Nicht authentische „Wählerevidenzliste“ kein taugliches Beweismittel
Wien (vfgh) - Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (VGW) zum
Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft infolge des (behaupteten) Wiedererwerbes der türkischen
Staatsangehörigkeit aufgehoben. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich
gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden, so der VfGH.
Das VGW hat im vorliegenden Fall seine Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes
in qualifizierter, in die Verfassungssphäre reichender Art und Weise verletzt.
Ausgangspunkt der Entscheidung ist der Fall eines in der Türkei geborenen Mannes, der sich vor 40 Jahren in
Österreich niedergelassen hat und seit 1996 (nach Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit) die
österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Im Dezember 2017 stellte die Wiener Landesregierung - gestützt
auf eine angebliche türkische „Wählerevidenzliste“ - fest, dass der Beschwerdeführer die türkische
Staatsangehörigkeit wieder angenommen (und dadurch die österreichische Staatsbürgerschaft verloren)
hat.
Das VGW bestätigte diesen Bescheid der Wiener Landesregierung in seiner nun beim VfGH bekämpften Entscheidung
vom August 2018.
Das Verfahren vor dem VfGH ergab, dass der fragliche, nicht authentische und hinsichtlich seines Ursprunges und
des Zeitpunktes seiner Entstehung nicht zuordenbare Datensatz kein taugliches Beweismittel für die Feststellung
der Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit darstellt.
Soweit das VGW seine Entscheidung auch darauf stützte, dass der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht
verletzt habe, weil er keinen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister vorgelegt habe, hielt der VfGH
fest, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft
von der Verwaltungsbehörde bzw. vom Verwaltungsgericht festzustellen ist. Auf eine allfällige Verletzung
der Mitwirkungspflicht des Betroffenen ist dabei zwar Bedacht zu nehmen. Diese enthebt die Behörde aber nicht
ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes. Keinesfalls darf die Beweislast für den
(Nicht-)Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ohne weiteres auf den Betroffenen überwälzt
werden.
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