Investitionen, Strukturreformen und Stabilität im Fokus der EU
Wien (pk) – Die wichtigsten aktuellen Themenbereiche auf ECOFIN-Ebene betreffen die Förderung von Beschäftigung,
Investitionen und inklusivem Wachstum, die Umsetzung des EU-Semesters, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion,
die Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion sowie die Bekämpfung der Steuerumgehung und Steuervermeidung,
speziell im Bereich digitale Wirtschaft.
Über die österreichische Position zu den diesjährigen Vorhaben des Rates und der Europäischen
Kommission berichtet Finanzminister Hartwig Löger (III-259 d.B.). In die EU-Jahresvorschau des Ressorts wurden
auch die jüngsten Ergebnisse des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) im Jänner 2019 eingearbeitet.
Eine Einigung zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 ist für Herbst 2019 in Aussicht gestellt. Wenngleich
dessen Verhandlungen in die Zuständigkeit des Rates für Äußere Angelegenheiten fallen, ist
auch das Finanzministerium um die Reform der EU-Finanzen bemüht.
Wirtschaft wächst schwächer als im Vorjahr
Die Wirtschaft wird 2018 in der Euro-Zone mit 2,1% und in der EU-27 mit 2,2% etwas schwächer wachsen als im
Jahr davor – davon geht die Europäische Kommission aus. Für 2019 wird ein weiterer Rückgang von
1,9% in der Euro-Zone bzw. von 2,0% in der EU-27 prognostiziert. Die Arbeitslosigkeit wird 2019 in der Euro-Zone
voraussichtlich auf 7,9% und auf 7,0% in der EU-27 sinken.
Die wesentlichen wirtschaftspolitischen Herausforderungen für 2019 betreffen laut Jahreswachstumsbericht die
Förderung von Investitionen, die Umsetzung von Strukturreformen sowie die Sicherstellung stabilitätsorientierter
Finanzen. Um die Investitionstätigkeit in den Mitgliedstaaten zu unterstützen, schlägt die Kommission
das Programm "InvestEU" vor, das als Nachfolgeprogramm zum Europäischen Fonds für strategische
Investitionen (EFSI) Investitionen von rund 650 Mrd. € auslösen soll. Öffentliche wie auch private Investitionen
sollten Hand in Hand mit Strukturreformen gehen. Dabei sollte der Fokus laut Kommission insbesondere auf Produktions-
und Wachstumssteigerung, Aktivierung und soziale Inklusion sowie institutionelle Qualität und Rechtsstaatlichkeit
liegen.
Beim Abbau makroökonomischer Ungleichgewichte hat es laut Frühwarnbericht deutliche Fortschritte gegeben,
wenngleich in mehreren Mitgliedstaaten weiterhin erhebliche Risiken bestehen. Österreich ist nicht für
eine vertiefte Analyse vorgesehen, wird aber erneut wegen Anzeichen für eine gewisse Überhitzung des
Immobilienmarktes genannt.
Die Schlussfolgerungen zum Jahreswachstumsbericht sowie zum Frühwarnbericht der Kommission wurden beim ECOFIN-Rat
im Jänner 2019 angenommen. Finanzminister Löger unterstützt die Schwerpunkte, insbesondere den Ansatz,
in allen Bereichen (Investitionen, Strukturreformen, Budgetkonsolidierung) gleichzeitig Maßnahmen zu setzen.
Auch dem Vorschlag zum Programm "InvestEU" steht er grundsätzlich positiv gegenüber.
Die Einführung und Weiterentwicklung des Europäischen Semesters habe sich aus Sicht des Finanzministeriums
bewährt, weil damit die verschiedenen Verfahren und Instrumente im Rahmen der EU 2020 Strategie stärker
zusammengeführt worden sind. Damit sieht der Finanzminister auch die Voraussetzungen für eine kohärentere
Wirtschafts- und Budgetpolitik verbessert.
Makroökonomische Stabilität verbessert sich leicht
Viele Mitgliedstaaten haben ihre Schulden verringert, mehrere weisen aber weiterhin hohe Schuldenstände auf.
