Linz (lk-oö) - Mit den Verhandlungen zum Mehrjährigen EU-Finanzrahmen und zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik,
der konkreten Umsetzung des Brexits, weiteren EU-Verhandlungen zur Handelsliberalisierung, den Verhandlungen für
eine neuerliche Steuerreform sowie der Strukturreform bei der österreichischen Sozialversicherung stehen heuer
zentrale Entscheidungen an, die die künftige Einkommenssituation der bäuerlichen Familien maßgeblich
beeinflussen werden. „Die politischen Verantwortungsträger auf EU-, Bundes- und Landesebene sind mit Nachdruck
gefordert, klare Entscheidungen zur Sicherung der agrarischen Budgetmittel zu treffen und konkrete Entlastungen
für die Landwirtschaft zu schaffen, um dringend notwendige Schritte zur Einkommensstabilisierung der bäuerlichen
Familien zu ermöglichen“, erläutert LK-Präsident Franz Reisecker die zentralen agrarpolitischen
Anliegen im neuen Jahr.
Brexit als dringendstes Problem
Ein ungeordneter Austritt des Vereinigten Königreiches hätte massive negative Rückwirkungen auf
die Agrarmärkte der EU und damit auch auf die agrarischen Erzeugerpreise. Für die EU-Landwirtschaft ist
der weiterhin uneingeschränkte Zutritt zum britischen Lebensmittelmarkt absolut unverzichtbar. „Die Landwirtschaftskammer
fordert daher von Großbritannien und der EU die zügige Umsetzung einer Austrittsvereinbarung, um drohende
massive Turbulenzen für die Agrarmärkte wirksam zu verhindern. Ein harter Brexit wäre wirtschaftlich
und politisch verantwortungslos und würde jeglicher politischer Rationalität und Professionalität
widersprechen“, betont Präsident Reisecker.
EU-Budgetkürzungen und Bürokratie gefährden bäuerliche Familienbetriebe
Die von der EU gewährten Direktzahlungen sind für die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen
Landwirtschaft unverzichtbar. Diese Zahlungen mit einer Vielzahl neuer kostentreibender Auflagen zu versehen ist
für die bäuerlichen Familienbetriebe keinesfalls verkraftbar. Die vorgeschlagenen Auflagen stehen damit
im diametralen Gegensatz zu dem von der EU postulierten Ziel einer verstärkten Unterstützung klein- und
mittelbäuerlicher Betriebe. EU-Mittelkürzungen von ca. 15 Prozent im Bereich des Programmes Ländliche
Entwicklung würden in Österreich vor allem das Agrarumweltprogramm ÖPUL und die Bergbauernförderung
massiv treffen. Die Landwirtschaftskammer fordert daher mit Nachdruck eine zumindest stabile EU-Agrarfinanzierung
und eine uneingeschränkte Fortsetzung der bewährten Programme in der Ländlichen Entwicklung. „Dazu
muss die österreichische Bundesregierung ihren Widerstand gegen höhere EU-Beiträge in den weiteren
Finanzverhandlungen aufgeben“, so Reisecker.
Fairer und offener Welthandel für Agrarwirtschaft unverzichtbar
Ein fairer und offener Welthandel ist auch für die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft absolut unverzichtbar.
Die EU als weltweit führender Agrar- und Lebensmittelexporteur braucht einen offenen Zugang zu den wichtigsten
Exportmärkten wie zB nach China, Japan, Südkorea oder auch in die USA. Einseitige Handelsvereinbarungen
zu Lasten der Landwirtschaft, wie zB bei dem von der EU angestrebten Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern
(Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) werden von der Bauernvertretung aber mit allem Nachdruck abgelehnt.
Die Landwirtschaftskammer setzt sich weiter mit Nachdruck gegen die Öffnung der europäischen Märkte
für Agrarprodukte aus den Mercosur-Staaten ein. Bis dato konnte der EU-weite Widerstand der bäuerlichen
Vertreter weitere einseitige Zugeständnisse für zollfreie Importmengen bei Agrarprodukten verhindern.
Von der Landwirtschaftskammer ebenfalls äußerst kritisch betrachtet werden die von der EU im vergangenen
Jahr gestarteten Freihandelsgespräche mit Australien und Neuseeland, da auch diese typische Agrarexportländer
darstellen und damit vor allem von agrarischen Exportinteressen geprägt sind.
Steuerreform muss auch bäuerliche Familienbetriebe entlasten
Im Zuge der geplanten Steuerreform werden auch Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen für
Bezieher niedriger Einkommen diskutiert. Die Bauernvertretung fordert hier analog eine schrittweise Absenkung der
SVB-Mindestbeitragsgrundlage und damit einhergehend eine Angleichung an die Bedingungen im Gewerbe. Gerade viele
kleinere landwirtschaftliche Betriebe können den SVB-Beitrag nicht mehr aus den in der Land- und Forstwirtschaft
erzielten Einkünften abdecken, sodass im Zuge der Generationenfolge vermehrt Betriebsaufgaben drohen. „Hier
bedarf es dringend einer Anpassung, um eine flächendeckende Bewirtschaftung auch in den Berg- und Grünlandregionen
des Landes weiter sicherstellen zu können“, erklärt Reisecker.
Wettbewerbsfähigen Obst- und Gemüsebau sicherstellen
Insbesondere der Obst- und Gemüsebau ist zu den Arbeitsspitzen massiv auf den Einsatz von Fremdarbeitskräften
angewiesen. „Bei den Kosten für diese Fremdarbeitskräfte gibt es aufgrund wesentlich höherer Sozialversicherungsbeitragsleistungen
für die heimischen Betriebe massive wirtschaftliche Wettbewerbsnachteile gegenüber Deutschland, die mittel-
und längerfristig die gesamte Produktionssparte sowie die nachgelagerten Verarbeitungsbetriebe in ihrem wirtschaftlichen
Bestand gefährden. Hier bedarf es dringend entsprechender Anpassungen im Sozialversicherungsrecht, um die
Wertschöpfung aus dieser Produktionssparte weiter in Österreich halten zu können“, appelliert Präsident
Franz Reisecker.
Herkunftskennzeichnung rasch umsetzen
Auf intensives Drängen der Bauernvertretung wurde im Programm der Bundesregierung vereinbart, dass in Österreich
eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln (Fleischprodukte, Milch- und Milchprodukte, Eiprodukte
sowie verarbeitete Produkte) nach dem Vorbild Frankreichs zunächst auf nationaler Ebene und später auf
EU-Ebene eingeführt werden soll. Die Landwirtschaftskammer fordert vom zuständigen Gesundheitsministerium
den zügigen Erlass einer Verordnung auf Basis des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes zur
Einführung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung bei Milchprodukten sowie bei Verarbeitungsprodukten
aus Fleisch, Milch und Eiern. Zusätzlich fordert die Landwirtschaftskammer eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung
der wertbestimmenden Zutaten aus Fleisch, Milch und Eiern in der öffentlichen und privaten Gemeinschaftsverpflegung.
Gerade hier kommen aufgrund des Preisargumentes zu einem hohen Anteil auch Lebensmittel ausländischer Herkunft
zum Einsatz. In Österreich werden täglich bereits 2,2 bis 2,5 Millionen Portionen Essen in Einrichtungen
der Gemeinschaftsverpflegung zubereitet. „Mit einer konsequenten Umsetzung von Regelungen zur Herkunftskennzeichnung
kann in den angeführten Bereichen eine zusätzliche Wertschöpfung für die heimische Wirtschaft
generiert werden“, betont Präsident Reisecker abschließend.
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