Bericht des Sozialministeriums über EU-Arbeitsprogramm 2019/20 zeigt Bedenken auf
Brüssel/Wien (pk) - Angesichts der Wahlen zum Europaparlament im Mai 2019 drängt die Europäische
Kommission auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen zu vorhandenen Legislativvorschlägen. Umfasst davon
sind Maßnahmen zur Vertiefung der Sozialunion, verdeutlicht das Sozialministerium in seiner EU-Vorschau für
2019/20 ( III-245 d.B.). Anhand von Vorhaben wie jenem zur Sicherstellung transparenter und verlässlicher
Arbeitsbedingungen in der gesamten EU weist der Bericht von Bundesministerin Beate Hartinger-Klein, zuständig
für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, allerdings darauf hin, dass bei mehreren sozial- und
arbeitsmarktpolitischen Themen noch intensive Gespräche auf EU-Ebene nötig sind. So sieht Österreich
im Vorschlag zur erwähnten Arbeitsbedingungen-Richtlinie zahlreiche Probleme, etwa hinsichtlich der Kündigungsbestimmungen,
die stark in das "bewährte heimische Kündigungssystem" eingreifen, wie es aus Hartinger-Kleins
Ministerium (BMASGK) heißt .
Ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis unter rumänischem Ratsvorsitz zweifelt das BMASGK auch beim Verordnungsvorschlag
zur Koordinierung der Sozialsysteme der EU-Mitgliedstaaten an. Besonders die angedachten Regelungen zur Arbeitslosenversicherung
seien für Österreich "nicht akzeptabel". Neue Rechtsakte hat die EU-Kommission aufgrund des
Zeitdrucks nur in begrenzter Zahl dem Rat vorgelegt, darunter fallen Initiativen für die Zeit nach dem Ausscheiden
des Vereinigten Königreichs aus der EU ("Brexit").
Bis zum Sommer führt Rumänien den Vorsitz im Rat der Europäischen Union, im zweiten Halbjahr wird
Finnland die Gespräche der Mitgliedstaaten im Rat leiten, gefolgt von Kroatien, das bis 30. Juni 2020 die
Ratspräsidentschaft innehat. Zentral sind für Rumänien laut Bericht die Verhandlungen über
den neuen mehrjährigen Finanzrahmen zum EU-Budget 2021 bis 2027, von dem Instrumente wie der Europäische
Sozialfonds plus oder das Binnenmarktprogramm betroffen sind.
Arbeit und Soziales: EU-Vorschläge zur Vereinheitlichung stoßen auf Skepsis
An laufenden Vorhaben der EU-Kommission, die von Rat und EU-Parlament im sogenannten Trilog zu verhandeln sind,
listet das Sozialministerium neben den Legislativvorschlägen zu Arbeitsbedingungen und Sozialsystemen auch
den Entwurf zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsagentur (ELA) auf. Letztere soll für die Einhaltung
sozialer Rechte bei grenzüberschreitender Arbeitskräftemobilität sorgen. Von Österreich bemängelt
wird dabei unter anderem, dass das EU-Parlament den ELA-BeamtInnen bei Arbeitsplatzinspektionen die gleichen Rechte
wie nationalen Behörden zugestehen will. Brüssel möge sich an die 2018 unter österreichischem
Ratsvorsitz erzielte Übereinkunft halten, wonach ELA als Mediationsstelle keinen Behördencharakter hat,
so das Ministerium. Den Mitgliedstaaten sei außerdem mehr Einfluss in die Arbeitsagentur zu gewähren,
als der Kommissionsentwurf dies vorsieht.
Wenig Freude hat das Sozialministerium auch mit dem Richtlinienvorschlag für einheitliche Arbeitsbedingungen
im Unionsraum. Wohl befürworte man das Ziel der Initiative, nämlich die Förderung sicherer Beschäftigungsverhältnisse
auf einem sich wandelnden Arbeitsmarkt. Doch gebe es im Kommissionsentwurf mehrere unverhältnismäßige
Bestimmungen, führt das Ministerium als Beispiel die vorgeschlagene Beweislastumkehr bei Kündigungen
an, bei der von Arbeitgeberseite stichhaltige Kündigungsgründe angeführt werden müssen. Nach
geltendem österreichischem Recht muss der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Sozialwidrigkeit seiner
oder ihrer Kündigung beweisen.
