Justizminister Moser für Koppelung von EU-Fördergeldern an Gewährleistung von
Rechtsstaatlichkeit in Mitgliedsländern
Brüssel/Wien (pk) - Die justizielle Zusammenarbeit in der EU beschäftigte am 14. März
den Bundesrat in seiner Aktuellen Stunde mit Bundesminister Josef Moser. Rechtsstaatlichkeit sei ein Grundpfeiler
der EU, so der Ressortchef für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Im Debattentitel wurde bereits
ersichtlich, worauf es dem Justizminister in seiner Europapolitik ankommt, nämlich auf eine "Stärkung
des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung für eine gut funktionierende Justiz und ein starkes Europa".
Nur wenn die Bevölkerung in eine unabhängige, faire Justiz vertraue, könnten Gesellschaft und Wirtschaft
prosperieren. Falls nötig, wäre die Koppelung von EU-Geldern an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipen
zu überlegen, regte Moser an.
Von den BundesrätInnen gab es fraktionsübergreifend Zustimmung, Rechtsstaatlichkeit und das Vertrauen
darauf müssten in der EU gewährleistet sein. Mehr Kontroversen brachen in der Debatte zum Thema Sicherungshaft
für Asylwerbende aus, in der SPÖ und Grüne einen Angriff auf die Menschenrechte sehen. Moser versicherte,
der Schutz der Menschenrechte habe für ihn als Justizminister oberste Priorität. Sämtliche Gesetzesvorschläge
orientierten sich daran.
Moser: EU-Hilfen an Rechtsstaatlichkeit knüpfen
Ziel der justiziellen Zusammenarbeit in der EU ist der Aufbau eines "Raums der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts". Demnach sollen UnionsbürgerInnen in allen EU-Ländern juristische Hilfe erhalten, die
grenzüberschreitende Verbrechensbekämpfung soll unionsweit vorangetrieben werden und die EU-Länder
haben nationalstaatliche Gerichtsurteile untereinander anzuerkennen.
Rechtsstaatlichkeit sei ein Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie und einer der zentralen Werte der EU,
betonte Justizminister Moser. "Ohne die Einhaltung gemeinsamer Werte kann es kein Vertrauen in andere Rechtssysteme
geben", wie es nicht zuletzt für die Anerkennung von Gerichtsentscheidungen anderer EU-Länder nötig
sei. Zwar hätten Ereignisse der letzten Jahren in einigen EU-Mitgliedstaaten nicht zum Vertrauensaufbau beigetragen,
spielte er auf die EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Polen und Ungarn sowie auf die Situation in Rumänien an.
Doch würden auch diese Länder sich auf EU-Ebene am "konstruktiven Dialog", angestoßen
von Europäischer Kommission und Rat, beteiligen, wies Moser auf erfolgreiche Verhandlungen über die seit
längerem geplante "Haft in der Heimat" hin. Dadurch sollten in einem anderen Land verurteilte EU-BürgerInnen
ihre Haft im Heimatland verbüßen. Zur Sicherung einer unabhängigen Justiz und fairer Verfahren
in den EU-Mitgliedstaaten sei auch vorstellbar, die Gewährung von EU-Finanzmitteln an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit
zu koppeln, so Moser. Immerhin seien rechtsstaatliche Verfahren die Voraussetzung für die justizielle Zusammenarbeit,
umriss er am Beispiel des Europäischen Haftbefehls.
Während der Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 habe Österreich aus diesem Grund Rechtsstaatlichkeit
als Basis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Entwicklung in der EU als Schwerpunkt
gesetzt, erinnerte der Justizminister, und dieses Thema auch bei Treffen mit den Staaten des Westbalkans erörtert.
"Wenn wir Europa als Friedensprojekt stärken wollen, müssen wir die Rechtsstaatlichkeit über
die Grenzen hinweg stärken." So wolle man elektronische Beweisakte auch aus dem EU-Ausland zugänglich
machen. "Die Justiz als dritte Säule wird sich nie außerhalb der Menschenrechte bewegen",
ging Moser schließlich auf die Diskussion über die vom Innenministerium angeregte Sicherungshaft für
gewalttätige Asylwerbende ein. Demnächst wolle er einen Vorschlag für die dafür nötige
Verfassungsänderung präsentieren, der in "vollem Einklang" mit den Menschenrechten sowie dem
EU-Recht stehe. Die Justiz habe die Aufgabe, Sicherheit zu schaffen und nicht Unsicherheit zu schüren, das
sehe auch der Koalitionspartner FPÖ so.
ÖVP: EU-Justizagenda wichtig für europäische Integration
Die EU-Justizpolitik sei für die europäische Integration in den letzten Jahren immer bedeutender geworden,
umriss für die ÖVP der Vorarlberger Magnus Brunner die justizielle Zusammenarbeit, etwa zum Schutz vor
Diskriminierung und für gesicherten Zugang zur Justiz. Zentral sei das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten.
Durch einen "Brückenschlag" zwischen den vielfältigen Rechtssystemen der Nationalstaaten habe
Minister Moser während Österreichs Ratsvorsitz diese Vertrauensbasis gestärkt, wovon auch der wirtschaftliche
Zusammenhalt im Binnenmarkt profitiere, Stichwort Rechtsicherheit. Vor allem durch den Vertrag von Lissabon habe
die EU-Justizagenda mehr Gewicht erhalten, verwies er auf den angestrebten europäischen Rechtsraum, der allen
BürgerInnen zugutekomme. In Hinblick auf die kommende Wahl zum EU-Parlament in Mai appellierte Brunner, den
Nutzen der Union für jede und jeden Einzelnen noch mehr hervorzuheben und dadurch dem Vertrauensverlust in
die EU beizukommen.
