Blümel: Brexit-Verschiebung nur
 mit konkretem Ziel sinnvoll

 

erstellt am
27. 02. 19
13:00 MEZ

EU-Unterausschuss berät über EU-Austritt Großbritanniens
London/Brüssel/Wien (pk) - Gut einen Monat vor dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens am 30. März hält Europaminister Gernot Blümel eine mögliche Brexit-Verschiebung zwar grundsätzlich für sinnvoll, das allerdings nur, wenn die Briten damit konkrete Ziele verknüpfen, wie er am 26. Feber im EU-Unterausschuss des Nationalrats sagte. Seitdem der mit Theresa May ausverhandelte Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus gescheitert ist, wisse niemand mehr so genau, was die Briten wollen. Er habe die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben, dass das britische Parlament dem Austrittsabkommen beim zweiten Anlauf am 12. März zustimmt.

Theoretisch könne sich so ein geordneter Austritt der Briten noch ausgehen. Einer Verschiebung des Brexit zuzustimmen, ohne das klar ist, wofür diese von der britischen Regierung genutzt wird, sei allerdings nicht sonderlich konstruktiv. "Natürlich ist aber am Ende des Tages alles besser als ein harter Brexit", so Blümel.

Der von den Briten geforderten Befristung der Notfall-Regelung für Nordirland zur Rettung des Brexit-Deals, Stichwort Backstop, erteilte Blümel eine klare Absage. "Wir werden diese rote Linie nicht überschreiten", wie er gegenüber Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) sagte. Zudem hätten die Briten bis jetzt keine pragmatischere Lösung auf den Tisch gelegt.

Auf einen "No Deal" bereitet sich sowohl die Kommission als auch Österreich Blümel zufolge seit letzten Sommer vor. "Im Rahmen des Planbaren ist alles Menschenmögliche getan worden, um alles vorzubereiten", so der Kanzleramtsminister zum gestern im Verfassungsausschuss angenommenen Brexit-Begleitgesetz. Am Ende des Tages sei der Brexit aber eine Lose-Lose-Situation. Nichtsdestotrotz bekräftigte Blümel, dass der EU beim Brexit etwas gelungen sei, was niemand für möglich gehalten habe, nämlich mit einer Stimme der EU27 zu sprechen.

Dass vonseiten Österreichs alle planbaren nationalen Vorkehrungen für den Fall eines ungeordneten Austritts getroffen wurden, sieht auch Wolfgang Gerstl (ÖVP) so. Kritik am Brexit-Begleitgesetz kam hingegen von der SPÖ. In Deutschland seien im entsprechenden Gesetz mehr Positionen berücksichtigt, bemängelte etwa Doris Margreiter (SPÖ). Ihr Fraktionskollege Kai Jan Krainer (SPÖ) vermisst insbesondere Regelungen im Bereich der Besteuerung, die laut einer Expertin aus dem Finanzministerium für Österreich allerdings nicht notwendig sind. Finanzdienstleistungen würden stark in Unionsrecht fallen, nationale Sonderregelungen würden dem zuwider laufen. Das Finanzministerium sehe jedenfalls keinen Handlungsbedarf, zum jetzigen Zeitpunkt im Brexit-Begleitgesetz nachzujustieren.

Blümel meinte in diesem Zusammenhang auch gegenüber Sepp Schellhorn (NEOS), dass zur Zeit kein weiteres Brexit-Gesetz in Planung sei, ergänzende Regelungen nach gegebener Zeit aber nicht ausgeschlossen werden können. Man habe versucht, alle Probleme, die im Moment erkennbar seien, mit dem Gesetz abzudecken. Vonseiten der Kommission habe es gegenüber den österreichischen Vorkehrungen keine Zusatzwünsche gegeben. Zudem würden Brexit-Gesetze in den Nationalstaaten nicht ident aussehen, weil in jedem Land unterschiedliche Rechtssysteme gelten.

Angesprochen von Markus Tschank (FPÖ) auf ein jüngst von der britischen Labour-Partei aufs Tapet gebrachtes mögliches zweites Brexit-Referendum meinte Blümel, dass er noch keinen einzigen britischen Politiker gehört habe, der ernsthaft ein zweites Referendum beantragt hätte. Grundsätzlich wäre ein zweites Referendum aber die "allerbeste von allen Lösungen", wenn sich die Briten darin für den Verbleib in der Europäischen Union entscheiden würden.

Doris Margreiter (SPÖ) und Alma Zadic (JETZT) betonten unisono, dass der Brexit zeige, wozu spalterische Politik führen kann. Die SPÖ-Abgeordnete erinnerte in diesem Zusammenhang an Aussagen der FPÖ rund um einen möglichen Öxit, die von Markus Tschank (FPÖ) entschieden zurückgewiesen wurden. Ein Öxit sei nie Beschlussfassung der FPÖ gewesen und von seiner Partei nicht gefordert worden, "das entspricht nicht der Realität", so der Mandatar.

Zadic kritisierte, dass in Großbritannien von manchen Akteuren jahrelang eine Politik verfolgt worden sei, die die EU zum Sündenbock für die Probleme des Landes gemacht habe. Nachdem man jetzt sehe, wozu das führen kann, versuche man gegenzusteuern und spalte die Gesellschaft nur noch mehr. Blümel meinte dazu, dass man diese Entwicklungen in zwei Richtungen sehen müsse. Es bringe nichts, die EU für alles verantwortlich zu machen, es sei aber auch nicht sinnvoll, Probleme wie die Migrationskrise zu kaschieren.

"Aktionsplan für den Notfall": Kommission bereitet Übergangslösungen vor
Anlass für die Brexit-Debatte im EU-Unterausschuss des Nationalrats war eine Mitteilung der Kommission, in der die verbleibenden Mitgliedsstaaten von Brüssel angehalten werden, sich für den Fall eines ungeordneten Austritts bzw. "alle möglichen Szenarien für den Austritt des Vereinigten Königreichs" vorzubereiten. Dieser "Aktionsplan für den Notfall" berücksichtigt etwa Fragen des Bleiberechts, der Sozialversicherungsansprüche, der Finanzdienstleistungen sowie jene von Zöllen und des Warenverkehrs. Alle "Notfallmaßnahmen", die die Mitgliedsstaaten treffen, sollen vorübergehender Natur und mit dem Unionsrecht vereinbar sein, wie die Kommission einmahnt. In der Mitteilung werden die restlichen EU27 außerdem dazu aufgefordert, auch weiterhin keine bilateralen Abkommen oder Vereinbarungen mit Großbritannien zu schließen. Was etwa Finanzdienstleistungen, den Luftverkehr, den Güterkraftverkehr, Zölle und Warenausfuhr oder die Klimapolitik betrifft, die in das Unionsrecht fallen, hat die Kommission selbst Vorkehrungen und Verordnungsentwürfe auf den Weg gebracht.

 

 

 

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