Expertinnen und Experten erarbeiten Strategien zum Schutz gewaltbetroffener Frauen
Wien (pk) - Die internationale Fachtagung mit dem Titel "Das Recht auf ein Leben frei von Gewalt! Stärkung,
Unterstützung und Schutz für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Österreich und Europa"
wurde am 5. März im Parlament eröffnet. Anlässlich des mehr als 20-jährigen Bestehens der Wiener
Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie lud Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures gemeinsam mit
der Einrichtung internationale Expertinnen und Experten, politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger
sowie ein interessiertes Fachpublikum zu einer zweitätigen Fachkonferenz, um auf die Arbeit österreichischer
Interventionsstellen und Gewaltschutzzentren seit Einführung des Gewaltschutzgesetzes 1997 zurückzublicken
und auch neue Strategien zu aktuellen Handlungsfeldern zu erarbeiten.
Das Thema Gewaltschutz habe in Österreich wegen der sechs jüngsten Frauenmorde – allesamt Beziehungstaten
- traurige Aktualität, betonte die Zweite Nationalratspräsidentin. Gerade weil Österreich beim Thema
Gewaltschutz eine Vorreiterrolle einnehme, müsse man intensiv diskutieren, warum manche Frauen die Familie
nicht als sicheren Ort wahrnehmen können, so Bures. Die von ihr einberufenen parlamentarischen Dialoge hätten
gezeigt, dass es für Betroffene Stärkung und Ermutigung braucht, um aus dem gewalttätigen Umfeld
auszubrechen. Existenzsichernde Maßnahmen, psychosoziale Prozessbegleitung, präventives Entgegenwirken
seien ebenso von Expertinnen und Experten erarbeitete Lösungsansätze wie opferorientierte Täterarbeit,
höhere Verurteilungsraten sowie eine spezifische Ausbildung für Richterinnen und Richter. Um Frauen adäquat
helfen zu können, sollte man konkrete Maßnahmen in überparteilicher Anstrengung umsetzen, meinte
sie. "Denn die besten Lösungen kommen mit einem Schulterschluss über alle ideologischen Grenzen
hinweg zustande", sagte Bures.
Auch die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Juliane Bogner-Strauß betonte die Bedeutsamkeit
einer ideologiefreien Zusammenarbeit. "Oft ist es nicht einfach, aus einer Gewaltspirale auszubrechen, daher
müssen wir den betroffenen Frauen den Rücken stärken, ihnen Mut zusprechen und über die Parteigrenzen
hinweg unterstützen", so die Ministerin. Die Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle
gegen Gewalt in der Familie Rosa Logar präsentierte im Zuge der Eröffnung einen Kurzfilm, der die Lebensrealitäten
betroffener Frauen veranschaulicht, die sich an die Interventionsstelle gewandt haben.
Die Wiener Interventionsstelle nahm ihre Arbeit im Jahr 1998 auf, als zentrale Maßnahme des damals neu in
Kraft getretenen Gewaltschutzgesetzes. Seitdem wurden rund 90.000 Opfer bei Gewaltsituationen beraten und unterstützt.
Allein im Jahr 2018 waren es 5.800 akute Gewaltvorfälle, was etwa 16 Gewalttaten an Frauen und Kindern pro
Tag bedeutet. Die Dunkelziffer ist allerdings hoch, nur etwa jede zehnte Gewalttat wird auch angezeigt.
An der Tagung nehmen unter anderem UN-Sonderberichterstatterin Dubravka Simonovic, die Leiterin der Abteilung für
Menschenrechte im Europarat, Daniele Cangemi, Therese Murphy vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen
sowie Vertreterinnen und Vertreter der Polizei, verschiedener NGOs und aller Parlamentsparteien teil. In vielfältigen
Paneldiskussionen und Vorträgen findet ein Erfahrungsaustausch statt, unter anderem zur Rolle der Frauenberatungseinrichtungen
in der Gewaltbekämpfung, zur Verpflichtung des Staats zum Opferschutz sowie über den Beitrag europäischer
Institutionen zum Recht von Frauen und Kindern auf ein Leben ohne Gewalt.
Abgehalten werden auch Workshops, in denen Lösungsvorschläge zu aktuellen Handlungs- und Problemfeldern
erarbeitet werden sollen, etwa zu Gewalt und Hass gegen Frauen im Netz, zu Gewaltschutz im Kontext von Migration
und Flucht oder zum Thema Empowerment für betroffene Frauen. Ein Polit-Talk mit Abgeordneten des Europäischen
Parlaments stellt sich der Frage, was man von der Europapolitik betreffend die Beendigung von Gewalt an Frauen
erwarten kann. In einem weiteren Polit-Talk diskutieren die Frauensprecherinnen der im Nationalrat vertretenen
Parteien über die Rolle des Parlaments in Bezug auf die Umsetzung der Istanbul-Konvention und des GREVIO-Berichts
zur Hilfe und Unterstützung von Opfern von Gewalt.
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