Industrie: Geopolitische Unsicherheit
 bremst Konjunkturdynamik

 

erstellt am
30. 01. 19
13:00 MEZ

IV-GS Neumayer: Konjunkturelle Ernüchterung, aber keine Rezession absehbar – Rasche Entlastung notwendig, um Abschwung abzufedern – IV-Helmenstein: Rückkehr zum Potenzialwachstum
Wien (pdi) - „Der Jahresauftakt 2019 unterscheidet sich in ökonomischer Hinsicht fundamental von jenem des Jahres 2018. Während die Ausgangslage vor Jahresfrist wirtschaftlich gesehen kaum besser sein konnte, prägt konjunkturelle Ernüchterung die ersten Wochen des heurigen Jahres“, erklärte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, am 30. Jänner in einem gemeinsamen Pressegespräch mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der Vorstellung der Resultate des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 4. Quartal 2018. „Wir erleben eine spürbare Dämpfung der Konjunktur, jedoch nicht den Weg in die nächste Rezession. Sofern nicht das Szenario einer kumulativen Verschärfung der zahlreichen geopolitischen Einzelrisiken eintritt, erwarten wir einen Rückgang auf den Potenzialwachstumspfad. Dass dieser Pfad nur ein unerfreulich niedriges Wachstum in der Größenordnung von 1¾ Prozent für Österreich im Jahr 2019 vorsieht, ist nicht etwa der konjunkturellen Dynamik zuzuschreiben, sondern Ausdruck einer strukturellen Handlungsaufforderung an die Bundes- und Landesregierungen“, so Neumayer.

Die Ergebnisse im Detail
Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, verzeichnet eine Stabilisierung auf dem reduzierten Niveau des Vortermins von 29,7 Punkten. Dabei bildet sich der Indikator für die aktuelle Geschäftslage von +61 Punkten geringfügig auf +60 Punkte zurück. Dieser gegenüber der Hochkonjunkturphase zwar deutlich verringerte, aber doch noch überdurchschnittliche Wert reflektiert die umfangreichen Auftragsbestände bei einer nach wie vor recht hohen Kapazitätsauslastung zum Erhebungszeitpunkt. Auch die Einschätzung der Geschäftserwartungen der Unternehmen (-1 Punkt nach -2 Punkten) bringt keine wesentliche Änderung des absehbaren Geschäftsverlaufes zum Ausdruck.

Konjunkturelle Dynamik kommt im 2. Quartal vorübergehend zum Erliegen
„Einerseits zeichnet sich damit kein Abgleiten in die Rezession ab, andererseits findet unsere Einschätzung Bestätigung, dass die konjunkturelle Dynamik in der österreichischen Industrie im zweiten Quartal zum (bis dato nach wie vor indikativen) Zeitpunkt des Brexit-Ereignisses gegenüber dem Vorquartal vorübergehend weitgehend zum Erliegen kommen wird“, führte Helmenstein aus. „Wir verzeichnen schon seit geraumer Zeit eine enorme Diskrepanz zwischen dem Indikator der aktuellen Geschäftslage und jenem der Geschäftserwartungen von derzeit 61 Punkten. Würden also die aktuellen geopolitischen Risiken eine positive Wendung erfahren – etwa durch den Abschluss von Freihandelsabkommen zwischen den USA einerseits und China sowie der Europäischen Union andererseits oder auch einen Exit vom Brexit, würde sich die Erwartungskomponente des IV-Konjunkturbarometers der Lagekomponente von ihrem niedrigen Niveau ausgehend wieder annähern.“

Am stärksten spiegelt der Rückgang der Gesamtauftragsbestände, die von +65 Punkten auf +58 Punkte sinken, die Abschwächung der konjunkturellen Dynamik wider. Während die inländischen Aufträge unterstützend wirken, entwickeln sich die Auslandsaufträge mit einem Rückgang von 11 Punkten auf nunmehr +53 Punkte schwach, obwohl sich die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar im Jahresvergleich nicht nur nicht mehr fortgesetzt hat, sondern inzwischen sogar einer Abwertung in Höhe von rund 7,5 Prozent gegenüber demselben Zeitpunkt des Vorjahres gewichen ist. Zudem profitiert die österreichische Wirtschaft aufgrund ihrer starken Verankerung in Zentral- und Osteuropa von der anhaltenden Einkommenskonvergenz gegenüber Westeuropa, sodass der verhaltene Verlauf der Auftragseingänge aus dem Ausland vor allem den unsicherheitsbedingten globalen Nachfrageattentismus unterstreicht.

Dementsprechend fahren die Unternehmen die geplante Ausweitung ihrer Produktionstätigkeit bei einem saisonbereinigten Wert von +16 Punkten nach zuvor +22 Punkten zurück. Angesichts der zurückhaltenden Erwartungen auf Sicht von sechs Monaten und vor dem Erfahrungshintergrund des Jahres 2008, als sich die seinerzeit ebenfalls überdurchschnittlichen Auftragsbestände nur teilweise in entsprechenden Ausbringungsmengen materialisierten, sind die Unternehmen bestrebt, ihre Aufträge zügig erlösgenerierend abzuarbeiten. Dies impliziert eine weiterhin abnehmende Auftragsreichweite, sodass die Abschwächung der Produktionsdynamik ab dem zweiten Quartal durchaus markant ausfallen kann.

Im Einklang mit dem sich verlangsamenden Industriewachstum bildet sich auch der Indikator zur Entwicklung des Beschäftigtenstandes zurück. Er fällt zu diesem Termin weiter von +9 Punkten auf +7 Punkte. Immerhin ist dieser neuerliche Rückgang anders als zum Vortermin ausschließlich das Ergebnis einer verringerten Einstellungsneigung, jedoch nicht mehr auf einen zunehmenden Anteil von Respondenten mit der Notwendigkeit eines Beschäftigungsabbaus zurückzuführen. Während aktuell gut jedes sechste Unternehmen einen Beschäftigungsaufbau erwartet, plant weiterhin jedes neunte Unternehmen einen Beschäftigungsabbau.

Bei der Entwicklung der Verkaufspreise erzwingen einerseits hohe Kostenbelastungen eine Kostenüberwälzung, andererseits schlägt sich die Abschwächung des Welthandels nieder und begrenzt die Preiserhöhungsspielräume. Im Ergebnis halten beide Einflussgrößen einander die Waage, sodass sich ein Saldo von 0 Punkten nach +5 Punkten im Vorquartal ergibt.

Angesichts der noch günstigen Mengenkonjunktur verharrt der Saldo der Ertragslage unverändert bei +34 Punkten. Hingegen geben die zuvor schon abwärtsgerichteten Ertragserwartungen zum vierten Mal in Folge von zuvor +4 Punkten auf nunmehr 0 Punkte weiter nach.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 400 Unternehmen mit rund 261.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

 

 

 

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