Tirol: Valentina Empfang im Landhaus

 

erstellt am
15. 02. 19
13:00 MEZ

Benachteiligungen abbauen, Missstände aufzeigen, bestehende Strukturen hinterfragen und an Veränderung mitwirken
Innsbruck (lk) - Das Erreichte feiern, aber gleichzeitig die „Baustellen“ in Sachen Gleichstellungspolitik in Erinnerung rufen – das ist die Intention des Valentina Empfangs, zu dem Frauenlandesrätin Gabriele Fischer ins Landhaus lud. „Gleichstellung ist dann erreicht, wenn Frauen und Männer gleichermaßen ein wertschätzendes und vorurteilsfreies Lebens- und speziell auch Arbeitsumfeld vorfinden, wenn es keine geschlechtsbezogenen Diskriminierungen mehr gibt und die gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter an gesellschaftlichen Ressourcen, Positionen und Einfluss sichergestellt ist. Trotz der sehr guten rechtlichen Grundlagen zur Frauenförderung und Gleichstellung in Österreich haben wir die faktische Gleichstellung noch nicht erreicht“, ruft LRin Fischer in Erinnerung.

Kathrin Stainer-Hämmerle, Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten, wirft einen Blick zurück und erinnert an Errungenschaften der Frauen- und Gleichstellungspolitik. So wurde unter anderem vor 100 Jahren das Frauenwahlrecht eingeführt, die Familienrechtsreform 1975 definiert nicht mehr den Mann als Oberhaupt der Familie und seit 1989 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Die Töchter-Generation habe, so Stainer-Hämmerle, heute weniger Diskriminierungserfahrungen. Heute entstehe der Eindruck, dass Schlechterstellung nicht ein strukturelles, sondern ein persönliches Problem ist. Dem sei aber nicht so. Obwohl sich viel verbessert habe, dürfe dies nicht Anlass zu einem Rückzug in die Gemütlichkeit sein. „Wir brauchen weiterhin Pionierinnen“, ist Stainer-Hämmerle überzeugt.

Mit der Gleichstellungsstrategie 2018 wurde eine Grundlage geschaffen, die konkrete Handlungsfelder und Maßnahmen identifiziert, um das Ziel der faktischen Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen.

Aufbrechen der Rollenstereotype
Und woran „hapert“ es? Grundsätzlich haben traditionelle, stereotype Rollen- und Aufgabenzuschreibungen nach wie vor eine starke Wirkung. Dies zeige sich, so die Frauenlandesrätin, auch in der Aufteilung der Hausarbeit oder Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen. „Es braucht und gibt inzwischen Maßnahmen, um Frauen die gleichberechtigte Teilhabe an Erwerbsarbeit zu ermöglichen – so ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein ganz besonderes Anliegen“, weiß LRin Fischer. Als Grundvoraussetzung dafür wurde in Tirol ein bedarfsgerechtes, leistbares, qualitätsvolles Kinderbetreuungsangebot geschaffen.

Trotz zunehmender Bildungsbeteiligung ist der Anteil an Pflichtschulabschlüssen als höchster abgeschlossener Ausbildung bei Frauen nach wie vor fast doppelt so hoch wie bei Männern. In der Wahl der Ausbildung – egal ob Lehre, höhere Schule oder Studium – zeigt sich immer noch eine stark geschlechterspezifische Segregation: Mädchen wählen traditionell „weibliche“ – und damit meist schlechter bezahlte –, Burschen traditionell „männliche“ Ausbildungswege. „Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzen wir Maßnahmen rund um eine geschlechtersensible Berufsorientierung und Berufsinformation. So zum Beispiel den Girls‘ Day, der mit dem Girls‘ Day mini nun auch an Volksschulen veranstaltet wird, und Boys‘ Day“, so LRin Fischer.

Gewaltschutz und Gewaltprävention sind ebenfalls wichtige Aspekte der Gleichstellungspolitik. „Heute, am Valentinstag, wurde rund um die Annasäule gegen Gewalt getanzt – die Aktion ‚One Billion Rising‘ ist eine weltweit durchgeführte Kampagne, die ein Ende der Gewalt gegen Frauen fordert“, berichtet LRin Fischer und verweist auf die Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie Opferschutzeinrichtungen in Tirol, die hervorragende Arbeit leisten. Auch gebe es professionelle Angebote zur Männerberatung und zur Täterarbeit. Darüber hinaus wurde seitens des Landes Tirol die Erstellung eines „Masterplans Gewaltprävention“ in Auftrag gegeben.

Teilhabe in Politik und Gesellschaft
Nicht zuletzt ist der Frauenlandesrätin auch die verstärkte Teilhabe von Frauen in Politik und Gesellschaft ein wichtiges Anliegen: Frauen sind nach wie vor weder in den Entscheidungs- und Führungspositionen von Erwerbsorganisationen noch in der Politik im selben Ausmaß wie Männer vertreten. Dort, wo die Politik den Menschen am nächsten ist – auf Gemeindeebene – ist der Frauenanteil am geringsten. „Ich danke daher allen Frauen, die sich in den unterschiedlichsten politischen Funktionen oder gesellschaftspolitischen Gremien engagieren“, betont LRin Fischer. Der Kompetenzlehrgang für Frauen „Nüsse knacken – Früchten ernten“ unterstützt jene Frauen, die Ambitionen auf ein politisches Engagement hegen oder bereits eines ausüben. Zur Erhöhung des Frauenteils in Aufsichtsräten und Beiräten organisiert das Land Tirol gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Tirol den Lehrgang „Womenomics“.

„Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Benachteiligungen von Frauen abzubauen, Missstände aufzuzeigen, bestehende Strukturen zu hinterfragen und an ihrer Veränderung mitzuwirken. Beim Valentina Empfang wird sichtbar: wir sind viele. Lassen wir uns nicht entmutigen, sondern an der Vision einer geschlechtergerechten Welt weiterarbeiten“, appelliert LRin Fischer abschließend.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at