Gegenseitige Schuldzuweisungen – Dringlicher SPÖ-Antrag abgelehnt, Koalition beantragt
Rechnungshof-Überprüfung ehemaliger SPÖ-GesundheitsministerInnen
Wien (pk) - Auf Initiative der SPÖ wurde in der Sondersitzung des Nationalrats am 29. Jänner
über überfüllte Arztpraxen, lange Wartezeiten bei Arztterminen sowie über das Fehlen von HausärztInnen
in einigen österreichischen Gemeinden debattiert. Die größte Oppositionspartei forderte Gesundheitsministerin
Beate Hartinger-Klein auf, Maßnahmen in Hinblick auf die bevorstehende Pensionierungswelle bei AllgemeinmedizinerInnen
zu ergreifen. Der Dringliche Antrag der SPÖ zum drohenden Ärztemangel fand jedoch keine Unterstützung.
NEOS und JETZT teilen zwar das Problembewusstsein im Bereich der Gesundheitsversorgung, sie zeigten aber kein Verständnis
für den Antrag der SPÖ.
ÖVP und FPÖ spielten den Ball zurück, sie orten die Verantwortung für den Mangel an MedizinerInnen
in Österreich bei den SPÖ-GesundheitsministerInnen der Vorgängerregierungen der letzten zehn Jahre,
konkret bei der derzeitigen SPÖ-Fraktionsvorsitzenden und Antragstellerin, Pamela Rendi-Wagner sowie beim
nunmehrigen SPÖ-Nationalratsabgeordneten Alois Stöger. Daher brachten die Regierungsparteien einen Antrag
auf Durchführung einer Gebarungsüberprüfung ein. Demgemäß soll der Rechnungshof die Ressortführung
des Gesundheitsministeriums in den Jahren 2009 bis 2017 überprüfen.
Angenommen wurde ein ÖVP-FPÖ-Entschließungsantrag betreffend Stärkung der niedergelassenen
Versorgung im Sinne der Patienten. Nicht erfolgreich waren die NEOS mit ihren drei Initiativen. Sie forderten Maßnahmen
gegen die restriktive Stellenplanungspolitik der Kassen und Ärztekammern, die Förderung von Primärversorgungsnetzwerken
und die Förderung der Digitalisierung im niedergelassenen Bereich.
Vogl (SPÖ) wirft Koalition Tatenlosigkeit vor
Aufgrund des demographischen Wandels bei den ÄrztInnen stehe man vor großen Herausforderungen, betonte
SPÖ-Mandatar Markus Vogl. Um jeder Bürgerin und jedem Bürger die nötige Gesundheitsversorgung
zu garantieren, müsste die Politik jedoch "hinschauen und tatsächlich handeln", um die bestehenden
Probleme zu lösen. Die SPÖ hätte die Problematik längst erkannt und in den Jahren der Regierungsbeteiligung
eine Vielzahl an Maßnahmen und Werkzeugen entwickelt, um sich der Problematik zu widmen. Der derzeitigen
Koalition warf er vor, diese Maßnahmen nun nicht umzusetzen. Anstatt die entwickelten Werkzeuge einzusetzen
würde Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein diese "auf die lange Bank schieben", sagte Vogl.
Er kritisierte, dass in ihrem Aufgabenbereich, im Arbeits- und Sozialbereich oder etwa beim Konsumentenschutz "nicht
passiert" und bezeichnete die Zusammenlegung der Sozialversicherungen als "Sozialversicherungs-Zerstörungs-
und Verteuerungsgesetz."
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Schwarz (ÖVP): "SPÖ hat Ärztemangel geschaffen"
Die Gesundheitssprecherin der ÖVP, Gabriela Schwarz, sieht den bestehenden Kassenärztemangel als von
der SPÖ selbst verursacht. Sie übte harsche Kritik an SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner, die
ihrem Vernehmen nach "Probleme nur geschaffen und nicht gelöst hat". In ihrer vormaligen Funktion
als Gesundheitsministerin habe sie es, wie auch der ehemalige SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger, verabsäumt,
sich den Problemen bei der ärztlichen Versorgung zu widmen. Stattdessen wären die Gesundheitsausgaben
bei der SPÖ explodiert, meinte Schwarz. Dass man in Österreich mehr neue HausärztInnen brauche,
sei eine jahrelang absehbare Entwicklung. Der derzeitigen ÖVP-FPÖ-Koalition seien die niedergelassenen
ÄrztInnen besonders wichtig. Sie wisse auch, wo deren Bedürfnisse liegen, und werde darauf achten, mehr
Lehrpraxen zu schaffen und jungen ÄrztInnen durch faire Bezahlung und gute Rahmenbedingungen eine Perspektive
zu geben, so die ÖVP-Mandatarin. Gerade im ländlichen Raum seien nämlich die niedergelassenen ÄrztInnen
laut Schwarz "die Schaltstelle für Gesundheitsversorgung und Prävention."
