Themen Armut bekämpfen und Wahlfreiheit ermöglichen – Debatte mit zahlreichen ExpertInnen
über Situation von Alleinerzieherinnen und Kinderbetreuungssituation
Wien (pk) – Mit den Themen "Armut bekämpfen" und "Wahlfreiheit ermöglichen"
beschäftigte sich der Gleichbehandlungsausschuss am frühen Nachmittag des 26. Feber im Rahmen des
breit angelegten Hearings zum Frauenvolksbegehren (433 d.B.). In den beiden Themenblöcken standen den Abgeordneten
jeweils vier bzw. fünf ExpertInnen zur Verfügung. Entsprechend vielschichtig waren die Standpunkte und
Forderungen, die diskutiert wurden. Ein weiteres Hearing zum Frauenvolksbegehren ist in der nächsten Ausschusssitzung
am 12. März geplant.
Armut bekämpfen: Debatte über Armutsrisiko bei Alleinerzieherinnen
Andrea Hladky, stellvertretende Bevollmächtigte des Frauenvolksbegehrens warf zu diesem Themenblock auf,
dass Alleinerzieherinnen das höchste Armutsrisiko betreffe. Insofern gehe es in den Forderungen etwa hinsichtlich
Unterhaltszahlungen um eine Neubemessung, angepasst an das 21. Jahrhundert.
Die Juristin Marion Guerrero schloss sich dem an und sprach sich für eine Unterhaltsgarantie aus. Das Unterhaltsgesetz,
das als Ausfallshaftung konstruiert sei, sowie der Familienbonus Plus seien jedenfalls begrenzt zur Armutsbekämpfung
geeignet. Für eine Unterhaltsgarantie plädierte auch Maria Stern, Parteiobfrau und Frauensprecherin von
JETZT – Liste Pilz. Die steigende Armut von AlleinerzieherInnen sei auch hinsichtlich Kinderarmut ein Thema. Stern
will zudem Anreize im Hinblick auf Väter schaffen und warf außerdem das Modell der Doppelresidenz auf.
"Arme Kinder von heute sind die chronisch kranken von morgen", so Stern, auch deshalb gelte es, hier
zu investieren. Eine wesentlich bessere Datenlage zur Feststellung, wie nachhaltig Scheidungsvereinbarungen sind,
braucht es aus Sicht von Martin Halla von der Universität Linz (JKU Linz).
Was im Volksbegehren vorgeschlagen werde, sei eine Art bedingungsloses Grundeinkommen und damit nicht ihr Ansatz,
sagte dazu FPÖ-Bundesrätin Monika Mühlwerth. Es gelte vielmehr, die Eigenverantwortung zu stärken
und etwa Mädchen zu ermutigen, auch andere Berufe als die üblichen zu wählen. Daran zu arbeiten,
den Unterhaltsvorschuss schneller abzuwickeln sei richtig und unterstützenswert, nicht jedoch, dass der Staat
alles übernehmen müsse oder Männer sich den Lebensunterhalt nicht mehr leisten können.
Seitens der Abgeordneten wies Gudrun Kugler (ÖVP) darauf hin, Armut zu bekämpfen könne nicht auf
die Frage des Unterhaltsvorschusses beschränkt werden. Sie vermisse außerdem an dieser Stelle das Thema
Frauenaltersarmut. Der Wunsch nach Teilzeitarbeit bestehe oft. Insofern sei hier darüber nachzudenken, wie
es gestaltet werden könne, dass Frauen kein Nachteil und keine Altersarmut erwächst. Edith Mühlberghuber
betonte seitens der FPÖ, vom Familienbonus Plus würden alle alleinerziehende Elternteile profitieren,
die auch Steuern zahlen. Selma Yildirim (SPÖ) hingegen sieht mit dem Familienbonus Plus jene, die Kinderbetreuungsgeld
beziehen und keinen Anspruch haben, mit 250 Euro "abgespeist". Außerdem kämen zwei Drittel
des Bonus Männern zugute. Die Forderungen, Armut zu bekämpfen liegen vor, so Stephanie Cox (JETZT), es
sei nun an der Ministerin zu handeln. Das Thema Kinderbetreuung wiederum ist der Ansatzpunkt von Claudia Gamon
(NEOS), um Voll- oder auch Teilzeitarbeit zu ermöglichen und Altersarmut entgegenzuwirken.
Für die Expertin Guerrero und für Stern wirkt der Familienbonus Plus nicht als Maßnahme zur Armutsbekämpfung.
Hinsichtlich einer Unterhaltsgarantie, die Stern nachdrücklich forderte, seien allerdings vorher durchaus
auch die Eltern in die Pflicht zu nehmen, so Guerrero.
Mühlwerth wiederum bekannte sich zum Familienbonus Plus. Es gehe auch darum, jene, die Steuern zahlen, zu
entlasten, damit Forderungen auch bezahlt werden können. Kinderbetreuungsmöglichkeiten und das Doppelresidenzmodell
seien ebenso zu beachtende Aspekte bei diesem Themenkomplex, hob der Experte Halla hervor.
Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß unterstrich, dass derzeit eine Arbeitsgruppe tage, die sich mit dem
Thema Unterhaltsvorschuss beschäftige. Hinsichtlich Familienbonus Plus betonte sie, es seien in den letzten
Jahren viele Negativsteuern geschaffen worden, nun sei das Anliegen eine Steuerentlastung gewesen. Ob das Geld
an Männer oder Frauen gehe, sei bei Paaren letztlich nur eine Frage der Beantragung. Betreffend Kinderkostenanalyse
werde derzeit der Regelbedarf aus einer Analyse aus Deutschland herangezogen, wo eine Vergleichbarkeit vorausgesetzt
werden könne. Hinsichtlich einer Aufteilung der Obsorge funktioniere es auch so sehr gut, wenn Eltern sich
50:50 um das Kind kümmern wollen, so die Ministerin.
Wahlfreiheit ermöglichen: Kinderbetreuungsplätze als Knackpunkt
Die Debatte zum Thema "Wahlfreiheit" drehte sich vorrangig um die Situation der Kinderbetreuung. Die
Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung - die jede/r nutzen könne, aber natürlich nicht
müsse -, ziele auch auf einen flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungsplätze ab, so Andrea Hladky
seitens des Frauenvolksbegehrens. Dafür sei ein Mindestmaß an qualitativen Ressourcen erforderlich.
Der Themenkomplex Vereinbarkeit Familie und Beruf sei für ihren Bereich prioritär, hob Bernadett Humer,
Sektionsleiterin für Familien und Jugend im Bundeskanzleramt, hervor. Schwerpunkte liegen demnach in den Bereichen
finanzielle Unterstützung, rechtliche Maßnahmen und Infrastruktur. Sie verwies auf die im letzten Jahr
abgeschlossene 15a-Vereinbarung, wonach der Bund für Länder und Gemeinden weiter eine Anschubfinanzierung
leiste, um neue Betreuungsplätze schaffen zu können. Hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Familie
gehe es auch um Öffnungszeiten und um die Qualitätsverbesserung von Betreuungseinrichtungen. In Bezug
auf einen Rechtsanspruch sei die gesetzliche Basis zu prüfen, aber auch die Versorgungslage etwa mit regionalen
Unterschieden oder im Hinblick auf die unterschiedlichen Altersgruppen zu beachten.
Auch Ingrid Moritz, AK Wien, ging auf Lücken in den Betreuungsmöglichkeiten ein. Im Vergleich mit dem
EU-Schnitt müsste Österreich 1,2 Mrd. € mehr dafür ausgeben, das wäre aus ihrer Sicht auch
gut investiertes Geld. Wahlfreiheit brauche Rechte, so die Expertin der AK, sei es jenes auf Kinderbetreuung, ganztägige
Schulen oder einen Papa-Monat. Fatal wäre es aus ihrer Sicht in der Arbeitsmarktpolitik, wenn Frauen ermutigt
würden, zuhause zu bleiben. Demgegenüber versteht Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ) nicht,
was daran eine Katastrophe sein soll, wenn eine Mutter bei ihren Kindern bleiben will. Es müsse auch möglich
sein, eine gewisse Zeit zuhause zu bleiben und danach Karriere zu machen. Martin Halla, JKU Linz, kann die Forderung
nach einem flächendeckenden Betreuungsangebot nur unterstützen, will aber die Förderung der Kinderentwicklung
voranstellen. Als Alleinerzieherin berichtete schließlich Monika Els von ihren schwierigen Erfahrungen. Sie
sprach sich dafür aus, Unternehmen dabei zu unterstützen, Mütter als wichtige Arbeitskräfte
zu schätzen, und mehr Betreuungsmodelle für unregelmäßige Arbeitszeiten anzubieten.
Aus Sicht von Norbert Sieber (ÖVP) ist Wahlfreiheit ein hohes Gut. Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
habe man etwa mit der letzten Bund-Länder-Vereinbarung Maßnahmen gesetzt. Carmen Schimanek (FPÖ)
geht der geforderte Rechtsanspruch ab der 8. Lebenswoche des Kindes allerdings zu weit. Demgegenüber unterstützen
Birgit Sandler (SPÖ) und Stephanie Cox (JETZT) die Forderung. Claudia Gamon (NEOS) unterstrich, Wahlfreiheit
könne es nur dann geben, wenn ein entsprechendes Kinderbetreuungsangebot vorhanden sei.
Was die Aufgabe der Gemeinden betrifft, sei der von Gamon angesprochene aufgabenorientierte Finanzausgleich ein
wichtiger Punkt, ergänzte die Expertin Moritz. Unterschiedliche Perspektiven erörterten sie und der Experte
Halla zum Wiedereinstieg nach der Karenz. Zum Einwand der FPÖ-Frauensprecherin Schimanek warf die Vertreterin
des Frauenvolksbegehrens Hladky ein, man könne auch darüber sprechen, den Rechtsanspruch erst ab dem
1. Jahr beginnen zu lassen.
Frauenministerin Bogner-Strauß betonte, es gehe darum, in Kinderbetreuungsplätze zu investieren, eben
um Wahlfreiheit zu erreichen – der Rechtsanspruch helfe nicht, wenn es keinen Platz gebe. Bei den 3- bis 6-Jährigen
sei man gut aufgestellt, in allen anderen Altersgruppen würden Plätze gebraucht, die auch sukzessive
geschaffen werden.
Die weiteren Verhandlungen wurden einstimmig vertagt, der zweite Teil des Hearings ist für den 12. März
in Aussicht genommen.
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