Pflegeenquete: Kärnten stellt
 Weichen für die Zukunft der Pflege

 

erstellt am
27. 02. 19
13:00 MEZ

LHStv.in Prettner: Kärnten baut Pflegeangebote, die Pflege in den eigenen vier Wänden ermöglichen, weiter aus – Mobile Dienste werden von einer Million Stunden auf 1,3 Millionen Stunden sukzessive erhöht – Aufforderung an den Bund, Pflegegeld in allen Stufen zu erhöhen
Klagenfurt (lpd) - Nie zuvor im Laufe der Geschichte konnten Menschen ein so hohes durchschnittliches Lebensalter, von 80 bis 85 Jahren, erreichen wie heute. In Kärnten wird die Zahl der über 75-jährigen bis 2030 auf 13,3 Prozent steigen. Dies bedeutet ein Plus von 35 Prozent. Gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegegeldbezieher von 6,3 auf 7,7 Prozent, ein Plus von 22 Prozent. Damit verbunden sind Herausforderungen, nicht nur für den Pflegebereich per se, sondern für die Gesellschaft in Summe. Die Pflegeenquete des Kärntner Landtages hat daher am 26. Feber unter dem Titel „Zukunft des Pflegesystems in Kärnten“ Experten zu diesem Thema in das Landesarchiv geladen. Die Zuschauerzahl war rekordverdächtig. Unter den Zuhörern waren unter anderen Landesrat Martin Gruber, die Klubobmänner der im Landtag vertretenen Parteien und zahlreiche Landtagsabgeordnete.

Als zuständige Referentin gab LHStv.in Beate Prettner einleitend „eine kurze Übersicht zum großen Ganzen“: „Für mich ist Pflege ein Thema schon lange bevor Pflege zum allgemeinen Thema gemacht wurde. Ich habe daher bereits im Jahr 2016 den Auftrag erteilt, eine Bedarfs- und Entwicklungsstudie zu erstellen – mit detaillierten Prognosen bis ins Jahr 2030. Diese Studie ist für mich Grundlage aller unserer Pflegemaßnahmen, Pflegeprojekte und Pflegeschwerpunkte“, hielt sie fest.

Prettner zeigte sich überzeugt davon, dass die „Pflege der Zukunft“ bei der Prävention beginne – „sprich bei jenen Maßnahmen und Vorkehrungen, die Pflege so lange wie möglich hinauszögern bzw. auf einem niederschwelligen Niveau halten. Ziel muss es also sein, älteren Menschen ein Leben in den eigenen vier Wänden so lange es geht zu ermöglichen.“ Damit einher gehe ihre zweite Überzeugung: Nämlich, jedem Menschen die für ihn richtige Pflege zur Verfügung zu stellen. „Für den einen ist das ein betreutes Wohnen, für den anderen sind es mobile Dienste. Für den nächsten eine Tagesstätte. Ein anderer benötigt das Pflegeheim. Wieder ein anderer einen Alternativen Lebensraum. Ja, Pflege ist ein vielschichtiges Themenfeld. Genauso vielschichtig müssen die Angebote sein.“

Laut Prettner betrage das Pflegebudget des Landes Kärnten im heurigen Jahr 330 Millionen Euro. Damit finanziert Kärnten unter anderem 76 Pflegeheime plus ein Demenzzentrum mit etwas mehr als 5.600 Plätzen und 2.900 Mitarbeitern, 22 Alternative Lebensräume mit 108 Plätzen und 36 Mitarbeitern, 13 Tageszentren mit 163 Plätzen und 25 Mitarbeitern, 12 Träger für mobile Dienste mit 10.000 Klienten und 1.900 Mitarbeitern, die pro Jahr eine Million Stunden leisten – bis 2030 werden es 1,3 Millionen Stunden sein, zehn Gesundheits-Pflege-Service-Stellen mit im Schnitt 1.800 Klienten pro Jahr. Zudem wies die Gesundheitsreferentin darauf hin, dass Kärnten zahlreiche Punkte, die die Bundesregierung als Vision für die Zukunft fordert, bereits umgesetzt habe. Dazu zählen eine tägliche und kostenlose Pflegehotline, Pflegeberatung, Entlastungsmaßnahmen für pflegende Angehörige wie 28 Tage pro Jahr Kurzzeitpflege oder eine kostenlose Urlaubswoche sowie eine Offensive in der Ausbildung von Pflegefachkräften.

„Wir brauchen die Pflege nicht neu zu erfinden. Kärnten ist gerade im Bereich der Pflege sehr gut aufgestellt. Wir nehmen in vielerlei Hinsicht eine österreichweite Vorbildrolle ein. Das alles heißt aber nicht, dass wir uns auf den Erfolgen ausruhen werden. Wir machen konsequent weiter, denn es gibt nach wie vor einiges zu tun“, betonte Prettner. Sie verwies dabei auf zwei Pilotprojekte, die gerade an den Start gegangen sind: Zum einen die Weiterentwicklung der mobilen Dienste zu mehrstündigen Betreuungsangeboten, zum anderen die Pflegenahversorgung.

Die Pflegenahversorgung stellte auch Gesundheitsexperte Wolfgang Habacher in den Mittelpunkt seines Vortrages. „Je früher man zu den Menschen hinkommt, desto mehr kann man steuern und desto maßgeschneiderter kann das Angebot für die Betroffenen sein. Mit der Pflegenahversorgung setzt die Pflege erstmals vor dem tatsächlichen Pflegbedarf an – und das vor Ort durch einen Pflegekoordinator“, erläuterte Habacher. Dieses Modell würde mithelfen, die wohl größte Herausforderung im Pflegebereich zu bewältigen: Nämlich die Tatsache, dass es künftig mehr Menschen mit Pflegebedarf geben wird, aber weniger Pflegepersonal. Das Weniger an Personal hänge schlichtweg mit dem Rückgang der Menschen im arbeitsfähigen Alter zusammen.

Beate Wanke, Direktorin der Kärntner Gesundheits- und Krankenpflegeschule Kärnten, erläuterte die Möglichkeiten der Ausbildungswege, um im Pflegewesen beruflich tätig zu werden. „Mit Pflegeassistent, Pflegefachassistent und dem Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger haben wir drei Berufsgruppen. Abgesehen von den bundesweit geregelten Ausbildungslehrgängen bieten wir in Kärnten verkürzte Aufschulungsprogramme vom Pflegeassistenten zum Pflegefachassistenten bzw. vom Fachassistenten zur diplomierten Fachkraft an.“ Eine Absage erteilte Wanke Überlegungen zur Einführung einer Pflegelehre. „Es gibt ein europäisches Übereinkommen, wonach die praktische Unterweisung am Krankenbett erst nach Vollendung des 17. Lebensjahres erfolgen darf. Und das aus gutem Grund: Der Umgang mit schwer kranken, multimorbiden und sterbenden Menschen führt zu enormen Belastungen. Belastungen, die nichts für einen 15-jährigen Teenager sind.“ Daher sei auch die immer wieder zitierte Pflegelehre in Vorarlberg alles andere als eine Pflegelehre: „Auch in Vorarlberg ist eine derartige Ausbildung erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres erlaubt.“

Zur Pflegefinanzierung richtete die Gesundheitsreferentin zwei Forderungen an die Bundesregierung: „Die Erhöhung des Pflegegeldes in allen Pflegestufen ist genauso unerlässlich wie eine staatlich garantierte Pflegeversorgung. Das heißt vice versa: Hände weg von einer Pflegeversicherung“, appellierte Prettner.

 

 

 

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