Gegenüber 2018 soll das nominelle Budgetdefizit 2019 in der Euro-Zone auf 0,8% geringfügig steigen. Die
Europäische Kommission rechnet mit einer Verringerung der öffentlichen Gesamtverschuldung auf knapp unter
85% in diesem Jahr. Vier Länder (Spanien, Portugal, Irland und Zypern) unterliegen seit Abschluss ihrer Unterstützungsprogramme
der Post-Programm-Überwachung, zu Italien ist vorerst kein Verfahren wegen eines übermäßigen
Defizits eingeleitet worden. In Bezug auf Griechenland hat sich die Euro-Gruppe auf schuldenerleichternde Maßnahmen
geeinigt.
Das Finanzministerium tritt für eine konsequente Anwendung der EU-Fiskalregeln von allen Mitgliedstaaten ein.
Die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollten vor allem von Mitgliedstaaten mit hohen Verschuldungsquoten
genutzt werden. Griechenland sollte laut österreichischer Position nur dann schuldenerleichternde Maßnahmen
umsetzen, wenn die entsprechenden wirtschafts- und finanzpolitischen Vorgaben erfüllt sind.
Österreich steht Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion offen gegenüber
Bis Ende 2019 sollten laut Europäischer Kommission in Hinblick auf die Vollendung der Bankenunion und die
Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) einige Projekte umgesetzt werden. Die
Effizienz der vorsorglichen Instrumente des Europäischen Stabilitätsmechanismus soll verbessert und die
Rolle des ESM bei der Krisenvorsorge und Krisenbewältigung gestärkt werden.
Die Reformen des ESM werden seitens des Finanzministeriums grundsätzlich unterstützt, insbesondere die
Nutzung als Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus sowie seine Stärkung bei der
Ausgestaltung und Prüfung von Finanzhilfeprogrammen.
Die weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion ist regelmäßiger Gegenstand von Beratungen
auf EU-Ebene. Die Legislativvorschläge der Kommission zur Konkretisierung der Instrumente im EU-Budget zielen
auf eine europäische Investitionsstabilisierungsfazilität ab.
Das Finanzministerium steht den Überlegungen grundsätzlich offen gegenüber. Der Fokus sollte dabei
aber vor allem auf der Umsetzung des bereits bestehenden Regelwerks liegen und weniger auf der Schaffung neuer
Instrumente. Der Einführung neuer Budgetinstrumente steht der Finanzminister eher skeptisch gegenüber,
vor allem, wenn diese nicht mit verstärkten Konditionalitäten verknüpft werden.
Banken- und Kapitalmarktunion: Beginn der Verhandlungen zu Europäischer Einlagensicherung voraussichtlich
Juni 2019
Um die Stabilität der Finanz- und Kapitalmärkte zu stärken und die wechselseitigen Abhängigkeiten
zwischen dem Bankensektor und den öffentlichen Finanzen zu durchbrechen, hat die EU innerhalb der letzten
Jahre eine umfassende Reform bei der Regulierung und Aufsicht im Bankensektor durchgeführt. Ein zentrales
Element der Bankenunion ist die Errichtung einer Europäische Einlagensicherung (EDIS). An einer Road-Map wird
gearbeitet, die bis Juni 2019 für den Beginn politischer Verhandlungen vorgelegt werden soll. Seitens Österreich
gibt es dafür Unterstützung, sofern die Vermeidung von "Moral Hazard" möglichst sichergestellt
werden kann.
Das System der Europäischen Aufsichtsbehörden funktioniert laut Finanzministerium gut, eine von der Kommission
vorgeschlagene Stärkung der Behörden sei nicht erforderlich. Dass der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde
(EBA) umfassende Zuständigkeiten bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingeräumt
werden sollen, erachtet das Finanzressort allerdings als äußerst wichtig. Aufgrund politischer Dringlichkeit
sollten die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament laut österreichischer Position rasch abgeschlossen
werden.
Grundsätzlich tritt das Finanzministerium für die Beseitigung von "Altlasten" sowie für
Maßnahmen zur Risikoverringerung ein, bevor weitere Elemente zur Risikoteilung bzw. Solidaritätsmechanismen
beschlossen werden.
Die österreichische Position zur Errichtung einer Kapitalmarktunion ist durchaus positiv. Befürwortet
wird etwa der Kommissionsvorschlag über zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister "EMIR-Refit"
sowie die damit verknüpfte Stärkung des Proportionalitätsgrundsatzes oder auch "EMIR Supervision",
wodurch strengere aufsichtsrechtliche Anforderungen für systemrelevante zentrale Gegenparteien aus Drittstaaten
eingeführt wurden. Allerdings weist das Finanzministerium im Bericht über die EU-Jahresvorschau 2019
darauf hin, dass kapitalmarktbasierte Instrumente die traditionelle Bankenfinanzierung nicht ersetzen, sondern
allenfalls ergänzen können.
