Demokratieförderung bei SchülerInnen, Integration von Frauen aus der Türkei
und Nachbarschaftszentren des Wiener Hilfswerks
Wien (pk) – 37 Projekte wurden eingereicht, drei davon erhielten am 18. Dezember im Parlament den "Demokratiepreis
2018": Es handelt sich um ein E-Learning-Projekt für Schulen und PädagogInnen im Burgenland zum
Thema "100 Jahre Republik – 100 Jahre Leben", um die Integrationsarbeit des Vereins "Peregrina"
und um das Projekt "Nachbarschaftszentren" des Wiener Hilfswerks. VertreterInnen der drei Trägerorganisationen
erhielten die Auszeichnungsurkunden von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Zweiter Nationalratspräsidentin
Doris Bures überreicht. Der Preis wird seit 2004 aus der Margaretha-Lupac-Stiftung jährlich abwechselnd
mit dem Wissenschaftspreis des Parlaments verliehen. Er kann auf bis zu drei "Sieger-Projekte" aufgeteilt
werden.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betonte, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei und
dass es notwendig sei, wachsam zu bleiben. "Jede Generation muss sich ihr Verständnis von Demokratie
neu erarbeiten und verteidigen", sagte Sobotka. Er hob die Rolle der Zivilgesellschaft hervor, aber auch jene
des Parlaments. Dieses müsse seine Rolle immer wieder unter Beweis stellen, etwa durch "Veranstaltungen
wie jene gestern, als wir das 25-Jahr-Jubiläum der Anerkennung der Volksgruppe der Roma gefeiert haben, oder
wie jene Gedenkfeier, die wir morgen zur Erinnerung an den Beschluss zum allgemeinen Wahlrecht und damit zum Frauenwahlrecht
abhalten werden". Diese Erinnerungs- und Gedenkfeiern seien kein Selbstzweck, "sie sind ein Handeln im
Auftrag, sich für den Erhalt der Demokratie zu engagieren", betonte der Nationalratspräsident.
"100 Jahre Republik – 100 Jahre Leben"
Sobotka unterstrich, dass "es eigentlich jedes der 37 eingereichten Projekte wert gewesen wäre, ausgezeichnet
zu werden". Jeder Beitrag sei wichtig, der das demokratische Prinzip stärke. Doch der Wettbewerb ließ
es nur zu, nicht mehr als drei Projekte auszuzeichnen, und so wurden die Betreiber des Projekts "100 Jahre
Republik – 100 Jahre Leben" als eines von drei Projekten mit dem Demokratiepreis 2018 ausgezeichnet. Dabei
wurde für SchülerInnen im Burgenland ein E-Learning-Netzwerk-Projekt zum Jubiläum der Republik Österreich
entwickelt. Federführend beteiligt waren die Pädagogische Hochschule (PH) Burgenland, der Landesschulrat,
sämtliche Schulen im Burgenland und weitere Partner wie der ORF. Im E-Learning-Netzwerk wurden Schülerinnen
und Schüler motiviert, Projekte zu initiieren.
Insgesamt wurden 250 Projekte gestartet – dabei wurden Zeitzeugen interviewt, Videos und kurze Clips hergestellt,
Schreibwerkstätten veranstaltet und vieles mehr. Insgesamt waren daran 7.000 Schülerinnen und Schüler
beteiligt, angeregt und unterstützt von 500 Lehrerinnen und Lehrern. Die Projektthemen handelten beispielsweise
vom "Kochen einst und jetzt" oder "Dirty Campaigning bei Cicero". Ziel war es bei allen Projekten,
die Erkenntnis zu gewinnen, dass Demokratie nichts Gegebenes ist, sondern gepflegt werden muss. Projektleiter Walter
Hermann von der PH Burgenland berichtete von einem Burschen, der zu Beginn des Projekts gesagt hatte, "100
Jahre Republik, das ist fad, das interessiert uns nicht". "Am Ende hat er eine Veranstaltung in Eisenstadt
moderiert, bei der der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer anwesend war und der burgenländische Landeshauptmann",
berichtete Hermann.
"Die Jury hat vor allem überzeugt, dass es sich bei diesem Projekt um einen Versuch gehandelt hat, ein
ganzes Bundesland für das Thema 100 Jahre Republik zu gewinnen", erläuterte Jurymitglied der Margaretha-Lupac-Stiftung
Oliver Rathkolb, Historiker an der Universität Wien, in seiner Laudatio zum Projekt "100 Jahre Republik
– 100 Jahre Leben". "Überzeugt hat uns auch, dass es gelungen ist, verschiedene Alters- und Gesellschaftsgruppen
zu involvieren, verschiedene Kulturen und Religionen – und das Gemeinsame in Beziehung zu unserer heutigen Demokratie
zu setzen." In dem Projekt wurden sowohl digitale Initiativen gesetzt, als auch Initiativen in der realen
Welt. Rathkolb hob ein Projekt in Neufeld hervor, bei dem VolksschülerInnen eine Zeitung zum Thema 100 Jahre
Republik erstellt und an jeden Haushalt in der Gemeinde versandt haben.