Povysil (FPÖ) kündigt Überprüfung ehemaliger SPÖ-GesundheitsministerInnen an
Erzürnt über den Dringlichen Antrag der ehemaligen Gesundheitsministerin Rendi-Wagner zeigte sich FPÖ-Gesundheitssprecherin
Brigitte Povysil. Auch aus ihrer Sicht hat die SPÖ die derzeitige Situation im Gesundheitswesen in erster
Linie selbst zu verantworten. Schließlich stelle die SPÖ auch die Generaldirektoren im Hauptverband
der Sozialversicherungsträger und es gebe ein breites SPÖ-Netzwerk zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
Dadurch, dass die SPÖ von 2009 bis 2017 durchgehend für das Gesundheitsressort zuständig war, habe
sie alle Möglichkeiten gehabt, korrigierend in das Gesundheitssystem einzugreifen, sei aber untätig geblieben,
meinte Povysil. Aus den kostspielige Studien, die er in Auftrag gegeben habe, habe der damalige Gesundheitsminister
Stöger keine Konsequenzen gezogen, kritisierte die FPÖ-Mandatarin.
Povysil kündigte daher eine "ungewöhnliche Maßnahme" seitens der Regierungsparteien an,
nämlich eine Gebarungsprüfung der ressortführenden GesundheitsministerInnen der letzten zehn Jahre.
Die ÖVP-FPÖ-Koalition hat somit den Rechnungshof beauftragt, die Kosten und Wirkungen der beiden vorangehenden
Gesetzgebungsperioden zu überprüfen, als auch daraus Empfehlungen abzuleiten. In den Jahren 2009 bis
2017 seien SPÖ-MinisterInnen für die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Sachen Primärversorgung
im Gesundheitswesen zuständig gewesen. Die ÖVP-FPÖ-Koalition wirft den damals Ressortverantwortlichen
vor, es verabsäumt zu haben, dafür zu sorgen, dass die Krankenversicherungsträger ausreichend an
den gesamtstaatlichen gesundheitspolitischen Zielen mitwirken. Der Antrag soll dem Rechnungshofausschuss zugewiesen
werden.
Loacker (NEOS) fordert Maßnahmen gegen "restriktive Stellenplanungspolitik"
NEOS-Mandatar Gerald Loacker fand es "bemerkenswert", dass die SPÖ selbst eingestehe, dass die Selbstverwaltung
der Kassen gescheitert sei. Er könne nicht nachvollziehen, warum die SPÖ mit dem Dringlichen Antrag ihre
eigenen Fehler breittrete. Die Verantwortung für die Versorgung der ÄrztInnen im niedergelassenen Bereich
liege nicht bei der Gesundheitsministerin, sondern bei den Krankenkassen. In deren Leistungsgremien sitze die SPÖ,
in deren Kontrollgremien die ÖVP, merkte Loacker an. Anhand eines Vergleichs zwischen Österreich und
England zeigte er ein "Versorgungsdefizit" im niedergelassenen Bereich auf. So gebe es in England etwa
bei der Volkskrankheit Diabetes eine strukturierte Versorgung von 95% der PatientInnen, in Österreich hingegen
nur 10%. Daran könne man die allgemeine Situation im Gesundheitswesen gut ablesen, meinte er. Auch fehle in
Österreich eine Hilfeleistung, um PatientInnen durch das komplexe System zu steuern.
Grundsätzlich müsste man laut dem NEOS-Mandatar für eine bessere Versorgung mehr Geld zur Verfügung
stellen. Da die Anzahl der KassenärztInnen seit 2006 um 3% zurückgegangen und die der WahlärztInnen
um 36% gestiegen ist, sieht Loacker eine Notwendigkeit, die Krankenkassen zu motivieren, hier mehr zu tun. Er forderte
die Regierung auf, der "restriktiven Stellenplanungs-Politik" der Kassen und Ärztekammern entgegenzuwirken,
sodass etwa Wahlarztkosten zur Gänze von den Kassen abgerechnet werden können. Ein dementsprechender
Entschließungsantrag der NEOS, den Loacker einbrachte, wurde aber abgelehnt.
Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) kritisiert "beiderseitige Panikmache"
Auch Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) zeigte die Notwendigkeit der Verbesserung der ärztlichen Versorgung
in Österreich auf – insbesondere im ländlichen Bereich – kritisierte aber sowohl SPÖ als auch FPÖ
für fehlende Sachlichkeit in der Debatte. Je nach Situation würden beide Parteien Panikmache betreiben
und sich im Nationalrat verbal die Köpfe einschlagen, "damit ist aber der Bevölkerung, die Hausärzte
braucht, nicht weitergeholfen", sagte die Mandatarin. Sie appellierte an die Fraktionen, sich "anstatt
Panikmache per Excellence" gemeinsame Lösungen zu überlegen. Der ÖVP warf sie vor, dass sie
bestehende Probleme bei der Hausarztversorgung nach wie vor leugne und die Situation verkenne. Im ländlichen
Raum würden nicht nur HausärztInnen, sondern auch KinderärztInnen fehlen, sagte Holzinger-Vogtenhuber.
Außerdem schlug sie einen finanziellen Ausgleich für LandärztInnen vor, da diese, im Vergleich
zu städtischen ÄrztInnen, einen wesentlich höheren Aufwand hätten. In die Bundesländer
sollte man ihrer Ansicht nach weitere Mittel investieren, um etwa Studieren durch Stipendien Berufspraxis am Land
zu ermöglichen.
SPÖ-Abgeordnete kritisieren Maßnahmen der Bundesregierung im Gesundheitsbereich
In Österreich seien derzeit 87 Hausarztstellen nicht besetzt, obwohl es mehr ÄrztInnen denn je gebe,
konstatierte Verena Nussbaum (SPÖ). Der Beruf des Hausarztes habe unter jungen MedizinerInnen an Attraktivität
verloren. Das liege unter anderem daran, dass die Ausbildung heute andere Schwerpunkte setze und MedizinerInnen
unterdessen im Team arbeiten wollen. Die SPÖ habe darauf mit gesetzlichen Maßnahmen reagiert, etwa mit
der Förderung von Gruppen- und Lehrpraxen und von Primärversorgungszentren. Nussbaum sieht darin zukunftsweisende
Modelle, um eine gute Versorgung aller PatientInnen zu gewährleisten. Die Bundesregierung setze jedoch nur
Schritte, die den Verwaltungsapparat aufblähen, sagte Nussbaum. Gesundheitsministerin Hartinger-Klein warf
sie vor, die Privatisierung des Gesundheitssystems voranzutreiben.
SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger würdigte die Leistungen der AllgemeinmedizinerInnen. Sie würden
die grundlegende Gesundheitsarbeit leisten, damit PatientInnen sich im Gesundheitssystem zurechtfinden. Als Gesundheitsminister
habe er sich bemüht, dass alle Gesundheitsberufe mit den ÄrztInnen zusammenarbeiten können, und
sich für mehr Primärversorgungszentren eingesetzt. Das Gesundheitsressort habe er als Ergebnis einer
schwarz-blauen Gesundheitspolitik mit 1,1 Mrd. € an Schulden übernommen. Unter SPÖ-Führung seien
die Kassen dann entschuldet, die Leistungen ausgeweitet und die Selbstbehalte reduziert worden. Stöger sieht
es als Frage politischer Entscheidung, ob Österreich auch weiterhin ein starkes Gesundheitssystem haben werde.
Die Gesundheitsministerin ist aus seiner Sicht hier nicht nur säumig, sie setzt auch grundlegend falsche Schritte.
Die Abgeordneten der Koalition hätten in der Debatte bestätigt, dass die aktuelle Bundesregierung keine
Antworten für das Gesundheitssystem habe, meinte Philip Kucher (SPÖ). Die bisherigen Maßnahmen
der Gesundheitsministerin zeigten das ganz deutlich. Diese reichten von der Aufweichung des Nichtraucherschutzes
über die Kassenreform bis zu Überlegungen für eine Zwei-Klassenmedizin im ambulanten Bereich. Die
Aussagen der Gesundheitsministerin in der heutigen Sondersitzung kämen einer politischen Bankrotterklärung
gleich.
