Van der Bellen in Israel – Staatsbesuch im Zeichen der Verbundenheit
Jerusalem/Wien Auf dem Programm stehen Treffen mit Israels Staatspräsident Rivlin, Premierminister
Netanyahu und Palästinenser-Präsident Abbas. Themen der Visite sind Österreichs Mitverantwortung
an der Shoah, Israels Sicherheit, der Friedensprozess im Nahen Osten und Wirtschaftsfragen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen möchte mit der Reise die besondere Verbundenheit Österreichs
mit Israel betonen. Für Sonntagnachmittag steht zunächst eine Besichtigung der Altstadt von Jerusalem
auf dem Programm: Grabeskirche, Erlöserkirche, Klagemauer, Via Dolorosa und ein Empfang im österreichischen
Hospiz.
Am Montag startet dann der offizielle Teil der Visite: Am Vormittag wird Van der Bellen von Staatspräsident
Rivlin mit militärischen Ehren empfangen. Nach Pressestatements und einem Vier-Augen-Gespräch der beiden
Staatsoberhäupter geht es weiter zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, wo Van der Bellen und Rivlin
an einer Gedenkzeremonie teilnehmen, die Ewige Flamme entzünden und einen Kranz niederlegen. Am Nachmittag
trifft Van der Bellen Premierminister Netanyahu zu einem Arbeitsgespräch.
Am Dienstag besucht Van der Bellen die orthodoxe Gemeinde Kyriat Mattersdorf in Jerusalem, die nach der ehemaligen
jüdischen Gemeinde Mattersdorf – heute Mattersburg – benannt ist. Danach trifft das Staatsoberhaupt in Ramallah
Palästinenser-Präsident Abbas. Van der Bellen will sich von beiden Seiten ein Bild machen und sich über
den Stand des Friedensprozesses informieren. Auf dem weiteren Programm der bis Donnerstag dauernden Visite stehen
die Teilnahme am österreichisch-israelischen Wirtschaftsforum, Start-Up-Besuche und Gespräche mit Schülern,
österreichischen Auswanderern und Holocaust-Überlebenden.
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Pressestatement von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gemeinsam mit dem Staatspräsidenten
von Israel, Reuven Rivlin
Sehr geehrter Herr Präsident Rivlin,
Frau Rivlin,
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist für mich und meine Frau – und für die gesamte österreichische Delegation – eine Ehre und
Freude heute bei Ihnen in Israel zu Besuch sein zu dürfen.
Geschichte - Herzl
Unsere beiden Länder, Österreich und Israel, verbindet eine besondere Geschichte. In der Unabhängigkeitserklärung
des Staates Israel wird mit Theodor Herzl ein großer Österreicher erwähnt.
Er ist Zitat der "chosé hamediná ha jehudít" – der "spirituelle Vater des jüdischen
Staates" Zitat Ende.
Geschichte – Shoah
Uns verbindet aber auch eine grausame Geschichte: Die Shoah - der Versuch der vollständigen Auslöschung
des Europäischen Judentums. Dessen möchte ich heute in Yad Vashem gedenken.
Zehntausende jüdische Österreicherinnen und Österreicher wurden vom Naziregime ermordet - und noch
viel mehr wurden vertrieben.[1]
Viele Vertriebene fanden hier in Israel eine neue Heimat. Sie bauten das Land auf und verteidigten es in mehreren
Kriegen.
Lassen Sie mich unmissverständlich sagen und wiederholen:
Österreich ist mitverantwortlich für die Shoa. Viele Österreichinnen und Österreicher waren
unter den Täterinnen und Tätern.
Auch darum verbeugen wir uns in Demut vor den Opfern. Zu dieser Mitverantwortung hat sich Österreich erst
spät, sehr spät bekannt. Das hat unser Verhältnis lange Zeit schwierig gemacht.
Zwei Demokratien
Ich möchte noch hinzufügen: Israel ist eine Festung von Demokratie und Freiheit hier im Nahen Osten.
Österreich ist von Freunden umgeben. Mich beeindruckt, dass Sie Ihre Demokratie in einer sehr schwierigen
Umgebung errichtet und erhalten haben. Eine vielfältige, starke und lebendige Demokratie. Auch das verbindet
uns.
Österreichs Verantwortung – Gegen Antisemitismus
Sehr geehrter Herr Präsident,
bei unserer Begegnung im Oktober letzten Jahres am Wiener Flughafen haben wir auch über Antisemitismus gesprochen.
Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus ist mir persönlich immer ein starkes Anliegen. Wir, als Österreicherinnen
und Österreicher, wissen: Der Antisemitismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen. Er war
schon zuvor in der österreichischen Gesellschaft sehr stark präsent. Die Shoah war der grausame Höhepunkt.
Es darf daher keine Toleranz gegenüber Antisemitismus eben.
Jüdisches Leben muss sicher und unbehelligt möglich sein
Meine Damen und Herren,
unser Ziel ist es, dass jüdisches Leben überall, ob in Israel, ob in Europa oder sonstwo, sicher
und unbehelligt möglich ist. Unser Ziel ist es, dass Jüdinnen und Juden, wo immer sie leben, sicher und
in Frieden leben können.
Das ist unser Wunsch. Das ist unsere Verantwortung. Das sind wir Österreicherinnen und Österreicher den
Opfern der Shoah schuldig. Israel muss in Frieden leben können. Das ist, glaube ich sagen zu dürfen,
in Österreich nationales Anliegen und Konsens.
Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Präsident Rivlin,
dass Österreich und Israel heute in so vielen Bereichen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, ist für
mich eine große Freude:
38 Direktflüge verbinden Woche für Woche unsere beiden Länder - mehr als je zuvor.
Der Trend unserer bilateralen Wirtschaftsdaten kennt nur eine Richtung: jene nach oben.
Gleiches gilt für den Tourismus: Von Jahr zu Jahr sehen wir neue Rekordwerte. In beiden Richtungen: Von Österreich
nach Israel und umgekehrt.
Und Gleiches gilt für den wissenschaftlichen Austausch, den kulturellen Austausch den Jugendaustausch, und,
und, und. Aus einem 'sich aus gesicherten Distanz betrachten' ist zwischen Israel und Österreich in den vergangenen
Jahren ein 'Miteinander' geworden. Österreicherinnen und Österreicher sind mehr denn je neugierig auf
Israel.
Junge Israelis wiederum entdecken Österreich und die Schönheit unserer Heimat. Und sie erfahren, dass
man auch außerhalb von Israel ein gutes Schnitzel essen kann.[2]
In dem Maße, in dem wir uns gegenseitig verstehen, in dem wir aufeinander zugehen werden wir auch neue Chancen
der Zusammenarbeit entdecken.
Dazu gehört auch, dass wir nicht immer in allen Punkten einer Meinung sein müssen, um uns zu schätzen
und zu respektieren.
Aber ich bin überzeugt: Österreich und Israel, das sind zwei Staaten, die noch viel miteinander vorhaben,
sehr viel.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
[1] Ca 65.000 ermordet, ca 120.000 vertrieben und geflüchtet
[2] Das Schnitzel ist eine der Nationalspeisen Israels – freilich eher das Hühner-, nicht so sehr das Schweinsschnitzel.
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