ÖVGW und BOKU präsentieren Studie zur Wasserversorgung in Rekordsommern
Wien (övgw) - Nach den Rekordsommern 2003 und 2015 waren auch die Jahre 2017 und 2018 in Österreich
von Extremtemperaturen geprägt. Eine Herausforderung für die Trinkwasserversorgung in Österreich,
denn der Klimawandel könnte in den kommenden Jahren zu Nutzungskonflikten führen. Darauf verweist die
Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) mit der von ihr beauftragten Studie
„Wasserversorgung in Rekordsommern“, durchgeführt von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).
„Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein schützenswertes Gut, das verteidigt und sorgfältig
behandelt werden muss“, unterstreicht ÖVGW-Präsident Franz Dinhobl den Erwägungsgrund 1 der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
Um die Sicherheit der Trinkwasserversorgung auch in Zukunft gewährleisten zu können, fordert die ÖVGW
daher die Politik auf, die Instrumente für den langfristigen Schutz der Wasserressourcen an die neuen Herausforderungen
anzupassen. Denn der Anstieg der Hitzetage pro Jahr und die damit verbundene Steigerung der Wasserverbräuche
lassen erwarten, dass in Zukunft mehr Ressourcen für die Abdeckung des Spitzenbedarfes an Trinkwasser benötigt
werden, so die ÖVGW.
Vorsorgen und anpassen
„Österreichs Trinkwasserwirtschaft genießt national und international einen hervorragenden Ruf.
Die Basis dafür wurde durch eine seit Generationen etablierte, nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung gelegt.
Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden“, so Franz Dinhobl weiter. Mit der soeben publizierten Studie zeigen ÖVGW
und BOKU die Auswirkungen der klimatischen Entwicklungen auf die Wasserversorgung in Österreich auf und machen
deutlich, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Trinkwasserversorgung in Österreich nachhaltig zu
sichern.
Alpenraum vom Klimawandel stark betroffen
Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich auch in Österreich immer deutlicher. „Die letzten 20 Jahre
waren größtenteils als überdurchschnittlich warm einzustufen. Alle aktuellen Studien zur klimatischen
Entwicklung sagen einen weiteren Temperaturanstieg und die Zunahme von Extremereignissen, insbesondere von Hitzewellen,
in den nächsten Jahrzehnten in Österreich voraus. Je nach Szenario nehmen die Hitzetage von derzeit rund
20 pro Jahr auf 50 und mehr bis 2100 zu“, so Studienautor Roman Neunteufel vom Institut für Siedlungswasserbau,
Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der BOKU Wien. Die Temperaturzunahme lag im Alpenraum bereits
bisher über dem Durchschnitt der Nordhemisphäre. Im Vergleich zum Zeitraum 1971 bis 2000 wird ein weiterer
Anstieg um +1,5 °C für den Zeitraum 2021 bis 2050 prognostiziert.
Längere Hitzewellen und Trockenperioden
„Für die Wasserversorgung ist vor allem relevant, wie sich Frühlings- oder Sommertemperaturen und
-niederschläge entwickeln“, so Neunteufel. „Die derzeitigen Klimamodelle lassen eine starke Zunahme an Hitzetagen
erwarten – längere Trockenperioden haben wiederum großen Einfluss auf den Wasserverbrauch“, so Neunteufel.
Laut einer Auswertung der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) vom August 2018 hat die durchschnittliche
Dauer einer Hitzewelle in den Landeshauptstädten in den letzten Jahrzehnten um rund zwei Tage zugenommen.
Außerdem kommen Hitzewellen mittlerweile deutlich häufiger (+ 50 %) vor als früher.
2018 kam es bereits im Frühjahr an der Alpennordseite und im östlichen Flachland zu einer ausgeprägten
Trockenheit. Hier gab es zum Teil nur 30 bis 45 %, kurzfristig und lokal nur bis 15 % der sonst üblichen Niederschläge.
In den Sommermonaten war das Niederschlagsdefizit zwar nicht ganz so extrem, aufgeholt konnten die fehlenden Mengen
allerdings nicht werden. Am schlimmsten von durchgehenden Niederschlagsdefiziten waren das nördliche Niederösterreich
sowie weite Teile Oberösterreichs betroffen.
