Im St. Johanner Regierungsbunker speichert die EU wichtige Sicherheits-Daten
Brüssel/Salzburg (lk) - Wo die gesamte Bundesregierung im Berg verschwindet, wenn es brenzlig wird,
warum man im Pongau einen riesigen geheimen Datenschatz hütet und woran hunderte Menschen tief im Fels arbeiten,
geht dieser aktuelle Salzburger Grenzfall aus der gleichnamigen Serie auf den Grund.
Lange Zeit galt sie als eines der bestgehüteten Geheimnisse der Alpenrepublik: Die ab den späten 1970ern
errichtete „Einsatzzentrale Basisraum“ ist ein „Kind des Kalten Kriegs“. Sie sollte der Bundesregierung im Falle
eines vom Osten befürchteten Angriffs Schutz tief im Pongauer Fels bieten. 300 Meter unter der Erdoberfläche
befindet sich nach wie vor eine kleine Stadt auf fünf Etagen, „Regierungsbunker St. Johann“ genannt, und bietet
bis zu 250 Menschen einen Arbeitsplatz.
50 Millionen mal Verlorenes und Gesuchtes
Die Gefahr aus dem Osten ist dem Zusammenwachsen in ganz Europa gewichen. Doch die Zeiten ohne Grenzkontrollen
erfordern mehr Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Herzstück im dafür entwickelten Schengen-Informationssystem
(SIS) sind Datensätze, Millionen von Datensätzen. Was 1995 mit 2,9 Millionen begann, wuchs inzwischen
auf rund 77 Millionen Einträge zu Personen und Dingen an. Den Löwenanteil machen gestohlene Ausweisdokumente,
Kraftfahrzeuge, Banknoten, Boote, Container oder Schusswaffen aus, etwas mehr als ein Prozent der Einträge
betreffen Personen, die vermisst oder zur Fahndung ausgeschrieben sind.
Auch Fingerabdrücke gespeichert
Vergleichsweise wenig, aber sehr gefragt, lösen sie doch mehr als ein Drittel aller Treffer aus. Zugriff haben
Justizbehörden, das europäische Polizeiamt Europol und institutionelle Sicherheitsdienste über die
nationalen polizeilichen und sicherheitsdienstlichen IT-Systeme, die mit der zentralen Datenbank ständig verbunden
sind. Seit 2018 sind auch Fingerabdrücke gespeichert, was Fahndungsanfragen deutlich erleichtert.
Hochsichere Daten tief unten
Was das alles mit der Pongauer Bezirkshauptstadt zu tun hat? Nun, man hatte seinerzeit sehr großzügig
geplant. Schon 1982 zog das Zentrale Ausweichsystem des Bundes im Bunker im Heukareck ein. An einem nach menschlichem
Ermessen sicheren Ort stehen dort IT-Systeme im Krisenfall bereit. Auch die Landesverwaltungen und Privatnutzer
wie Notare oder die Wiener Wirtschaftsuni lassen die Kopien ihrer heikelsten Daten im Fels verwahren. Platzreserven
und die Lage im Berg waren auch die besten Voraussetzungen, als für die EU-Fahndungsdaten ein sicheres Reservesystem
gesucht wurde.
Bei Ausfall übernimmt der Pongau
Ab 2008 wurde der „Regierungsbunker“ schrittweise zu Europas Datenrückhalt zusätzlich zum Hauptspeicher
im französischen Straßburg. Nicht nur als Backup für SIS der zweiten Generation, sondern ab 2011
auch für das Visa-Informationssystem. Die Feuertaufe wurde bereits gemeistert: „Als 2018 technische Probleme
und Wartungsarbeiten das Rechenzentrum in Straßburg lahmgelegt haben, lief der Datenverkehr vier Monate lang
über den Pongauer Server. Wir sind also gerüstet, den Betrieb der Polizei-Systeme für ganz Europa
zu übernehmen“, schildert Florian Bilek vom Bundeskanzleramt, Herr über die IT-Systeme im Berg.
Kurioses über Grenzen hinweg
Die Salzburger Grenzfälle
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Landeskunde und Politik des Landes. Autor Stefan Mayer beschäftigt sich seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten
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