Brüssel/Wien (rk) - Das Interesse an der von Wien gemeinsam mit der Slowakei koordinierten „EU-Städtepartnerschaft
Wohnen“ ist auch nach ihrem Abschluss weiterhin hoch. Die Wohnungskrise in Europa, und v.a. in den Städten
der EU, ist ein Thema, das viele bewegt. Daher lud das Verbindungsbüro der Stadt Wien zu einem Informationstermin
über die Ergebnisse der dreijährigen Arbeit der Partnerschaft – an der zahlreiche VertreterInnen von
Städten, Regionen, Mitgliedstaaten, EU-Institutionen, Verbänden, Think Tanks und verschiedenen Fachleuten
teilnahmen. Gemeinderat Peter Florianschütz, Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Europäische
und Internationale Angelegenheiten und Vertreter der Stadt Wien im Ausschuss der Regionen, betonte in seinen Begrüßungsworten,
dass „es nicht von ungefähr kommt, dass Wien eine Koordinationsrolle in der EU-Städtepartnerschaft Wohnen
übernimmt – das Wiener Modell des sozialen, kommunalen, gemeinnützigen Wohnbaus ist die USP der Stadt
Wien. 62 Prozent der WienerInnen leben im kommunalen oder geförderten Bereich, das sorgt für Sicherheit
und Lebensqualität.“
Die Wohnungskrise in Europas Städten
Die Wohnungskrise in Europas Städten habe vielfache Ursachen, so die Leiterin des Wien-Hauses, Michaela
Kauer, die auch Koordinatorin der Partnerschaft war. Eine der Haupttreiber für hohe Wohnkosten sei das zu
geringe Angebot bei steigender Nachfrage und stagnierenden Einkommen, v.a. in Städten. „Ein klares Zeichen
für klassisches Marktversagen. Die Investitionen in leistbares Wohnen sind seit Beginn der globalen Finanz-
und Wirtschaftskrise gesunken – seit 10 Jahren fehlen EU-weit jährlich 57 Milliarden Euro. Dieses Geld fehlt
der Wirtschaft und den Menschen, die dringend leistbare Wohnungen brauchen.“ Ein weiterer Grund sei die „Finanzialisierung“
der Wohnungsmärkte, bei der Immobilien nicht mehr der langfristigen Wohnversorgung der Bevölkerung dienen,
sondern als kurzfristiges und hochspekulatives Geschäft globaler Investoren gesehen werden. Die Gewinne werden
nicht vor Ort reinvestiert, sondern den lokalen und nationalen Volkswirtschaften entzogen, oft nicht einmal ordentlich
versteuert. „82 Millionen EuropäerInnen können sich heute das Wohnen nicht mehr leisten, und die Zahl
der Obdachlosen und Zwangsräumungen steigt. Hier kann die EU gegensteuern – im rechtlichen, finanziellen und
im Governance-Bereich,“ betonte Kauer.
Der „Action Plan“ für leistbares Wohnen in Europa
Der Maßnahmenkatalog der Städtepartnerschaft umfasst einige bereits umgesetzte Ergebnisse, wie eine
Datenbank von guten Wohnprojekten, die von der Städtepartnerschaft gesammelt wurden und die von Housing Europe,
dem europäischen Dachverband der gemeinnützigen Wohnbauträger, weitergeführt wird. Ebenso wurde
eine Broschüre, die exemplarisch gute urbane Lösungen zu zentralen wohnungspolitische Herausforderungen
darstellt, von der Städtepartnerschaft erstellt und von Wiener Wohnen herausgegeben. Eine umfassende Analyse
des Beihilfenrechts sowie zwei Studien zur Wohnsituation in den „alten“ und „neuen“ Mitgliedstaaten runden die
detaillierten Befunde ab. Darüber hinaus umfasst der Maßnahmenkatalog klare Empfehlungen an den EU-Gesetzgeber.
„Im Beihilfenrecht muss die enge Definition der Zielgruppe des sozialen Wohnbaus gestrichen werden, sie sorgt nicht
nur für rechtliche Unsicherheit und führt zu Klagen bis hin zum EuGH, sie steht auch im Widerspruch zum
Subsidiaritätsprinzip,“ führte Barbara Steenbergen, Leiterin des Büros der Internationalen Mietervereinigung
in Brüssel, aus. Insgesamt müsse auch der Indikator für die Wohnkostenbelastung von 40 auf 25 Prozent
des Einkommens gesenkt werden, empfiehlt die Städtepartnerschaft.
Gute Wohnungspolitik und Preis für sozial verantwortliche Wohnungswirtschaft
Viele Staaten und Städte sind auf der Suche nach Lösungen für die Wohnversorgung ihrer BürgerInnen.
Diesem Bedarf ist die Städtepartnerschaft mit einer Reihe von Empfehlungen für gute Wohnungspolitik nachgekommen
und listet neben dem Schutz benachteiligter Gruppen, dem Kampf gegen Spekulation, etwa durch touristische Plattformen,
der Vorbeugung von Energiearmut, dem Mieterschutz und der Mietermitbestimmung auch Möglichkeiten im Bereich
der Stadtplanung und Bodenpolitik auf. Gvido Princis, Stadtplaner aus Riga, informierte, dass in Lettland ab den
1990er Jahren keinerlei Planung im Sinne des leistbaren Wohnens mehr möglich war, „uns ist das Wissen abhandengekommen,
und wir sind auf der Suche nach Ideen und Lösungen für unsere Stadt“. Die vielen positiven Lösungen
von Städten und Wohnbauträgern müssen aber auch sichtbar gemacht werden, um voneinander lernen zu
können. Eine Maßnahme dazu ist die Initiative für eine verantwortungsvolle Wohnungswirtschaft,
ERHIN, die heuer wieder einen Preis für gute Wohnprojekte auslobt. Bewerbungen sind noch möglich; die
Verleihung des Preises erfolgt anlässlich des „International Social Housing Festivals“ im Juni in Lyon.
„Gemeindebau kompakt“ – Wiener kommunaler Wohnbau quer durch die Zeiten
Im Rahmen der Veranstaltung fand eine kleine, feine Wanderausstellung unter dem Motto „Gemeindebau to go“ großen
Anklang bei den Gästen. Auf sechs Plakaten wird anschaulich und kompakt die Geschichte des Wiener Gemeindebaus
von seinen Anfängen bis heute, mit einem Blick in die Zukunft gezeigt.
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