2018: Verbrauchsspitzen durch private Bewässerungssysteme und Pools
Verbrauchsspitzen zu spüren bekommen vor allem jene Wasserversorgungsunternehmen, die in ihrem Versorgungsgebiet
viele Reihen-, Ein- und Mehrfamilienhäuser mit Eigengarten haben. Denn Poolbefüllungen, zunehmend aber
auch Bewässerungssysteme privater Haushalte, sind sehr verbrauchsintensiv. „Die Zunahme der Gartenbewässerungsanlagen
mit zeitgesteuertem Betrieb führt dazu, dass im Sommer auch in der Nacht die Wasserverbräuche nicht zurückgehen“,
so Manfred Eisenhut, Bereichsleiter Wasser der ÖVGW.
Eine aktuelle Umfrage unter 30 ÖVGW-Mitgliedsunternehmen (diese versorgen 3,4 Millionen Einwohnerinnen und
Einwohner mit Trinkwasser) zeigt, dass 2018 einige Versorger genau dadurch neue, ungewöhnlich hohe Verbrauchsspitzen
verzeichneten. Zwar traten bislang noch keine Versorgungsengpässe auf, in einigen Fällen konnte dies
aber nur durch Sparmaßnahmen wie Aufrufe im Internet bzw. durch Ergänzung der Einspeisung aus überregionalen
Versorgungsnetzen verhindert werden. „Speziell für kleinere Versorgungseinheiten ohne Notverbünde stellen
die steigenden Verbrauchsspitzen ein zunehmendes Problem dar“, so Eisenhut weiter. Die Hälfte aller Umfrageteilnehmer
weist Ausschöpfungsgrade von über 70 % an verbrauchsreichen Tagen auf.
Für knapp 60 % der Unternehmen sind jedenfalls bereits Veränderungen bemerkbar. Sie geben an, dass zusätzliche
Investitionen nötig waren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, bzw. dass weiter in Anpassungsmaßnahmen
investiert werden muss.
ÖVGW-Forderung: Wasserversorgung muss im Einflussbereich der öffentlichen Hand bleiben
Mehr Hitzewellen und Trockenperioden bedeuten in Österreich aber nicht per se weniger Trinkwasser. Denn von
der theoretisch verfügbaren Wassermenge verwenden Österreichs Haushalte weniger als 1 %. Bei einer Verknappung
der Wasserressourcen können aber regional Nutzungskonflikte drohen – etwa zwischen Landwirtschaft, Industrie
und Trinkwasserversorgern – daher fordert die ÖVGW Studien unter Beteiligung aller Betroffenen, die Antworten
auf die wichtigsten Fragen geben können und dann zu entsprechenden Maßnahmen führen. „Der Trinkwasserversorgung
muss dabei aber Vorrang eingeräumt werden“, betont Dinhobl.
Besonders wichtig ist der ÖVGW, dass Wasser auch in Zukunft im Einflussbereich der öffentlichen Hand
bleibt. Die Wasserversorgung stelle das Kernelement der Daseinsvorsorge dar und Wasser sei das wichtigste Lebensmittel
– höchste hygienische Qualität habe für die Bevölkerung daher oberste Priorität. Das Einspeisen
von Wasser durch verschiedene Versorger in ein und dasselbe Leitungsnetz sei nicht sinnvoll möglich, da zu
viele Qualitäts- und Haftungsfragen offen blieben.
Weitere Empfehlungen zur Versorgungssicherheit von ÖVGW und BOKU sind:
- Auch für kleine und kleinste Wasserversorger sollte
ein zweites Standbein der Wassergewinnung zum Standard werden. So könnte das Ziel einer 100 %-Ausfallsbedarfsdeckung
aller Wasserversorgungsunternehmen erreicht werden.
- Die bisherigen Verbesserungen, wie etwa Vernetzung, Schaffung
zusätzlicher Ressourcen, Aufbereitung von Ressourcen, die sonst nicht oder nur eingeschränkt nutzbar
sind, sollten weitergeführt werden.
- Die verfügbaren Gesamtkapazitäten und Ausfallssicherheiten
sollten nicht nur für einzelne Wasserversorgungsunternehmen, sondern integriert über die Verbundsysteme
und Regionen betrachtet werden. Eine regional integrierte Wasserversorgungsplanung soll insbesondere auch eine
Bestandsaufnahme verfügbarer Ressourcen, eine Ressourcennutzungsplanung, eine Aufnahme bestehender Wassernutzungen
(auch andere Nutzer als die Wasserversorgung) und Prognosen des zukünftigen Wasserbedarfs umfassen.
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