ÖVP: Bundesregierung hat Probleme des Gesundheitssystems erkannt und reagiert darauf
Österreich habe zweifellos ein Verteilungsproblem bei den KassenärztInnen, konstatierte Josef Smolle
(ÖVP). Hier müsse man in verschiedenen Bereichen ansetzen. In der Studienphase gebe es zwar eine hohe
Zahl von Studienplätzen und Abschlüssen, doch müsse man dafür sorgen, dass die Studierenden
sich für Allgemeinmedizin interessieren. Hier sei bereits einiges getan worden, um ihnen diesen Beruf näherzubringen.
Auch bei der Ausbildung im Spital habe man vieles getan, um die Work-Life-Balance der ÄrztInnen zu verbessern.
Nachholbedarf sieht Smolle noch bei den Kassenarztstellen. Diese seien derzeit zu wenig attraktiv, weshalb auch
hier bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten. Smolle ist überzeugt, dass die Bundesregierung
diese mit ihren Maßnahmen erreichen wird.
Die SPÖ habe in den letzten Jahren die Verantwortung im Gesundheitsressort gehabt, sagte Norbert Sieber (ÖVP).
Ihr Dringlicher Antrag sei falsch formuliert, denn es gebe keinen Ärztemangel, sondern einen Mangel an KassenärztInnen,
den die SPÖ-MinisterInnen durch falsche Maßnahmen selbst erzeugt hätten. Die aktuelle Bundesregierung
setze daher korrigierende Maßnahmen. Sieber brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag
der Abgeordneten der Koalition ein, der die Bundesregierung ersucht, die Versorgungsplanung für den Bereich
der niedergelassenen ÄrztInnen weiter zu forcieren. Dieser Antrag wurde mehrheitlich angenommen.
"Politische Amnesie" der SPÖ beim Thema Gesundheitspolitik diagnostizierte ÖVP-Abgeordneter
Karl Nehammer. Die Mängel im Gesundheitssystem seien nämlich unter SPÖ-MinisterInnen entstanden
und nie behoben worden. Wenn die SPÖ einen Beitrag zur Reform des Gesundheitssystems leisten wolle, so solle
sie ihre ParteigenossInnen im Gesundheitssystem anhalten, die Maßnahmen der Bundesregierung nicht weiter
zu blockieren, lautete die Schlussfolgerung des Abgeordneten.
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FPÖ: Mängel des Gesundheitssystems sind Folge der Versäumnisse von SPÖ-MinisterInnen
Besonders im ländlichen Raum fehlten niedergelassene ÄrztInnen, sagte Petra Wagner (FPÖ). Allerdings
seien es die SPÖ-GesundheitsministerInnen gewesen, die keine Weichenstellungen gegen den drohenden Ärztemangel
vorgenommen hätten. Die Kritik der SPÖ an der derzeitigen Lage ist für Wagner daher ein Eingeständnis
der eigenen Versäumnisse. Änderungen setzen für die Abgeordneten eine gesamthafte Betrachtung des
Gesundheitssystems voraus, denn nur so ließen sich die Strukturprobleme erkennen und lösen. Die Gesundheitsministerin
habe die notwendigen Veränderungen bereits eingeleitet, ist die Abgeordnete überzeugt.
Die SPÖ habe keinen Anlass, die Leistungen ihrer GesundheitsministerInnen zu verklären, befand Gerhard
Kaniak (FPÖ). Vielmehr seien sie mit ihren Maßnahmen gescheitert, die sich alle als unwirksam gezeigt
hätten. Ungünstige Rahmenbedingungen für Kassenverträge würden nach wie vor junge ÄrztInnen
abschrecken, in den niedergelassenen Bereich zu gehen. Die Bundesregierung habe die Probleme, auch im Bereich der
Pflege und der Apothekenversorgung, erkannt und gehe sie nun entschlossen an.
David Lasar (FPÖ) wiederholte den Vorwurf an die SPÖ, über viele Jahre im Gesundheitsbereich säumig
gewesen zu sein. Die Stadt Wien, wo die SPÖ allein zuständig sei, biete ein besonders markantes Beispiel
für die verfehlte SPÖ-Gesundheitspolitik. Diese sei durch schwere Mängeln in der Spitalsversorgung
bei gleichzeitiger Geldverschwendung gekennzeichnet, befand der FPÖ-Mandatar.
