Innsbruck (universität) - Ihr 350-Jahr-Jubiläum nutzt die Universität Innsbruck nicht zuletzt
dazu, sich auch mit den dunklen Seiten ihrer Geschichte kritisch auseinanderzusetzen. Die Involvierung in den Nationalsozialismus
wie der ambivalente Umgang damit nach 1945 wird etwa an den nun lokalisierten Fragmenten eines Adolf-Hitler-Mosaiks
in der Aula im Hauptgebäude ablesbar. Vor diesem Hintergrund gilt es auch, die problematischen Seiten der
universitären Ehrungspraxis zu beleuchten. Und Christoph Probst, Widerstandskämpfer und kurzzeitig Student
in Innsbruck, wird im Rahmen einer Gedenkstunde der beiden Innsbrucker Universitäten am 21. Februar rehabilitiert.
Vor 77 Jahren – im WS 1942/43 – wurde der Medizinstudent Christoph Probst zum Studium an die Universität Innsbruck
versetzt. Am 22. Februar 1943 wurde er als Mitglied der studentischen Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ zusammen
mit Hans und Sophie Scholl in München hingerichtet; am selben Tag hatte ihn ein „Dreierausschuss“ des Rektorats
der Universität Innsbruck „dauernd vom Studium an allen deutschen Hochschulen ausgeschlossen“. Die Universität
Innsbruck lädt gemeinsam mit der Medizinischen Universität Innsbruck zur Erinnerung an dieses Ereignis
zu einer Gedenkstunde in die Aula der Universität Innsbruck ein. Diese Gedenkstunde wird auch dazu genutzt,
Christoph Probst zu rehabilitieren und seine Exmatrikulation zumindest symbolisch rückgängig zu machen.
Der Innsbrucker Schauspieler Hans Danner liest zudem aus Briefen, die Christoph Probst während seiner kurzen
Zeit in Innsbruck an Familienmitglieder und Freunde geschrieben hat. „Anlässlich unseres Jubiläums setzen
wir uns intensiv mit der Vergangenheit der Universität und ihren Widersprüchen auseinander. Im Zuge dessen
haben wir uns dazu entschieden, auch die Geschichte der Universität neu erforschen zu lassen, und mit diesem
dunklen Kapitel in unserer Vergangenheit entsprechend verantwortungsbewusst umzugehen. Es ist mir natürlich
bewusst, dass dieser Akt der Rehabilitierung von Christoph Probst rein symbolisch ist – aber wir wollen ihn dennoch
setzen, um Klarheit zu schaffen“, sagt Rektor Tilmann Märk.
Problematische Ehrungen
Im Verlauf des Jubiläumsjahres wird eine ganze Reihe von Veranstaltungen zur Geschichte der Universität
stattfinden. In der großen Festwoche im Oktober, rund um den historischen Gründungstag der Universität
Innsbruck am 15. Oktober, wird auch eine neue Universitätsgeschichte präsentiert werden. Dafür wurde
unter anderem die umfangreiche universitäre Ehrungspraxis untersucht: „Bei Ehrungen handelt es sich immer
um symbolische Maßnahmen, aber durchaus politische Entscheidungen. Sie spiegeln den jeweiligen historischen
Kontext und die Interessen der beteiligten Akteure. Aus Sicht von Historikerinnen und Historikern ist es nicht
überraschend, dass die Beurteilung von Praktiken, Zuständen, Systemen, Institutionen und auch Personen
mit der Zeit Veränderungen unterworfen ist. Mit Ehrungen und Auszeichnungen wird jedoch versucht, bestimmte
Personen und Leistungen späteren Neubewertungen zu entziehen“, erläutert der Zeithistoriker Prof. Dirk
Rupnow, Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät. „Die Verantwortungsträger der Universität
Innsbruck haben im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Personen geehrt, die aus heutiger Sicht nicht mehr als würdig
gelten können.“
Die Universität Innsbruck hat sich daher dazu entschlossen, Fälle von Ehrungen, die ihr heute nicht mehr
angemessen erscheinen, zu markieren und zu dokumentieren. Aufgrund der großen Zahl der Geehrten und oft mangelnder
Informationen kann dies nur ein „work in progress“ sein. „In vielen Fällen gibt es auch keine einfachen Antworten,
sondern bleibt eine nachträgliche Einschätzung schwierig“, erläutert Rupnow.
Bohrlöcher in der Aula
Im Sommer 1938, kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, gab
der damalige Rektor Harold Steinacker das Mosaik einer Hitler-Darstellung bei der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt
für die Aula in Auftrag. Die Privatkanzlei des „Führers“ hatte hierzu ihre Zustimmung erteilt. Der in
Innsbruck geborene Künstler Hubert Lanzinger lieferte die Vorlage unter Rückgriff auf sein – als Postkarte
bereits weithin bekanntes – Gemälde „Der Bannerträger“ (1934), das Adolf Hitler als Ritter in silberner
Rüstung zu Pferde zeigt, mit der Hakenkreuzfahne in der Hand. Das Motiv knüpfte an verschiedene Traditionen
an und wurde zum Symbol verdichtet; das Porträt dominierte den Saal, nicht zuletzt auch auf Grund der künstlerischen
Qualität des Mosaiks.
Nach Kriegsende 1945 wurde das Mosaik offenbar weitgehend abgeschlagen und zunächst durch eine neutrale Putzoberfläche
mit ockerfarbenem Anstrich übertüncht. 1947 wurde an der inkriminierten Stelle eine stuckumrahmte Tafel
mit dem Schriftzug „in veritate libertas“ (in der Wahrheit liegt die Freiheit) – der Wahlspruch der katholischen
Studentenverbindung Austria – angebracht. Jenseits der Akten im Universitätsarchiv und weniger Indizien gab
es lange Zeit scheinbar kein fotografisches Zeugnis des Mosaiks in situ. Auch sein Verschwinden war bislang nicht
nachvollziehbar dokumentiert. 2017 brachte schließlich eine Tiefensondierung im Auftrag der Universitätsleitung
Reste des Mosaiks selbst und die Spuren seiner Beseitigung zutage. Angesichts der Vielschichtigkeit und Ambivalenz
der damit sichtbaren Vorgänge – des vorauseilenden Gehorsams der universitären Amtsträger 1938 sowie
der eilfertigen Distanzierung 1945, vor allem aber der Verdrängung der eigenen Mitverantwortung und Schuld
– hat sich die Universität Innsbruck entschlossen, die Sondierungsbohrungen in die Vergangenheit offen zu
lassen und eine entsprechende Hinweistafel in der Aula anzubringen.
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