Gleichermaßen skeptisch sieht das heimische Sozialressort die von Brüssel angestrebte Novelle zum sozialversicherungsrechtlichen
Teil des EU-Mobilitätspakets, dem es die Zustimmung verweigerte. Deutlich abgelehnt werden von Österreich
außerdem Vorschläge des EU-Parlaments zum entsprechenden Verordnungsvorschlag der Kommission, der die
Rahmenbedingungen für Freizügigkeit in der EU verbessern soll. Kritikpunkte des Sozialministeriums sind
etwa das "bedingungslose Wahlrecht der Grenzgänger", ob Sozialleistungen im letzten Beschäftigungsstaat
oder im Wohnstaat bezogen werden, sowie die Verlängerung des Leistungsexports auf sechs Monate.
Papamonat: EU will Rechtsanspruch
Weiters ist ein Richtlinienentwurf zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie Teil der aktuellen Trilogerörterungen,
bei dem es auch um den rechtlichen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub nach der Geburt eines Kindes, vulgo Papamonat,
geht. Hier betont das Sozialministerium, "vor allem die Höhe der Bezahlung des Vaterschaftsurlaubs sowie
des nicht-übertragbaren Elternurlaubs muss den Mitgliedstaaten überlassen bleiben". Grundsätzlich
sieht der entsprechende Kommissionsvorschlag einen Rechtsanspruch auf mindestens 10 Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub
vor.
Im Rat selbst beraten die Arbeits- und SozialministerInnen der Mitgliedstaaten überdies Kommissionsvorschläge
zum Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF), zur Frauenquote in Aufsichtsräten
börsennotierter Unternehmen und zur Gleichbehandlung von ArbeitnehmerInnen. Dazu stellt das Sozialministerium
fest, die Vermeidung von Diskriminierung aufgrund von Religion, Geschlecht, Behinderung oder sexueller Orientierung
sei ein wichtiges Anliegen. Der vorliegende Entwurf lasse aber noch zu viele Fragen offen, unter anderem zu den
Diskriminierungsgründen. Vom EGF erhofft Österreich, vermehrt EU-Mittel zur Kofinanzierung arbeitsmarktpolitischer
Maßnahmen erhalten zu können, die Anhebung des Frauenanteils in Aufsichtsräten auf 40% trage man
ebenfalls mit, unterstreicht das BMASGK. Allerdings sei dieser Richtlinienvorschlag seit 2015 nicht mehr vom Rat
behandelt worden. Rumänien werde die Gespräche darüber wieder aufnehmen.
Gesundheit: Bundesländer rügen geplante Novelle zur Trinkwasser-Richtlinie
Im Bereich Gesundheit wird das BMASGK hauptzuständig an Ratstreffen teilnehmen, die sich unter anderem mit
einem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Sicherung von Wasser für den menschlichen Gebrauch ("Trinkwasser-Richtlinie")
und einem Verordnungsvorschlag zum Thema Risikobewertung in der Lebensmittelkette befassen. Während das Gesundheitsministerium
die Neuerungen bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) begrüßt,
da sie die Bewertung von Lebensmitteln zuverlässiger machen würden, hat das Ressort große Bedenken
bei der Novelle zur aktuellen Trinkwasser-Richtlinie. Es bestätigt damit den Bundesrat, der im Einklang mit
den Bundesländern in einer begründeten Stellungnahme (Subsidiaritätsrüge) an die Kommission
seine Kritik formulierte. Konkret wird befürchtet, dass aufgrund von EU-Auflagen zur häufigeren Überprüfung
der Wasserqualität die klein strukturierte öffentliche Wasserversorgung in Österreich leidet. Außerdem
müsse qualitätsvolles Trinkwasser leistbar bleiben, sind Bund und Länder einer Meinung. Die Ratsverhandlungen
über den Kommissionsvorschlag laufen.
Weitere EU-Legislativvorhaben unter Federführung des Gesundheitsressorts sind dem Bericht zufolge Kommissionsvorschläge
zur Vereinheitlichung der klinischen Bewertungskriterien für Medikamente, zum Verbot genetisch veränderter
Lebens- und Futtermittel in den EU-Mitgliedsländern sowie zum Verbot des Klonens von Tieren. Über die
beiden letzteren Entwürfe seien derzeit keine Verhandlungen geplant, räumt das BMASGK ein. Fokussiert
würden vom rumänischen Ratsvorsitz im Politikfeld Gesundheit die Bekämpfung der Antibiotikaresistenz,
die Sicherstellung des Arzneimittelzugangs, die Verbesserung der Impfquoten, die Förderung der Patientenmobilität
und die Digitalisierung im Gesundheitswesen.
|