Parlementarischer Verfassungsausschuss nahm Beratungen über Volksbegehren auf – Wrabetz:
"SeherInnen und HörerInnen wollen, nutzen und vertrauen ORF"
Wien (pk) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat am 9. Jänner die Beratungen über das
ORF-Volksbegehren ( 435 d.B.) aufgenommen. 320.264 Personen bzw. 5,02% der Stimmberechtigten haben die Forderung
unterstützt, die "zwingenden ORF-Gebühren und Abgaben ersatzlos abzuschaffen und die parteipolitische
Einflussnahme auf die Organe des ORF zu beseitigen". Initiator Rudolf Gehring ist zwar dafür, das Programmentgelt
des ORF beizubehalten, wie er im Ausschuss präzisierte, dieses soll aber direkt vom ORF und ohne Zusatzabgaben
eingehoben werden. Und zahlen sollen nur jene, die auch ORF-Programme nutzen. Der zu den Beratungen beigezogene
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hält die Gebührenfinanzierung des ORF hingegen nach wie vor für
die beste Lösung. Auch SPÖ und JETZT stellten sich ausdrücklich hinter dieses Finanzierungsmodell.
Als nächster Schritt ist ein öffentliches Hearing im Verfassungsausschuss geplant, bei dem es insbesondere
um die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender in anderen europäischen Ländern gehen soll.
Laut Wrabetz ist das Gebührenmodell nach wie vor das vorherrschende in Europa. Gehring und die FPÖ orten
allerdings einen Trend zu alternativen Modellen. Zum Wunsch der SPÖ, zum Hearing auch Medienminister Gernot
Blümel einzuladen, merkte NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon an, dass das nicht in Einklang mit den in der Präsidiale
getroffenen Vereinbarungen über die Beratung der dem Nationalrat zugewiesenen Volksbegehren stehe.
Gehring: Bevölkerung ist mit ORF-Gebühren und Programm unzufrieden
Er verstehe sich als Vertreter der HörerInnen und SeherInnen des ORF, sagte der Initiator des Volksbegehrens
Rudolf Gehring in seinem einleitenden Statement. Zu den mehr als 320.000 UnterzeichnerInnen des Volksbegehrens
kämen noch zwei Millionen Menschen hinzu, die sich Veränderungen beim ORF wünschen. Nicht nur die
Höhe der ORF-Gebühren stößt seiner Erfahrung nach auf Kritik, auch mit dem Programm seien
viele unzufrieden. Private Sender hätten ein besseres Image als der ORF, meinte er.
Finanzieren soll sich der ORF nach Vorstellung Gehrings - abseits von sonstigen Einnahmen - künftig nur noch
durch das Programmentgelt von derzeit 17,21 € pro Monat. Dieses Entgelt solle direkt vom ORF kalkuliert und eingehoben
werden. Gleichzeitig müsse es die Möglichkeit geben, sich abzumelden, wenn man das ORF-Programm nicht
nutze. "Das ist fair und gerecht." Große finanzielle Einbußen für den ORF befürchtet
Gehring deshalb nicht: Wenn dieser so gut arbeite, wie von Wrabetz behauptet, werde er wohl maximal 10% der SeherInnen
und HörerInnen verlieren, was einem Einnahmenverlust von 60 Mio. € entspräche. Zweifel hegt Gehring allerdings
auch an der Gebührenerhöhung 2017, die ihm zufolge ausgesetzt gehört.
Als künftige Organisationsform des ORF kann sich Gehring eine Aktiengesellschaft oder eine Genossenschaft
vorstellen. Wichtig ist ihm vor allem, dass die SeherInnen und HörerInnen bei der Besetzung der Gremien mitreden
können. Die geltenden Vorschlagsrechte der politischen Parteien für den Stiftungsrat seien weder notwendig
noch zeitgemäß. Nur durch eine Entpolitisierung der Gremien könnten die Objektivität und Unabhängigkeit
des ORF sichergestellt werden, ist Gehring überzeugt.
Wrabetz: Freiwilliges Gebührenmodell würde nicht funktionieren
Widerspruch zu den Ausführungen Gehrings kam von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Die ÖsterreicherInnen
"wollen und nutzen den ORF" und vertrauten ihm auch, bekräftigte er mit Verweis auf verschiedene
Nutzungs- und Umfragedaten. So haben sich laut Wrabetz bei einer Umfrage 79% der Befragten dafür ausgesprochen,
dass der ORF mit seinem Angebot bestehen bleibt und Zukunft hat. Auch würde der ORF wöchentlich von 93%
der ÖsterreicherInnen genutzt, bei den Jungen seien es 86%. Allein gestern haben laut Wrabetz vier Millionen
das ORF-Fernsehprogramm eingeschaltet. Für 68% der ÖsterreicherInnen sei der ORF die vertrauenswürdigste
Informationsquelle.
