Ausstellung von 1. Februar bis 18. August 2019
Wien (belvedere) - Das Belvedere 21 widmet Christian Ludwig Attersee eine große Einzelausstellung,
die sein Frühwerk in den Fokus rückt. Mit bisher wenig bekannten Arbeiten macht die Schau sichtbar, wie
Attersee den Umbruch in der künstlerischen Produktion ab den 1960er-Jahren aktiv gestaltet und begleitet hat.
"Die Ausstellung ""Attersee. Feuerstelle"" ist eine Rückkehr zu den Wurzeln des Künstlers
und zugleich eine Zeitreise in die Gegenwart. Sie erinnert an die Sprengkraft des radikalen Frühwerks und
zeigt Attersee als singulären Wegbereiter des souveränen Cross-over zwischen Kunst und Lebensgestaltung
in allen Facetten," so Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere.
In seiner fast sechzigjährigen Künstlerkarriere hat Christian Ludwig Attersee erfolgreich alle Kategorisierungen
der Kunstgeschichte unterlaufen. Sukzessive ebnet er ästhetische Grenzen zwischen High und Low, zwischen Pop
und Moderne, zwischen freier und angewandter Kunst. Der 1940 in Bratislava als Christian Ludwig geborene Künstler
wählt 1966 den Beinamen Attersee nach dem gleichnamigen See im Salzkammergut, an dem er aufgewachsen ist und
zum Meistersegler wurde. Attersee wird zu seiner allumfassenden Identität, die den Werken von nun an als Markenzeichen
eingeschrieben ist.
Ab den 1960er-Jahren entwickelt Attersee eine ganz eigene Bildsprache. Als Gegenpol zum Wiener Aktionismus geht
es ihm um die Erfindung erweiterter Welten und um die schöpferische Kraft der Kunst. Attersees Objekterfindungen,
die er später auf Leinwand und Papier überträgt, schlagen eine Brücke zum alltäglichen
Gebrauchsgegenstand – so etwa die Speisekugeln oder das Attersteck. Der Künstler führt die „Atterseesprache“
ein, dreht einen etwas anderen Heimatfilm und reist nebenbei als Profisegler um die Welt. Er beschäftigt sich
mit Bühnenausstattungen, tritt als Musiker auf (u. a. im heutigen Belvedere 21), kreiert Wandteppiche und
Mosaike, verhüllt den Wiener Ringturm und schafft Produkte wie den Kräuterwermut namens Atterbitter und
die Attersee-Wurst. Während frühe Werkphasen mit grellen Farben und Bildmotiven an die Pop-Art erinnern,
eignet sich der Künstler ab Mitte der 1970er-Jahre einen gestisch-expressiveren Zeichenstil an, der später
ins Malerische geht.
Attersees Werk schöpft aus dessen Biografie und Alltag genauso wie aus der Kunst und ihrer Geschichte. Vögel,
Fische, Blumen, Speisen, Früchte, Frauen, Horizont, Segelsport und Wetter gehören seit den Anfängen
zu Attersees Ikonografie und bilden ein allumfassendes Narrativ, dessen zahllose Geschichten erst bei näherer
Betrachtung lesbar werden. Attersee, der Künstler der Erotik und der Schönheit, feiert mit seiner Motivwelt
eine allumfassende Lebensform, in der alles doppelbödig auftreten kann. Er kokettiert mit dem Kitsch und versucht,
die visuelle Präsenz seiner Arbeiten zu verstärken. Dabei ist seine Haltung ironisch-subversiv und selbstvermarktend
zugleich.
Aktuell sind die Themen in Attersees Schaffen bis heute: beginnend beim Genderdiskurs, der sich bei Attersee bereits
in Fotoserien der 1960er-Jahre zeigt, in denen er sich selbst androgyn präsentiert, über seine politische
Haltung gegen den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft durch die Mahnplakat-Serie in den 1980er-Jahren bis hin
zum Umweltschutz, den er in seinen jüngsten Arbeiten thematisiert. Auch eine ironisch-skeptische Auseinandersetzung
mit dem Heimatbegriff zieht sich durch sein Werk.
"Die Reflexionen, die am Anfang seiner Kunst stehen, sind nicht nur in die Welt der Populärkultur eingegangen,
sie sind heute ‚Mainstream‘ und in unser Leben unumkehrbar eingesickert. Für nachfolgende Künstlergenerationen
ist Attersee Vorreiter bzw. eine der Gründerfiguren, und in Österreich ist er weitgehend ein Einzelgänger",
so Britta Schmitz, Kuratorin der Ausstellung.
Die Ausstellung im Obergeschoss des Belvedere 21 wirft mit über 250 Werken erstmals einen ausgedehnten Blick
auf die Anfänge des Wiener Künstlers. Die Schau will den frühen Attersee-Kosmos exemplarisch abbilden,
für Rekontextualisierung und Aktualisierung sorgen und die zentrale künstlerische Entwicklung in Attersees
ausschweifendem Œuvre nachzeichnen. Collagen, Grafiken, Fotografien, Filme, Musik und Gemälde stehen gleichberechtigt
neben Erfindungen, Kunsthandwerk und Produktdesign. In ausgewählten Beispielen werden aktuelle Arbeiten in
die Ausstellung integriert, um die Stringenz in Attersees Œuvre nachvollziehbar zu machen.
Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog (deutsch und englisch in einem Band) mit Beiträgen von Jürgen
Dollase, Walter Gröbchen, Michaela Pappernigg, Ana Petrovic, Stella Rollig, Britta Schmitz und Annette Tietenberg
im Prestel Verlag, München – London – New York.
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