Als Vorsitzender des EU-Ausschusses wies Christian Buchmann (ÖVP/St) auch auf die enge Verbindung der Europäischen
Union mit Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit hin und würdigte den Ratsvorsitz unter Minister
Moser, der die Stärkung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in den Mittelpunkt gestellt
habe. Nicht zuletzt im Kampf gegen Geldwäsche trage die Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit in der
EU Früchte. Die geplante Aufstockung des Justizbudgets im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der
EU sei fraglos zu begrüßen. Großes Augenmerk schenkte Buchmann überdies der rechtsstaatlichen
Entwicklung im Westbalkan.
SPÖ: Menschenrechte in Europa schützen
"Europa schützt", betonte Stefan Schennach (SPÖ/W) mit Verweis auf den Aufbau des gemeinsamen
Rechtsraums der EU und sprach sich dabei klar für die Installierung eines Europäischen Staatsanwalts
aus. Neben der Realisierung der justiziellen Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Strafrechtsbehörde Eurojust,
beispielweise bei der grenzüberschreitenden Terrorismusbekämpfung, würdigte er auch das Vorgehen
der EU zur Sicherung einer rechtsstaatlichen Justiz in ihren Mitgliedsländern. Die EU-Verfahren wegen Verstößen
gegen die Rechtsstaatlichkeit gegen Polen und Ungarn sind für Schennach Belege, wie wichtig der Schutz der
EU für die dortige Bevölkerung ist. Jede nationale Regierung sei gewarnt, in die Rechtsstaatlichkeit
einzugreifen, folgerte er. So dürfe das österreichische Innenministerium nicht Justizentscheidungen treffen,
verdeutlichte er in Hinblick auf die aktuell diskutierte Sicherungshaft.
Hinsichtlich Sicherungshaft scheine sich erneut Innenminister Harald Kickl als "Scharfmacher" gegen Moser
durchzusetzen, vermutete Schennachs steirischer Parteikollege Martin Weber und ortet darin eine "sicherheitspolitische
Bankrotterklärung". Dabei hatte Weber den Justizminister zunächst als "Mahner", der den
Schutz der Menschenrechte pflege, gelobt. "Sie sind eine positive Erscheinung in dieser Regierung." Am
heimischen Justizwesen kritisierte er grundsätzlich, es leide aufgrund von Einsparungen unter Ressourcenmangel,
das Justizpersonal befinde sich "weit unter dem europäischen Durchschnitt". In Österreich stünden
100.000 EinwohnerInnen nur 20 RichterInnen gegenüber, einen eklatanten Personalnotstand beklage auch die Justizwache.
Nur mit entsprechenden Mitteln könne die Justiz ihre Anforderungen erfüllen, unbenommen der "ausgezeichneten
Arbeit" von RichterInnen, StaatsanwältInnen und nichtrichterlichem Personal.
FPÖ: Vertrauen in die Justiz absichern
Michael Schilchegger (FPÖ/O) hielt den Ausführungen zur Sicherungshaft entgegen, die österreichische
Regierung wolle Gefahren im Asylbereich präventiv entgegenwirken. Die Europäische Menschenrechtskonvention
lasse eine Sicherungshaft zu und zahlreiche EU-Länder machten bereits davon Gebrauch. Erfreut zeigte sich
Schilchegger, dass unter Justizminister Moser das Konzept "Haft in der Heimat" forciert wird und Verbesserungen
bei bestehenden Mängeln in Bearbeitung sind, von der flächendeckenden elektronischen Akteneinsicht bis
zur beschleunigte Verfahrensführung, schon im Sinne der Opfer und ihrer Ansprüche. Derzeit würden
Ermittlungen oft noch unangemessen lange dauern, merkte der FPÖ-Mandatar an. Weiters machte er sich für
eine wirkungsvollere Durchsetzbarkeit von Rechtsbehelfen stark.
Einen Konsens im Bundesrat stellte Monika Mühlwerth (FPÖ/W) fest, nämlich dass das Vertrauen der
BürgerInnen in die Justiz sicherzustellen ist. In der Rechtsprechung solle es daher "einigermaßen
gerecht" zugehen, mahnte sie und bemängelte unverständliche Unterschiede bei Urteilen gegen "Kinderschänder"
und gegen "Wirtschaftskriminelle". Vertrauen in die EU könne nur geschaffen werden, wenn ausreichend
auf das heimische System vertraut wird, bezog sie sich überdies auf Herausforderungen im Asylwesen. Straftäter,
die als Flüchtlinge ins Land gekommen sind, hätten ihr Aufenthaltsrecht verwirkt.
Grüne sehen Verschärfung des Strafrechts kritisch
Ewa Dziedzic (GRÜNE/W) warnte wiederum, die Verschärfung des Strafrechts, an der Staatssekretärin
Karoline Edtstadler mit einer Task-Force arbeitet, schade den Opfern mehr, als sie nütze, und sorge nicht
für mehr Sicherheit. Gleiches gelte für die angedachte Sicherungshaft. Sie appellierte vor diesem Hintergrund
an Minister Moser, das Justizwesen und die Rechtsstaatlichkeit in Österreich unbeugsam zu verteidigen, ansonsten
drohten EU-Verfahren analog zu jenen gegen Ungarn und Polen.
Sämtliche JuristInnen der Republik seien in "Alarmbereitschaft" wegen der aktuellen Regierung, fasste
Dziedzic zusammen. Die unzulängliche Justizpolitik zeige sich an der Unterdotierung des Bereichs. So würden
beim Bundesverwaltungsgericht 40.000 Fälle unbearbeitet vorliegen. Positive Schritte wie die Digitalisierungsoffensive
kämen aber aufgrund von Finanzierungsproblemen kaum zur Realisierung.
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