London/Brüssel/Wien (pk) - Österreich will Vorkehrungen treffen, sollte Großbritannien am 29.
März 2019 tatsächlich ohne Austrittsabkommen aus der EU ausscheiden. Unter dem Titel "Brexit-Begleitgesetz"
hat die Regierung dem Nationalrat eine entsprechende Gesetzesnovelle vorgelegt ( 491 d.B. ). Insbesondere geht
es um den Aufenthaltsstatus von in Österreich beschäftigten britischen StaatsbürgerInnen, Bestimmungen
für Studierende sowie Übergangsregelungen für britische Gesellschaften, die im Vereinigten Königreich
registriert sind und einen Verwaltungssitz in Österreich haben. Auch für heimische Vorsorgekassen, die
in britische Kapitalanlagefonds investiert haben, sind Übergangsfristen vorgesehen. Wirksam werden sollen
die einzelnen Bestimmungen nur dann, wenn kein Vertrag zwischen der EU und Großbritannien über den Brexit
zustande kommt.
Die Regierung geht davon aus, dass vom Brexit rund 11.000 in Österreich gemeldete britische StaatsbürgerInnen
und ihre drittstaatsangehörigen Familienangehörigen betroffen sind. Ihnen soll die vereinfachte Erlangung
eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz mit freiem Arbeitsmarktzugang ermöglicht
werden. Wer sich Ende März 2019 schon mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Österreich aufgehalten
hat, soll demnach auf einen unbefristeten Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" umsteigen können.
Den anderen steht ein erleichterter Zugang zur "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" offen. Laut Erläuterungen
wird in den meisten Fällen nur zu prüfen sein, ob die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche
Ordnung und Sicherheit darstellt.
Beantragt werden muss der neue Aufenthaltstitel innerhalb von sechs Monaten nach dem Brexit. Bis zur Entscheidung
der Behörden soll weiterhin ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang gelten. Was den Nachweis von Deutsch-
und Wertekenntnissen aus der Integrationsvereinbarung betrifft, soll Außen- und Integrationsministerin Karin
Kneissl künftig per Verordnungsermächtigung Ausnahmebestimmungen für StaatsbürgerInnen ehemaliger
EU-Staaten und ihre Angehörigen festlegen können.
Zusätzliche Regelungen braucht es für im Öffentlichen Dienst beschäftigte BritInnen und für
britische RechtsanwältInnen. Ohne die vorgesehenen Sonderbestimmungen müsste etwa der Arbeitsvertrag
von rund 260 Bundesbediensteten bzw. LandeslehrerInnen umgehend gelöst werden, wobei es sich dabei insbesondere
um als "Native Speaker" eingesetztes Lehrpersonal handelt. Für neue Beschäftigungsverhältnisse
soll es allerdings keine Privilegien für BritInnen gegenüber anderen Drittstaatsangehörigen geben.
Britische StaatsbürgerInnen, die schon vor dem März in der Liste der RechtsanwältInnen bzw. RechtsanwaltsanwärterInnen
eingetragen waren, bleiben weiter zur Berufsausübung in Österreich berechtigt. Für britische Rechtsanwalts-Gesellschaften
schlägt die Regierung eine einjährige Übergangsfrist vor.
Auch Gesellschaften, die im Vereinten Königreich registriert sind, aber ihren Verwaltungssitz in Österreich
haben, sollen laut Regierungsentwurf ausreichend Zeit zur Anpassung an die geänderten Umstände erhalten.
Sie werden bis Ende 2020 kollisionsrechtlich so behandelt als wäre Großbritannien noch ein EU-Mitgliedstaat.
Dadurch bleibt auch die EuGH-Judikatur zur Niederlassungsfreiheit vorläufig anwendbar, wie es dazu in den
Erläuterungen heißt. Um etwaige Probleme für Betriebliche Vorsorgekassen, die ihre Gelder in britischen
Kapitalanlagefonds veranlagt haben, durch den Brexit zu vermeiden, erhalten sie die Möglichkeit, diese Veranlagungen
ohne Pönalzinsen bzw. Verwaltungsstrafen über einen Übergangszeitraum vermögenswahrend "abzuschichten",
bis sie die gesetzlichen Veranlagungsvorschriften erfüllen.
Im Bildungsbereich wird mit dem Gesetzentwurf sichergestellt, dass in Großbritannien studierende ÖsterreicherInnen
weiterhin Zugang zum Mobilitätsstipendium haben und jene 14 britische Studierenden, die Studienbeihilfe in
Österreich bekommen, diese weiterbeziehen können. Schließlich wird auch Vorsorge für den Fall
getroffen, dass es durch den Brexit zu Problemen im Bereich der landwirtschaftlichen Marktordnung kommt.
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