Außenministerin Kneissl legt Bericht über Pläne der EU für 2019 vor
Wien (pk) - Die Bewältigung irregulärer Migrationsströme zählt weiterhin zu den wichtigsten
Herausforderungen Europas. Österreich unterstützt die Ansätze der Kommission, legt aber besonderen
Wert darauf, die Schwerpunktsetzungen gegenüber den Ländern an der östlichen Mittelmeer- und Balkanroute
mit gleichem Nachdruck zu verfolgen wie gegenüber jenen in Afrika, heißt es im EU-Arbeitsprogramm für
2019 (III-251 d.B.), das Außenministerin Karin Kneissl dem Nationalrat vorgelegt hat. In der EU wird demnach
2019 u.a. an einem "effektiven und nachhaltigen System zur Migrationssteuerung", an der Reform des Gemeinsamen
Europäischen Asylsystems und an einem Ausbau des EU-Außengrenzschutzes weitergearbeitet.
Hinsichtlich einer Eindämmung irregulärer Ankünfte und Rückführungen bleibt Libyen eines
der Schlüsselländer. Geht es nach dem Außenressort, sollten die in der Malta-Deklaration beschlossenen
Maßnahmen, um Menschen an der Flucht aus Libyen nach Europa zu stoppen, ausgebaut sowie mit den übrigen
nordafrikanischen Ländern weitere Abkommen und Aktionspläne angestrebt werden. Ziele des Engagements
der EU in Libyen sind dem Bericht zufolge die politische Stabilisierung des Landes, eine Verbesserung der humanitären
Lage und der Aufbau staatlicher Institutionen.
Mit den Staaten Westafrikas, der Sahel- und Tschadregion sowie den Staaten des Horns von Afrika sowie mit Äthiopien,
Mali, Niger und Senegal sollten nach Meinung der Außenministerin zudem Migrationskooperationen geschaffen
werden. Für eine weitere Eindämmung der irregulären Migration auf den Routen des östlichen
Mittelmeers und des Balkans müssten die Staaten des Balkans, des Nahen und Mittleren Ostens sowie Mittelasiens
in die Bekämpfung von Schlepperei und Menschenhandel miteinbezogen werden. Dazu seien etwa Verbesserungen
beim Grenzschutz oder der Ausbau der dortigen Asylsysteme notwendig.
Den Druck auf Drittstaaten, die bei der Rückübernahme von illegalen MigrantInnen in ihre Heimat nicht
mit EU-Mitgliedsländern zusammenarbeiten, will die EU mit einer Neuauflage des sogenannten Visakodex erhöhen.
Neu aufgestellt soll außerdem auch das Visa-Informationssystem (VIS) werden. Künftig sollen demnach
auch nationale Visa zentral im EU-System erfasst sein und Zugriffsrechte neu geregelt werden, um Abfragen "aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit" an allen Grenzen möglich zu machen.
Auf grenzüberschreitenden Zugang der Strafverfolgungsbehörden zu elektronischen Beweismitteln und Finanzdaten
will die EU zudem im Hinblick auf die Verwirklichung der Sicherheitsunion setzen. Darüber hinaus sollen die
europäischen Informationssysteme für Sicherheit, Migration und Grenzmanagement besser verknüpft
und das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) verbessert werden. Im Kampf gegen den Terrorismus
plant die EU außerdem Rechtsvorschriften zur Verhinderung von Radikalisierung im Netz, das Mandat der europäischen
Staatsanwaltschaft soll ferner auf die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Terrorismus ausgebaut werden.
Heranführung Südosteuropas an die EU
Außen- und europapolitische Priorität bleibt für Österreich auch nach dem EU-Ratsvorsitz die
Heranführung Südosteuropas an die EU. Das Gelegenheitsfenster vor Mandatsende der Europäischen Kommission
mit den Wahlen zum Europäischen Parlament soll genutzt werden, um den EU-Fokus weiterhin auf die Region Südosteuropas
zu richten und "irreversible Fortschritte" im Erweiterungsprozess zu bewirken, so die Positionierung
des Außenressorts. Geht es um die Beitrittsverhandlungen mit Montenegro, will sich Österreich dafür
einsetzen, das letzte Kapitel zu öffnen und bereits in Verhandlung stehende Kapitel provisorisch zu schließen.
Zeigt Serbien Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, sollen auch mit diesem Beitrittskandidaten weitere
Verhandlungskapitel eröffnet werden, Knackpunkt für die Verhandlungen bleibt der Dialog zwischen Belgrad
und Pristina. Mit Nordmazedonien bzw. Albanien könnten nach dem Durchbruch in der Namensfrage mit Griechenland
bzw. unter der Voraussetzung weiterer Reformen etwa in Sachen Rechtsstaatlichkeit mit beiden Ländern die mit
Juni 2019 in Aussicht gestellten Beitrittsverhandlungen offiziell eröffnet werden.
EU-Beitritt der Türkei: Österreich gegen "Verhandlungsfiktion"
Nach den jüngsten Rückschritten der Türkei in Sachen Rechtstaatlichkeit, Grundrechte und freie Meinungsäußerung
gelten die EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land am Bosporus zwar nicht formell, aber de facto ausgesetzt. Laut
Bericht wird Österreich auch weiterhin in der EU Verbündete für einen endgültigen Abbruch der
Beitrittsverhandlungen zu Gunsten eines europäisch-türkischen Nachbarschaftskonzepts suchen. Die Mehrheit
der Mitgliedsstaaten werde aufgrund strategischer Prioritäten und wirtschaftlicher Interessen jedoch weiterhin
an der "Verhandlungsfiktion" festhalten, wie das Außenressort prognostiziert.
Strategischer Partner der EU soll "trotz Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Sachfragen" auch weiterhin
die USA bleiben. So soll die Zusammenarbeit fortgesetzt werden, um gemeinsame Fortschritte bei der Bewältigung
globaler und regionaler Herausforderungen erzielen zu können, wie im Arbeitsprogramm steht.
Gegenüber Russland werden die als Reaktion auf die illegale Annexion der Krim verhängten restriktiven
Wirtschaftsmaßnahmen bis Ende Juli aufrecht bleiben, eine Evaluierung der Situation wird im Frühsommer
erfolgen. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, ist Österreich hinsichtlich der Wirtschaftssanktionen "offen
für mehr Flexibilität", sichtbare Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen und
ein einheitliches Vorgehen der EU vorausgesetzt. Den Dialog zwischen der EU und Russland will Kneissl auch 2019
unterstützen.
Dem Nationalrat übermittelt wurde außerdem ein entsprechender Bericht des Verteidigungsministeriums
über das Arbeitsprogramm der EU für 2019 auf dem Gebiet der europäischen Verteidigungspolitik (III-246
d.B.), die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik (GSVP) erfolgt.
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