Um die Programmvielfalt und die Qualität des Programms abzusichern, brauche es eine ausreichende Finanzierung
in Form eines Gebührensystems, unterstrich Wrabetz. Das Gebührenmodell sei kein Auslaufmodell, sondern
Standard innerhalb der EU. Auch die Schweizer Bevölkerung habe sich nach einjähriger intensiver Diskussion
hinter dieses Modell gestellt.
Den Haushalten die Entscheidung zu überlassen, ob sie ORF-Gebühren zahlen oder nicht, würde in Zeiten
der Gratiskultur nicht funktionieren, meinte Wrabetz. Der ORF würde deutlich mehr als die von Gehring geschätzten
10% der Einnahmen verlieren. Zudem übersehe man bei der Forderung nach Freiwilligkeit, dass das Finanzierungsmodell
des ORF ein solidarisches und ein soziales sei. Schließlich würden sich bestimmte Angebote wie barrierefreie
Sendungen oder Sendungen für Volksgruppen marktwirtschaftlich nicht finanzieren lassen. 300.000 einkommensschwache
Haushalte seien derzeit von den Gebühren befreit. Der ORF investiere außerdem 100 Mio. € in die österreichische
Filmwirtschaft. Auch seien Proteste zu erwarten, würde man den ÖsterreicherInnen die werbefreien Regionalradios
oder die Bundesländersendungen abdrehen. Einig ist sich Wrabetz mit Gehring darin, dass eine Finanzierung
des ORF aus dem Budget nicht sinnvoll wäre.
Ausdrücklich wies der ORF-Generaldirektor auch darauf hin, dass die ORF-Gebühren seit 1988 stets unter
der Inflationsrate erhöht wurden und das Angebot – trotz des erfolgten Ausbaus - für die ZuseherInnen
somit um 10% bis 15% billiger wurde. Für den Bund und die Länder hätte der Finanzierungsvorschlag
von Gehring ihm zufolge Einkommensverluste von 350 Mio. € zur Folge, die derzeit zum Teil für Medien- und
Filmförderung eingesetzt werden.
Nicht in Frage stellen will Wrabetz auch die Zusammensetzung des Stiftungsrats. Wenn man öffentliches Eigentum
habe, sei klar, dass die Gremien von der Politik besetzt würden. Die StiftungsrätInnen des ORF würden
ihr Bestes geben, glaubt er. Es seien von der Anzahl her zwar viele, dadurch würde aber auch eine Vielfalt
von Vorschlägen eingebracht.
Generell meinte Wrabetz, die Diskussion über den ORF sei gut und richtig. Man müsse die UnterzeichnerInnen
des Volksbegehrens ernst nehmen. Laut Wrabetz geht es aber vorrangig darum, die österreichische Stimme im
TV-Sektor gegenüber US-amerikanischer Konkurrenz zu stärken und im Bereich der Digitalisierung adäquate
Rahmenbedingungen zu schaffen.
SPÖ: Gebührenmodell soll beibehalten werden
Auch SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda (SPÖ) sprach sich klar dafür aus, das derzeitige Gebührenmodell
beizubehalten. Um die Unabhängigkeit des ORF zu erhalten, sei eine unabhängige Finanzierung essenziell,
sagte er. Bei einer Budgetfinanzierung würde die Abhängigkeit gegenüber der Politik steigen. Auch
von einer reinen Content-Finanzierung hält er nichts. Hinterfragt wurde von Drozda allerdings die unterschiedlich
hohe GIS-Gebühr in den einzelnen Bundesländern.
Generell sieht Drozda die Notwendigkeit, über den Mediensektor insgesamt und die Auswirkungen der Digitalisierung
auf diesen Sektor zu reden. Am Ende gehe es darum, heimischen Content und österreichische Information zu sichern,
sei es in den Bereichen Politik, Kultur oder Sport. Der ORF leiste für die heimische Kreativwirtschaft nicht
nur durch die Filmförderung sehr viel, es gebe auch keinen anderen Sender, der so etwas wie den fünfminütigen
Kulturblock im Ö1-Morgenjournal oder den zweiminütigen Kulturblock in der ZIB habe. Wesentlich ist für
Drozda in diesem Zusammenhang auch eine Digitalisierungsstrategie, schließlich würden jüngere Generationen
Bewegtbild immer häufiger über Streaming-Dienste konsumieren.
