Puzzlestein in der Evolution der Tintenfische entschlüsselt
Wien (universität) - Kopffüßer wie Tintenfisch, Oktopus oder Nautilus sind nicht nur bekannt
für ihre einzigartigen Fähigkeiten zur Tarnung und Lösung komplexer Aufgaben, sie besitzen auch
die größten Gehirne unter den wirbellosen Tieren. Ein Team um den Evolutionsbiologen Oleg Simakov von
der Universität Wien hat nun das erste Tintenfischgenom analysiert und mittels Vergleich mit dem zuvor veröffentlichten
Oktopusgenom eine bemerkenswerte Umstrukturierung der Kopffüßergenome offenbart. Die Ergebnisse der
Studie erscheinen aktuell in der Fachzeitschrift PNAS.
Im Laufe der Jahrhunderte haben Kopffüßer sowohl BiologInnen als auch die breite Öffentlichkeit
fasziniert. Während sie von vielen alten Völkern als mystische Feinde gefürchtet wurden, erlangten
sie erst kürzlich Aufsehen aufgrund ihrer einzigartigen Fähigkeiten sich schnell in ihrer äußeren
Umgebung zu tarnen und, dank des großen Gehirns, komplexe Aufgaben zu lösen. Dennoch stellte sich stets
die Frage, wie die Tiere diese einzigartige Komplexität erreichen konnten. Das Verständnis der zugrunde
liegenden molekularen Mechanismen wurde bislang durch das Fehlen genomischer Daten erschwert.
Ein internationales Forschungsteam um Oleg Simakov vom Department für Molekulare Evolution und Entwicklung
der Universität Wien, Jamie Foster von der Universität von Florida und Spencer Nyholm von der Universität
von Connecticut hat nun den entscheidenden Schritt getan, um diese wichtige Lücke zu schließen. Dazu
sequenzierten und anaylsierten die WissenschafterInnen das Genom des hawaiianischen Bobtail-Tintenfisches (Euprymna
scolopes). Zusammen mit dem bereits vorhandenen Genom des Oktopusses zeigt dieses, dass der letzte gemeinsame Kopffüßervorfahre
eine umfassende Reorganisation des Genoms durchgemacht hat.
"Wir haben herausgefunden, dass dieses 'Upgrade' einige Schlüsselgene hervorgebracht hat, die möglicherweise
zur Entwicklung des komplexen Gehirns beigetragen haben. Gleichzeitig war diese Reorganisation offenbar mit der
Ausdehnung der Genomgröße verbunden, die zusätzlich bei den Tintenfischen und Oktopussen unabhängig
stattfand", erklärt Simakov. Im Rahmen der? Studie zeigen die WissenschafterInnen insbesondere die genomischen
Signaturen der Evolution eines einzigartigen Organs, dem Leuchtorgan, auf. Dieses bildet eine Symbiose mit einem
bestimmten Bakterienstamm, Vibrio fischerii, der Licht emittiert, und kommt nur bei sehr wenigen Tintenfischarten
vor. Euprymna kontrolliert damit die Lichtemission und setzen es sowohl zum Jagen, als auch zum Täuschen seiner
Raubtiere ein.
"Mit unserer Analyse zeigen wir, dass das Leuchtorgan dem Auge nicht nur genetisch ähnlich ist, sondern
viele der augenspezifischen Gene teilt und dupliziert", erklärt Hannah Schmidbaur, Co-Autorin und PhD-Studentin
in der Gruppe von Simakov. Diese Art der Evolution scheint für das Leuchtorgan einzigartig zu sein, und liefert
somit Erkenntnis über die Entstehung dieser komplexen Symbiose. Mit den Ergebnissen der Studie konnten die
WissenschafterInnen eine Grundlage für das Verständnis der Entstehung der Komplexität bei den Kopffüßern
schaffen und legen damit den Grundstein zur weiteren Erforschung dieser vielfältigen, jedoch noch wenig untersuchten
Tiergruppe.
Publication in "PNAS"
"Symbiotic Organs Shaped by Distinct Modes of Genome Evolution in
Cephalopods": Belcaid et al, Proceedings of the Academy of Sciences (PNAS).
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