NEOS fordern Mittel für Primärversorgungszentren und Digitalisierung
Einen Grundkonsens, dass die Politik das bestmögliche Gesundheitssystem anstreben sollte, ortete Irmgard Griss
(NEOS). Wichtige Reformmaßnahmen seien zwar bereits gesetzt worden, doch zeige sich der Erfolg nur langsam.
Die Abgeordnete forderte einen parteiübergreifenden Konsens zur Zusammenarbeit, um raschere Reformen umzusetzen.
Der Schlüssel für eine gute Versorgung sind für sie die Primärversorgungszentren, die verschiedenste
medizinische Angebote effektiv und kostengünstig vernetzen können. HausärztInnen seien dabei die
wichtigste erste Anlaufstelle, um Menschen gut durch das Gesundheitssystem zu leiten. Aus Sicht von Griss gilt
es jedoch, die Finanzierung sicherzustellen. Sie brachte einen Entschließungsantrag ein, in dem die NEOS
budgetäre Vorsorge für den Aufbau von Primärversorgungszentren und –netzwerken fordern. Die Budgetmittel
dafür sollten anfangs zumindest 100 Mio. € betragen, heißt es im Antrag, der bei der Abstimmung jedoch
in der Minderheit blieb.
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) sah in den Debattenbeiträgen zum Zustand des Gesundheitssystems viele
Schuldzuweisungen, vermisste aber Aussagen, wie die Zukunft aussehen solle. Auch die Gesundheitsministerin habe
offenbar keine konkreten Vorstellungen darüber, wie die Digitalisierung im Gesundheitsbereich vorangetrieben
werden sollte. Gerade im hausärztlichen Bereich müsste hier viel geschehen, denn Telemonitoring, Teletherapie
und Telekonferenzen bei Eingriffen würden neue Möglichkeiten eröffnen, stellte er fest. Alle Bundesregierungen
hätten hier bisher zu wenig unternommen. Hoyos-Trauttmansdorff brachte einen Entschließungsantrag seiner
Fraktion ein, in dem 100 Mio. € aus dem Budget für die Förderung der Digitalisierung im niedergelassenen
Bereichs gefordert werden. Auch dieser Antrag wurde nicht ausreichend unterstützt.
Die SPÖ trage leider selbst viel an Verantwortung für eine Reihe der Probleme, für die sie nun die
Regierung kritisiere, bemerkte Josef Schellhorn (NEOS) in Richtung der Einbringerin des Dringlichen Antrags. Das
größte Hindernis für eine effektive Reform des Gesundheitssystems sieht Schellhorn im österreichischen
System der Selbstverwaltung, das weder SPÖ noch ÖVP anrühren wollten. Dieses System trage auch die
Schuld an den Problemen, die bei den Kassenverträgen für niedergelassene ÄrztInnen bestehen.
Liste JETZT kritisiert Mängel der zahnmedizinischen Versorgung
In der Debatte über das Gesundheitssystem zu wenig beachtet werde leider der Bereich der zahnmedizinischen
Versorgung, kritisierte Wolfgang Zinggl (JETZT). Das Angebot der Kassenleistungen habe sich seit sechs Jahrzehnten
faktisch nicht geändert, sodass in Österreich keine ausreichende Zahnbehandlung über Krankenversicherungen
sichergestellt sei. Die PatientInnen müssten daher einen beträchtlichen Teil der zahnärztlichen
Leistungen selbst bezahlen, was Zahnbehandlungen zu einem Luxusgut mache. Die Unterversorgung für den Großteil
der Bevölkerung belaste aber das gesamte Gesundheitssystem, da Zahnprobleme eine große Zahl von Folgeerkrankungen
nach sich ziehen, sagte Zinggl.
Der fraktionslose Abgeordnete Efgani Dönmez bewertete die Struktur der Gesundheitsausgaben als Zeichen einer
falschen Prioritätensetzung. Das Gesundheitssystem sei nämlich darauf ausgelegt, dass Leistungen erst
abgerufen werden können, wenn man bereits krank sei. Stattdessen sollte viel mehr in die Prävention investiert
werden. Das würde vielleicht anfangs etwas kosten, längerfristig aber Kosten senken helfen, meinte er.
Die Arbeitsbelastung von AllgemeinmedizinerInnen seien sehr hoch, er verstehe daher gut, wenn junge MedizinerInnen
lieber ins Ausland gehen, wo sie mehr verdienen können.
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