Was die ORF-Gremien betrifft, schlägt Drozda vor, den Stiftungsrat nach dem D'Hondtschen-System auf Basis
der Ergebnisse der Nationalratswahl zu besetzen. Das scheine ihm eine vernünftige Lösung zu sein, sagte
er.
JETZT: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist öffentliche Aufgabe
Einer Abschaffung der ORF-Gebühren kann auch JETZT-Abgeordneter Alfred Noll nichts abgewinnen. Die Bereitstellung
von öffentlich-rechtlichem Rundfunk sei eine öffentliche Aufgabe, bekräftigte er. Man komme auch
nicht auf die Idee, das Militär zu privatisieren und nur jene dafür zahlen zu lassen, die einen Außenschutz
wollen. Im Übrigen benötige der ORF nicht weniger, sondern mehr Geld, um seinen Auftrag erfüllen
zu können. Insofern hält Noll das Volksbegehren für "ziemlich unüberlegt und weit neben
den wahren Problemen".
Geteilt wird von Noll die Forderung, den HörerInnen und SeherInnen mehr Mitspracherechte bei der Gestaltung
des ORF einzuräumen. Der ORF gehöre in vielfältiger Weise reformiert, vor allem sei es wichtig,
seine Unabhängigkeit und Objektivität zu schützen und zu fördern.
NEOS halten alternatives Finanzierungsmodell für geboten
Für ein alternatives Finanzierungsmodell plädierte hingegen NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon. Das Gebührenmodell
komme aus einer vergangenen Zeit, man müsse über alternative Modelle nachdenken, sagte sie und forderte
den ORF explizit auf, Vorschläge zu machen. An die Regierungsparteien richtete Gamon den Vorwurf, dass seit
der im vergangenen Frühjahr abgehaltenen Medienenquete nicht viel passiert sei, außer dass der Wunsch
nach mehr Fußball im Free-TV geäußert wurde. Was das Programm betrifft, geht es Gamon weniger
um heimische Inhalte, sondern um gute journalistische Qualität.
ÖVP: Österreichischen Content sicherstellen
ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl griff Gehrings Aussage auf, dass es den InitiatorInnen des Volksbegehrens
vor allem darum gehe, eine Diskussion über den ORF in Gang zu setzen. Die Regierung habe sich dieses Themas
unabhängig vom Volksbegehren bereits angenommen, betonte er. Herausforderung sei es, auch in Zukunft eine
österreichische Medienlandschaft und österreichischen Content in Medien sicherzustellen. Dafür brauche
es entsprechende Mittel, egal für welches Finanzierungsmodell sich die Politik entscheide.
FPÖ: So wie jetzt kann es nicht weiter gehen
Reformbedarf beim ORF ortet die FPÖ. Keiner wolle den ORF abschaffen, hielt deren Mediensprecher Hans-Jörg
Jenewein fest. Wenn es so weiter laufe, wie derzeit, werde der ORF aber automatisch zum Auslaufmodell, da lineares
Fernsehen immer mehr ins Hintertreffen gerate. Jenewein hofft in diesem Sinn, dass die angekündigte Digitalisierungsstrategie
gut auf den Weg gebracht wird. Seiner Meinung nach kann man eine Diskussion über den ORF überdies nicht
von einer Diskussion über Privatfernsehen trennen, das duale System müsse beibehalten werden.
Was die Finanzierungsform anlangt, machte Jenewein geltend, dass sich bereits einige Länder vom Gebührenmodell
verabschiedet haben und mehrere skandinavische Länder folgen wollen. Auch Österreich sollte seiner Meinung
nach Alternativen zum jetzigen System in Betracht ziehen. Das sei aber eher ein "Randproblem", meinte
Jenewein.
So wie jetzt könne es nicht weitergehen, hält auch Jeneweins Fraktionskollege Markus Tschank den ORF
für reformbedürftig. Er sieht eine massive Diskrepanz zwischen der stetigen Zunahme der Zahl GIS-ZahlerInnen
und dem stark fallenden Marktanteil. Tschank äußerte auch Zweifel an den von Wrabetz genannten Zahlen,
andere Umfragen würden ein weniger rosiges Bild von der Einschätzung der Unabhängigkeit des ORF
durch das Publikum zeichnen.
ORF-Generaldirektor Wrabetz hielt gegenüber Tschank fest, dass zwar die Zahl der GebührenzahlerInnen
gestiegen sei, der ORF im gleichen Zeitraum aber die Hälfte der Werbeeinnahmen verloren habe, weil er wegen
der privaten Konkurrenz die Preise senken musste.
An der Sitzung nahm auch der stellvertretende Bevollmächtigte des Volksbegehrens Emanuel Dragomir teil.
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