"Peregrina" – Verein solidarischer Frauen aus der Türkei und aus Österreich
Der Verein "Peregrina" wurde 1984 als "Verein solidarischer Frauen aus der Türkei und aus Österreich"
gegründet. Ziel ist es, zugewanderte Frauen bei der Integration zu unterstützen. Dafür wurden fünf
Arbeitsbereiche ausgewählt: Basisbildungs- und Deutschkurse, Bildungsberatung, Rechts- und Sozialberatung,
psychologische Beratung und Fortbildung. Etwa ein Dutzend ExpertInnen arbeiteten über die Jahre mit Frauen
aus mehr als 80 Ländern. "Als wir das Projekt für den Preis eingereicht haben", berichtete
Stoiber Gölgün vom Verein "Peregrina", "hat eine unserer Kolleginnen gesagt, sie fürchte,
sie würde dem Projekt schaden – und zwar deshalb, weil sie ein Kopftuch trägt." Das zeige, welche
Wirkungen öffentliche Diskussionen entfalten. Jurymitglied Sieglinde Rosenberger von der Universität
Wien zeigte die Wichtigkeit der Arbeit auf, die "Peregrina" leistet. Migranten hätten allgemein
schon eine schwierige Situation – Migrantinnen stünden umso mehr in einem Spannungsverhältnis. "Zwei
Drittel der Migrantinnen in Österreich verfügen über keinen dauerhaften Aufenthaltstitel, sie verdienen
weniger und sind oft Gewalt ausgesetzt", umriss Rosenberger die Situation der Frauen in der Fremde. "Peregrina"
leiste Wesentliches, um das zu lindern und um die Frauen in der Gesellschaft zu integrieren.
"Grätzldemokratie" in Nachbarschaftszentren
In den Nachbarschaftszentren des Wiener Hilfswerks wird "Grätzldemokratie" gelebt – im Sinne von
Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Allein im Jahr 2017 besuchten insgesamt 210.000 Menschen die zehn Nachbarschaftszentren.
Hier kommen Menschen unterschiedlicher Generationen, Kulturen und Schichten zusammen. Im Frühjahr 2017 wurde
die Wirkung der Nachbarschaftszentren wissenschaftlich untersucht. Das ergab, dass durch die Nachbarschaftszentren
eine solidarische Atmosphäre vermittelt wird, Gruppen erfolgreich miteinander vernetzt werden und dass ein
Beitrag zur Gesundheit der Betroffenen geleistet wird. In den Nachbarschaftszentren arbeiten 60 hauptamtliche und
700 freiwillige MitarbeiterInnen.
"Für die Jury war ausschlaggebend, dass das Wiener Hilfswerk mit den Nachbarschaftszentren Orte geschaffen
hat, wo der teils vereinsamten Stadtbevölkerung jener menschlich so wichtiger Halt zurückgegeben wird,
der früher in vielen Familien selbstverständlich war", berichtete Jurymitglied Elisabeth Totzauer
vom ORF. "Durch die Individualisierung unserer Gesellschaft und die zunehmende Auflösung tradierter Lebensformen
weichen sich soziale Muster des Zusammenlebens auf."
"Nachbarschaftszentren sind keine Erfindung von uns – es gibt sie seit 130 Jahren", sagte die Vertreterin
des Wiener Hilfswerks Eva Bertalan. "Sie sind aber immer noch zeitgemäß. Wir machen nichts anderes
als zuzuhören und umzusetzen", erläuterte sie die Formel der Nachbarschaftszentren. Das sei der
Nährboden für eine demokratische Gesellschaft, in der Menschen respektvoll miteinander umgehen. Zudem
seien die Nachbarschaftszentren Drehscheiben für Ideen und soziales Engagement. Durch die Teilnahme an der
Gesellschaft erlebten Menschen eine Selbstwirksamkeit, wie sie sie sonst nicht erreichen würden.
Die Margaretha-Lupac-Stiftung stammt aus dem Nachlass von Margaretha Lupac. Sie hinterließ dem gemeinnützigen
Werk 1,5 Millionen Euro. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist Vorsitzender des Stiftungskuratoriums.
Jedes Jahr werden 15.000 Euro an Siegerprojekte vergeben. Abwechselnd handelt es sich um einen Demokratie- und
einen Wissenschaftspreis. Mit dem Demokratiepreis werden Arbeiten ausgezeichnet, die das Verständnis für
die Grundlagen, die Funktionsweise und die Grundwerte der Demokratie fördern und die dazu beitragen, die Bedeutung
von Toleranz im Diskurs über Fragen der Politik, Kunst und gesellschaftlichen Entwicklungen zu vermitteln.
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