichen Mitarbeiter bzw. eine persönliche
Mitarbeiterin zu beschäftigen. Von der vom Nationalrat verordneten "Nulllohnrunde" für SpitzenpolitikerInnen
sind weder die Mitglieder des Bundesrats noch Landes- und GemeindepolitikerInnen betroffen.
ÖVP, FPÖ und SPÖ begrüßen Kompetenzentflechtung
Das Gesetzespaket zur Kompetenzbereinigung sieht insbesondere vor, jene Materien, in denen dem Bund die Grundsatzgesetzgebung
obliegt und die Länder für die Ausführungsgesetze zuständig sind, deutlich zur reduzieren.
Das betrifft neben der Kinder- und Jugendhilfe etwa auch das Arbeitsrecht für die Land- und Forstwirtschaft,
die Bevölkerungspolitik und den Pflanzenschutz. Für diese und weitere Bereiche werden künftig ebenfalls
entweder nur noch die Landtage bzw. nur noch das Parlament zuständig sein. Gleiches gilt für allgemeine
Angelegenheiten des Datenschutzes, die in die alleinige Kompetenz des Bundes wandern. Darüber hinaus werden
mit dem Gesetzespaket wechselseitige Zustimmungsrechte von Bund und Ländern, etwa was die Festlegung von Bezirksgrenzen
und Gerichtssprengeln betrifft, gestrichen.
Ausdrücklich begrüßt wurde die Kompetenzentflechtung von Klara Neurauter (ÖVP/T), Stefan Schennach
(SPÖ/W) und Michael Raml (FPÖ/O). Die Kompetenzzersplitterung in Österreich sei ein großes
Problem, über das schon seit Jahren und Jahrzehnten diskutiert werde, hoben Neurauter und Raml hervor und
lobten in diesem Sinn das vorliegende Reformpaket. Die türkis-blaue Regierung stelle damit einmal mehr unter
Beweis, dass sie eine Reformregierung sei, so Raml. Besonders hob der FPÖ-Bundesrat in diesem Zusammenhang
auch die Abschaffung gegenseitiger Blockademöglichkeiten zwischen Bund und Ländern hervor.
Die Kritik an der "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe konnten Naurauter und Raml nicht nachvollziehen.
Die Gesetzgebung wandere nun dorthin, wo die Aufgaben erledigt und finanziert werden, sagte Neurauter.
Bundesrat Schennach räumte ein, dass die SPÖ große Sorge hatte, was die Beibehaltung der bestehenden
bundeseinheitlichen Qualitätsstandards in der Kinder- und Jugendhilfe betrifft. Deshalb habe sie zunächst
auch "die Notbremse gezogen", meinte er. Man habe die Zeit aber genutzt, durch die nunmehr vorgesehene
Bund-Länder-Vereinbarung seien einheitliche Qualitätsstandards auch in Zukunft garantiert.
Grüne kritisieren "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe
Kritisch zum Gesetzespaket äußerte sich hingegen der oberösterreichische Bundesrat David Stögmüller
von den Grünen. Dieses sei völlig unausgegoren, auch weil große Brocken wie das Elektrizitätswesen,
die Krankenanstalten und die Sozialhilfe von der Kompetenzentflechtung ausgeklammert blieben. Außerdem kann
er der "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe nichts abgewinnen. Man habe jahre- und jahrzehntelang
um ein Bundesgesetz mit einheitlichen Qualitätsstandards gerungen, nun werde es wieder neun Ländergesetze
geben, beklagte er. Stögmüller sieht das als massiven Rückschritt und fürchtet eine Wiederkehr
des "Kirchturmdenkens". Es dürfe aber keinen Unterschied machen, in welchem Bundesland ein Kind
geboren ist. Die Bund-Länder-Vereinbarung sieht Stögmüller als unzureichend, da Betroffene die Nichteinhaltung
dort verankerter Standards nicht einklagen können.
Widerspruch erntete Stögmüller nicht nur von den anderen Fraktionen, sondern auch von Justizminister
Josef Moser. Er hält eine klare Zuordnung von Zuständigkeiten für unbedingt notwendig. Künftig
werde es nicht mehr möglich sein, sich im Falle von Problemen wechselseitig die Verantwortung zuzuschieben.
Im Übrigen hätten sich die Länder ausdrücklich zu einer Weiterentwicklung der Standards im
Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bekannt, hob Moser hervor. Weitere Kompetenzbereinigungen stellte der Justizminister
für das kommende Jahr in Aussicht.
Das Gesetzespaket wurde schließlich mit 49 Pro-Stimmen bei 2 Gegenstimmen angenommen. Zuvor war ein Antrag
der Grünen, die Abstimmung zu vertagen und das Paket erneut im zuständigen Ausschuss zu beraten, in der
Minderheit geblieben. Ein von den Grünen eingebrachter Entschließungsantrag betreffend die qualitative
Weiterentwicklung der Standards in der Kinder- und Jungendhilfe wurde nicht zur Verhandlung zugelassen, da er nicht
genügend Unterschriften trug.
Gehälter im öffentlichen Dienst steigen zwischen 2,51% und 3,45%
Auf einhellige Zustimmung im Bundesrat stießen der Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst
und die übrigen Teile der 2. Dienstrechts-Novelle 2018, die einige Neuerungen für BeamtInnen, Vertragsbedienstete
und RichterInnen bringt. Dazu zählen etwa eine Flexibilisierung von Telearbeit, der Ausbau von "Fachkarrieren",
die Beschleunigung von Aufnahmeverfahren im Exekutivdienst und neue Einsatzmöglichkeiten für RichteramtsanwärterInnen.
Außerdem wird der neuen Behördenstruktur im Schulbereich, Stichwort Bildungsdirektionen, Rechnung getragen.
Die Gehälter im öffentlichen Dienst steigen sozial gestaffelt zwischen 2,51% und 3,45%, im Durchschnitt
wurde zwischen der Regierung und der Beamten-Gewerkschaft ein Plus von 2,76% vereinbart.
Zur Novelle zum Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz merkten Karl Bader (ÖVP/N) und
Elisabeth Grimling (SPÖ/W) an, dass dadurch die Arbeit im Bundesrat verbessert und folglich ein Mehrwert für
die BürgerInnen geschaffen werde. Dass nun auch der Länderkammer Parlamentarische MitarbeiterInnen zur
Seite gestellt werden, sei ein erster Schritt, um ihre Funktion besser wahrnehmen zu können, so Bader und
Elisabeth Grossmann (SPÖ/St). Grossmann setzte sich darüber hinaus für generelle Reformüberlegungen
ein: Es sei noch einiges zu tun, um der zweiten Parlamentskammer einen gebührenden Stellenwert zu geben.
"Wir als Politiker sollten nicht selbst so tun, als ob das, was wir arbeiten, nichts wert wäre",
meinte ebenso Monika Mühlwerth (FPÖ/W).
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