75 Jahre nach der Beschlagnahmung durch die Nationalsozialisten findet nun die Rückgabe
des Originalrahmens zum Gemälde „Blick ins Tobel“ von Kirchner, 1919, an die Kunsthalle Bielefeld statt.
Bielefelst/Innsbruck (tlm) - 75 Jahre nach der Beschlagnahmung als „entartet“ klassifizierter Kunst im Nationalsozialismus
gibt es in österreichischen Museen immer noch Gegenstände, deren Herkunft nicht eindeutig geklärt
ist. So wurden auch im Zuge der Übersiedelung des Depots der Tiroler Landesmuseen 2017/2018 Bilderrahmen aus
der „Sammlung Fohn“ entdeckt. Ein solcher Bilderrahmen, der derzeit in der Sonderausstellung „Zwischen Ideologie,
Anpassung und Verfolgung“ im Ferdinandeum ausgestellt ist, wird nun – als symbolischer Akt – an die Kunsthalle
Bielefeld retourniert. Damit werden Bild und Rahmen wieder zusammengeführt.
Der Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 wirkte sich auch auf
den Kunstbetrieb gravierend aus. Damit waren nur noch jene Künstler und Künstlerinnen zum offiziellen
Kunstbetrieb zugelassen, die einen „Ariernachweis“ erbringen konnten, als „politisch zuverlässig“ galten und
„arteigene“ Kunst produzierten. Alle anderen Künstler und Künstlerinnen – die Avantgarde, Juden, Sozialisten,
Andersdenkende – erhielten somit de facto Berufsverbot, wurden künstlerisch isoliert, vertrieben oder ermordet;
ihre Werke wurden als „Entartete Kunst“ klassifiziert, verboten und beschlagnahmt.
Die „Sammlung Fohn“ und „Entartete Kunst“
Das aus München und Klagenfurt stammende Künstler- und Sammlerpaar Sofie und Emanuel Fohn verfügte
bereits in den 1930er-Jahren über eine Sammlung mit Werken des 18. und 19. Jahrhunderts. Nach der Beschlagnahmung
von als „Entarteter Kunst“ klassifizierten Werken durch das nationalsozialistische Regime im Deutschen Reich gelang
es dem Ehepaar im Jahr 1939, etwa 450 Werke der „Entarteten Kunst“ auf dem Tauschweg für 25 Werke „deutsch-römischer
Künstler“ vom damaligen „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ zu erwerben. Dabei
handelte es sich fast ausschließlich um Kunstwerke der klassischen Moderne, darunter hauptsächlich Grafiken
aus deutschen Museen, die in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt und in der Folge „verwertet“
werden sollten. In der von Sofie und Emanuel Fohn übernommenen Sammlung befanden sich Hauptwerke von Oskar
Kokoschka , Max Beckmann, Karl Hofer, Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Paul Klee und Franz Marc.
Das Künstlerpaar gehörte damit zu den wenigen Privatpersonen, die Werke der „Entarteten Kunst“ aus deutschen
Museen in Besitz nehmen konnten. Während der Großteil der beschlagnahmten Werke über dazu ermächtige
Kunsthändler und Galerien ins Ausland verkauft wurde, ließen Sofie und Emanuel Fohn ihre Werke in diverse
Museumdepots in die Schweiz und nach Österreich bringen, darunter auch in jenes des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum.
In Hinterzimmern der Depots konnten die Kunstwerke so, in Kisten verpackt und meist aus ihren Rahmen genommen,
die Zeit des Nationalsozialismus unbeschadet überdauern.
Die „Sammlung Fohn“ im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Im Dezember 1943 übergab das Ehepaar Fohn, das 1943 München verließ und nach Südtirol
zog, drei Kisten an den damaligen Direktor des Landesmuseums zur Aufbewahrung, u.a. mit Werken von Oskar Kokoschka,
Eduard Munch, Anselm Feuerbach oder Max Beckmann. Weitere fünf Kisten mit Ölbildern, Aquarellen und
Grafiken ohne Namensnennung sowie fünf Kisten mit leeren Rahmen wurden dem Museum nach dem Krieg „in Obhut“
übergeben. Nachdem zwischen 1954 und 1962 diese Kisten von der Familie Fohn abgeholt wurden, verblieben noch
diverse antike und moderne Rahmen im Ferdinandeum.
„Blick ins Tobel“ – Bild ohne Rahmen
In einer der abgeholten Kisten befand sich vermutlich auch das aus dem Rahmen genommene Bild „Blick ins Tobel“,
1919, von Ernst Ludwig Kirchner. Fast 75 Jahre später – bei der Übersiedelung der gesamten Depotbestände
der Tiroler Landesmuseen in das neu errichtete Sammlung- und Forschungszentrum in Hall in Tirol in den Jahren 2017
und 2018 – ist das Team der Tiroler Landesmuseen wieder auf den zurückgelassenen Rahmen gestoßen. „Nur
durch ein damals nicht vollständig entferntes Klebetikett, konnten wir den Rahmen dem Bild zuordnen. Das ist
schon ein großer Zufall“ erklärt Direktor PD Dr. Wolfgang Meighörner. Das Werk Kirchners, das sich
ehemals in der Nationalgalerie in Berlin befunden hatte, gehört heute zum rechtmäßigen Bestand
der Kunsthalle Bielefeld.
Rückgabe des Rahmens an die Kunsthalle Bielefeld
Als Bestandteil der Aufarbeitung und Dokumentation der Geschichte des Ferdinandeum während der Jahre 1938
bis 1945 bildete dieser Rahmen ein anschauliches Objekt in der Ausstellung „Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung.
Kunst und Nationalsozialismus in Tirol“. Nach Ende der Ausstellung wird der Rahmen nun in einem symbolischen Akt
an die Kunsthalle Bielefeld übergeben. Das Gemälde und sein ursprünglicher Originalrahmen werden
damit wieder zusammengeführt.
Der Originalrahmen und eine Reproduktion des Bildes können noch bis 7. April in der Sonderausstellung „Zwischen
Ideologie, Anpassung und Verfolgung. Kunst und Nationalsozialismus in Tirol“ im Ferdinandeum besichtigt werden.
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