Entschlüsseltes Quallengenom bietet Einblicke in Ursprung von Generationswechseln
Wien (universität) - Quallen entstammen einer sehr alten tierischen Linie, die sich bereits vor rund
700 Millionen Jahren entwickelt hat. Ihr Genom ist aber bislang noch nicht ausreichend erforscht. In einer Publikation
in der neuesten Ausgabe von Nature Ecology and Evolution konnten französische Gruppen in Kollaboration mit
einem Team um Ulrich Technau vom Department für Molekulare Evolution und Entwicklung der Universität
Wien das Genom der Qualle Clytia hemisphaerica entschlüsseln. Die Sequenz bietet Einblicke in den Generationswechsel
und der Evolution zwischen Polyp und Meduse.
Die meisten Menschen verbinden eher unliebsame und schmerzhafte Begegnungen mit Quallen. Tatsächlich gehören
Vertreter der Würfelquallen in Australien zu den giftigsten Tieren der Erde und ihr Kontakt kann unter ungünstigen
Umständen zum raschen Tod führen. Alle Quallen, wie auch Korallen, Seeanemonen und der Süßwasserpolyp
Hydra gehören zur Klasse der Nesseltiere (Cnidaria), eine evolutionär sehr alte tierische Linie, die
sich bereits vor rund 700 Millionen Jahren abgespalten hat und seitdem unsere Meere bevölkert.
Nicht alle Quallen sind jedoch groß und gefährlich: Die Quallen der Hydrozoen messen meist nicht mehr
als einige Zentimeter und sind für den Menschen harmlos. Zu ihren Vertretern gehört die weitverbreitete
Spezies Clytia hemisphaerica, deren Genom die französischen ForscherInnen um Richard Copley vom CNRS Villefranche,
Genescope und der Sorbonne University in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Ulrich Technau von der Universität
Wien entschlüsselt hat. Die ForscherInnen gingen in ihrer Genomanalyse vor allem der hundert Jahre alten Frage
nach, wie die reproduktiv aktive Qualle aus dem Polyp gebildet wird, ob sie eine unabhängige Neuerfindung
innerhalb einer Gruppe von Nesseltieren ist oder ob sie bei Korallen und Seeanemonen verloren ging.
"Überraschenderweise fanden wir kein quallenspezifisches Genrepertoire, sondern eine Kombination von
neuen und alten, das heißt konservierten Genen, die die Quallenbildung kontrolliert", so Technau. Der
Vergleich mit anderen Arten zeigt aber, dass Nesseltier-Arten ohne Quallen bestimmte gen-regulatorische Faktoren
verloren haben, die eine Rolle in der Quallenbildung spielen. Gegenüber den Korallen und Seeanemonen hingegen
hat Clytia jedoch wiederum jene Gene verloren, die den Seeanemonen eine zweite Körperachse geben.
Die AutorInnen folgern daraus, dass die Qualle keine unabhängige Neuentwicklung war, sondern bei ihrer Evolution
auf viele Gene zurückgegriffen und neu kombiniert hat, die man auch bei anderen Tieren einschließlich
dem Menschen findet. "Andererseits ist der relativ einfache radiärsymmetrische Zustand der Quallen keine
ursprüngliche Einfachheit, sondern sekundär durch den Verlust von Bilateralitätsgenen verursacht",
erklärt der Biologe. Die Evolution "strebt" folglich nicht immer nach höherer Komplexität,
sondern führt auch gelegentlich zu Vereinfachungen.
Publikation in Nature Ecology & Evolution
"The genome of the jellyfish Clytia hemisphaerica and the evolution
of the cnidarian life-cycle" by Leclère et al. 2019 https://doi.org/10.10.38/s41559-019-0833-2
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