Digitale Wirtschaft stellt EU vor große Herausforderungen bei Steuerfragen
Die zentralen Themen in Bezug auf die Steuerfragen auf EU-Ebene im Jahr 2019 sind die Besteuerung der digitalen
Wirtschaft, die Einführung einer gemeinsamen Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage und die Reform des
Mehrwertsteuersystems. In all diesen Bereichen gilt es, die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zu vertiefen.
Eine der großen Herausforderungen der Steuerpolitik ist die digitale Wirtschaft. Der Vorschlag der Einführung
einer temporären Steuer auf digitale Umsätze ("Digital Services Tax" - DST) war eine der Prioritäten
des österreichischen Ratsvorsitzes des vergangenen zweiten Halbjahres 2018 und als kurzfristige Lösung
gedacht, um etwa Online-Werbeeinnahmen zu besteuern. Langfristig sollten die Körperschaftssteuerregeln nach
Ansicht der Europäischen Kommission dahingehend geändert werden, dass Unternehmen auch aufgrund einer
digitalen Präsenz und nicht nur aufgrund einer physischen Präsenz besteuert werden können. Das Finanzministerium
tritt weiterhin für die Einführung einer kurzfristigen Steuer mit breitem Anwendungsbereich auf Basis
digitaler Umsätze ein, damit Unternehmen die Steuer nicht durch Änderungen der Geschäftsmodelle
zu umgehen versuchen. Eine gemeinsame Lösung der Besteuerung der digitalen Wirtschaft ist erst 2020 zu erwarten.
Österreich sieht neue Vorschläge für KöSt-Bemessungsgrundlage positiv
Die neuen Vorschläge zur Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage
(GKKB) werden von Österreich begrüßt und als wichtiges Element bei der Bekämpfung der Steuerumgehung
und –vermeidung sowie zur Stärkung des Binnenmarkts erachtet. Durch die Richtlinien sollen künftig alle
Unternehmen, die Teil einer konsolidierten Gruppe mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mio. € sind, bei der
Berechnung der Bemessungsgrundlage zwingend den einheitlichen Regeln unterliegen, für kleine Unternehmen soll
die Anwendung der Richtlinie optional erfolgen.
Auch die geplante Reform des Mehrwertsteuersystems wird vom Finanzminister unterstützt, insbesondere das Ziel
einfacherer und weniger betrugsanfälligerer Regeln. Ablehnend steht Löger dem Vorschlag zur Flexibilisierung
der Steuersätze gegenüber, dieser würde die Komplexität des Systems erhöhen und zu Marktverzerrungen
führen.
Einigung zu mehrjährigem Finanzrahmen bis Herbst 2019
Im Herbst 2019 soll eine Einigung über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2021 bis
2027 erzielt werden. Der im Mai 2018 vorgelegte Vorschlag der Europäischen Kommission sieht für die Periode
Ausgaben (Verpflichtungsermächtigungen) in Höhe von 1.279 Mrd. € oder 1,11% des Bruttonationaleinkommens
vor (verglichen mit 1,03% in der Periode 2014-2020). Eine Fokussierung ist für die Bereiche europäische
Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Migration und Außengrenzschutz, Förderung von Forschung, Innovation
und Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sowie Nutzung des Potentials im Zuge der Digitalisierung vorgesehen.
Für Österreich als Nettozahler hat die Reform der EU-Finanzen eine besonders hohe Priorität. Ziel
müsse es sein, dass ein Anstieg des Budgetvolumens, gemessen am gemeinschaftlichen Bruttonationaleinkommen,
vermieden wird. Die vorgeschlagene Fokussierung wird unterstützt. Neben einer Erhöhung der Eigenmittelobergrenze
schlägt die Kommission aber auch das Auslaufen aller Rabatte und eine Reform der mehrwertsteuerabhängigen
Eigenmittel vor. Das Finanzministerium tritt für eine Abschaffung der von der Mehrwertsteuer abhängigen
Eigenmittel ein.
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