Zweite NR-Präsidentin Doris Bures startete Parlamentarischen Dialog – Digitalisierung
und Demokratie
Wien (pk) - "Laut dem Digital News Report 2018 sind in Österreich Internetseiten die Bezugsquelle
Nummer Eins für Nachrichten (76%)", berichtete die Zweite Präsidentin des Nationalrats Doris Bures
bei der Eröffnung der Auftaktveranstaltung des "Parlamentarischen Dialog – Digitalisierung & Demokratie"
am 25. Feber im Parlament.
"Bereits jeder Zweite gibt an, auch soziale Netzwerke als Informationsquelle zu nutzen. Bei traditionellen
Medien entscheidet eine Redaktion, worüber sie in der Zeitung oder in der Nachrichtensendung berichtet. Im
Internet trifft oft der Algorithmus die Entscheidung. Wir können kaum mehr selbst entscheiden, welche Ergebnisse
bei einer Google-Suche oder welche Nachrichten auf Facebook angezeigt werden. Die Entstehung und der Wahrheitsgehalt
einer Nachricht bleiben unbekannt."
Angesichts der Gefahren durch Fake News und Beeinflussung von Wahlverhalten in sozialen Netzwerken sei es ihr ein
großes Anliegen, der heimischen Politik und international renommierten Expertinnen und Experten einen Rahmen
zu bieten, um sich über das Thema auszutauschen.
"Gerade auch mit Blick auf die bevorstehende Europawahl sind das besorgniserregende Entwicklungen: Rund 380
Millionen Menschen sind aufgerufen, sich eine Meinung über die Zukunft Europas zu bilden. Darüber, ob
sich Europa stärker in Richtung einer Solidargemeinschaft entwickelt oder Kleinstaaterei und nationalistische
Eigensucht den Ton angeben. Diese so wichtige Meinungsbildung findet zunehmend im Internet statt. Denn allein die
Möglichkeit, dass global agierende Hacker-Gruppen in der Lage sind, das Wahlverhalten von Menschen zu manipulieren,
stellt das demokratische Zustandekommen eines Wahlergebnisses in Frage. Und solche Zweifel schwächen das Vertrauen
in Demokratien nachhaltig", so Bures.
Weiter: "Liberale Demokratien müssen diese Warnungen ernst nehmen. Denn Demokratie lebt vom fairen Wettstreit
der besten Ideen, Visionen und Transparenz. Und dafür braucht es Spielregeln."
Ebner: Unsere demokratischen Prozesse sind gefährdet
Die Extremismus- und Terrorismusforscherin Julia Ebner vom Londoner Institute for Strategic Dialogue erklärte,
wie extremistische Gruppierungen sich Social Media für die Verbreitung ihrer Ideologien zunutze machen. "Das
Ausmaß von Hass im Netz und die Verbreitung von Falschmeldungen hat uns bei unseren Untersuchungen erschreckt
und unser Ziel war es, diese Daten messbar zu machen", erklärte Julia Ebner. "Wir haben herausgefunden,
dass koordinierte Hasskampagnen von einer kleinen Minderheit im Netz ausgehen. Nur ein Prozent der UserInnen sind
für 25% der Hasskommentare verantwortlich.
Auf mehreren Ebenen hätten die extremistischen Netzwerke derzeit die Nase vorne. Einerseits würden diese
Netzwerke besser die Generation-Z erreichen. Dabei handle es sich um die jüngsten UserInnen, welche teilweise
in die Fänge dieser Netzwerke geraten und oft gar nicht die Hintergründe erkennen. Durch Memes könnten
die extremistischen AkteurInnen auch den oft strengen Filteroptionen der Netzwerke entgehen. (Anmerkung: Memes
entstehen aus Bildern, Videos, Blogs, Texten oder ganzen Webseiten, die sich wie Lauffeuer über das Internet
verbreiten. Dabei handelt es sich in der Regel um aussagekräftige Motive, die mit einem Text kombiniert werden
– und so neue Bedeutungen erhalten.)
"Erschreckend war auch die internationale Vernetzung. Diese Netzwerke sind miteinander eng verbunden und stärken
einander auch laufend. Bei vielen Wahlen in europäischen Staaten wurden diese Netzwerke aktiv und auch im
Vorfeld der EP-Wahlen sehen wir eine extreme Vernetzung. Es werden Tipps gegeben, wie man am besten Hassnachrichten
verbreiten kann", so Ebner.
Die bessere technische Ausrüstung war ebenso Thema wie auch "Doxing" (ist das internetbasierte
Zusammentragen und anschließende Veröffentlichen personenbezogener Daten, zumeist mit bösartigen
Absichten gegenüber den Betroffenen).
Ebner abschließend: "Wir müssen diese Trends sehen und wahrnehmen, und es muss eine politische
Reaktion darauf geben. Unsere demokratischen Prozesse sind gefährdet"
Brodnig: Wer Hass sät, wird Klicks ernten!
Die Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig ging auf Mechanismen der Stimmungsmache ein. "Menschen werden
durch die Nachrichten in den sozialen Netzwerken beunruhigt. Internet kann wie ein Brandbeschleuniger wirken –
bestehende Klüfte werden verstärkt. Es gibt bei diesen Fake News oft einen ganz kleinen realen Kern –
aber dieser wird zerstückelt, verdreht und zerteilt, bis der Inhalt völlig verfälscht ist. Dazu
kommen oft Aufrufe zur Selbstjustiz. Das funktioniert deshalb so gut, weil bestehende Ängste und Hassbilder
aufgegriffen und verbreitet werden. Wer Hass schürt, wird Klicks ernten", schildert Brodnig.
Mitspieler in dieser Kommunikation sei auch der undurchsichtige Algorithmus der Plattformen. Wütend machende
Beiträge bekämen mehr Aufmerksamkeit, der Algorithmus erkenne diese und belohne sozusagen permanent rhetorische
Eskalation, ist Brodnig überzeugt.
Weiter: "Wir wissen, dass bei den US-Wahlen, europäischen Wahlen und auch bei uns in Österreich
bei Wahlen Meinungsmache über diese Plattformen gemacht wird. Wir sollten für politische Werbung auf
Social Media klare Regeln haben und eine strikte Vorgabe des Staates, damit alle Plattformen ähnlich gute
Kriterien erfüllen. Außerdem müssen wir an die Mündigkeit des Bürgers appellieren."
Die Auftaktveranstaltung mit dem Thema "Das radikale Netz: Wie Hate Speech funktioniert und wie man sich dagegen
wehrt" fand im Parlament in der Hofburg statt. Die Journalistin und Digital-Media-Expertin Olivera Stajic
moderierte die Veranstaltung.
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