Salzburg (universität) - Das Grün in den Städten gewinnt angesichts des Klimawandels zunehmend
an Bedeutung. Für langanhaltende Hitzeperioden wie im vergangenen Sommer werden Stadtbäume zum Beispiel
als Schattenspender immer wichtiger. Wie aber wirken die Bäume konkret auf das Stadtklima und umgekehrt? Welche
Baumarten sind dem Klimawandel angepasst? Das untersucht ein Team um die Salzburger Geographin Angela Hof mit Schülern
aus Österreich, Deutschland und Ungarn im Sparkling Science Projekt „Stadtbäume als Klimabotschafter“.
Ziel des Ende 2017 gestarteten Projekts ist es, mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam die Stadtbäume
zu erforschen, um damit bei den Jugendlichen ein Bewusstsein für die Ökosystemleistungen von Stadtbäumen
zu schaffen. Erste Ergebnisse der Messungen aus den Projektstädten liegen nun vor.
Wann treiben die Blätter der Stadtbäume im Frühjahr aus und wie schnell entfalten sie sich? Wie
früh oder spät im Herbst beginnt die Laubverfärbung und der Laubfall? Dass sich die Entwicklungen
in den acht Projektstädten und -gemeinden (Salzburg, Kuchl, Ursprung, Wien, Weer/Tirol, Dresden, Szeged /Ungarn,
Mülheim an der Ruhr) deutlich unterscheiden, ist nicht überraschend. Denn die Städte liegen in verschiedenen
Klimazonen, von kontinental (Szeged) bis zu subatlantisch (Mülheim an der Ruhr).
Nun aber wurde der Beginn und Verlauf der Blattentfaltung mittels phänologischem Monitoring erstmals im Detail
aufgezeigt. Die Phänologie ist die Lehre von den alljährlich wiederkehrenden Erscheinungen in der Pflanzenwelt.
Die Schüler nutzten für das phänologische Monitoring eine vom Projektteam entwickelte App, die eine
einfache Datensammlung, -auswertung und Visualisierung ermöglicht. 2019 wird das Monitoring fortgesetzt. Dass
Stadtbäume Klimabotschafter sind, allein schon aufgrund der sichtbaren phänologischen Entwicklungen im
Takt des Stadtklimas, das konnten die Schüler schon deutlich feststellen“, sagt Projektleiterin Dr. Angela
Hof, assoziierte Professorin, mit dem Forschungsschwerpunkt Stadtökologie am Fachbereich Geographie und Geologie
der Universität Salzburg.
Neben dem phänologischen Monitoring führen die Schüler auch Mikroklimamessungen durch, mittels derer
sie die Abkühlungsleistungen der Bäume erforschen. Dafür sind an zahlreichen Baumkronen rund um
die Schulen Sensoren angebracht, die kontinuierlich die Lufttemperatur und Luftfeuchte erfassen. Der Vergleich
mit einer Referenz in einer voll besonnten Fläche zeigt die Abkühlungsleistung der Bäume. Dieser
Abkühlungseffekt zählt zu den wichtigsten Ökosystemleistungen von Bäumen. Unter Ökosystemleistungen
versteht man den Nutzen und die Vorteile der Natur für den Menschen.
Während der Sommermonate führten die Forscher mit den Schülern gemeinsam noch weitere Messungen
durch, die diesen Abkühlungseffekt abbilden. Besonders eindrücklich kann dieser Effekt mit einem Globethermometer
festgestellt werden. Ein Gerät, das die vom Menschen gefühlte Wärme aufzeichnet. Wie man aus Alltagserfahrungen
weiß, ist im Baumschatten die thermische Belastung für den Organismus deutlich reduziert. Dieser Effekt
ist vor allem für städtische Wärmeinseln bedeutend, also für Stadtteile, die sich durch erhöhte
Temperaturen von ihrer Umgebung abheben. Um der Überhitzung städtischer Bereiche entgegenzuwirken sind
Grünflächen essentiell.
„Wenn ich den thermischen Komfort und die Ökosystemleistung optimieren will, dann sollte ich wissen, wo die
Stadt thermisch besonders belastet ist“, sagt Angela Hof. Im Fokus der Untersuchungen zu Wärmeinselintensität
steht die Stadt Salzburg.
Welche Auswirkungen Baumart, Baumalter und Baumhöhe auf die Abkühlungsleistung hat, ist eine weitere
wesentliche Fragestellung des Forschungsprojekts. „Da hat sich gezeigt, wie wichtig alte große Baumkronen
sind. Je älter der Baum, desto größer die Oberflächenabkühlung. Heute werden alte Bäume
oft abgeholzt und ersetzt durch eine Art, die kleiner bleibt und leichter in der Handhabung ist, die nicht so viel
Laub und Dreck macht. Aber alte Bäume haben bessere Kühlungseffekte und mehr Ökosystemdienstleistung,“
so Angela Hof.
Welche Baumarten werden untersucht? Im Fokus stehen dabei u.a. der Spitzahorn (Acer platanoides), die Winterlinde
(Tilla cordata), die Platane (Platanus acerifolia), die Rosskastanie (Aesculus x carnea) und die Baum-Hasel (Corylus
colurna). Sie treiben unterschiedlich früh aus, der Spitzahorn zum Beispiel überall früher als die
Winterlinde. Die Länge der Vegetationsperioden differiert nach Wärmeinselintensität. In Salzburg
gelten können die Baumhasel und die Platane als Musterschüler in Bezug auf klimaregulierende Ökosystemleistungen
gelten, sagt Projektmitarbeiterin Carola Helletsgruber. Sie setzt sich in ihrer Dissertation mit den Stadtbäumen
als Klimabotschafter auseinander.
„Wenn es durch den Klimawandel wärmer wird, kommen In Zukunft vielleicht ganz neue Arten in Frage, die gut
an ein wärmeres Klima angepasst sind“, sagt die Nachwuchswissenschaftlerin Celina Stanley von der Universität
Salzburg. Sie hat ihre Masterarbeit zum Projekt „Stadtbäume als Klimabotschafter“ geschrieben und wechselt
Anfang 2019 an das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden. Die Salzburger Stadtgärtner
reagieren bereits auf die Klimaerwärmung, indem sie vermehrt etwa Baum-Hasel oder Zerr-Eichen (Quercus cerris)
pflanzen.
Der Sommer 2018 geht laut ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) als viertwärmster in
die österreichische Messgeschichte ein. Dieses Jahr zeichnete sich besonders durch Hitzewellen, überdurchschnittlich
viele Sonnenstunden und schwere Dürren aus. Wie aussagekräftig ist bei diesem extremen Sommer, der bis
in den Oktober andauerte, ein phänologisches Monitoring der Stadtbäume? „Für unsere Untersuchung
war der untypische Sommer sogar gut, weil wir extremste Abkühlungseffekte durch die Bäume darstellen
konnten. Durch die Tatsache, dass der Sommer bis lang in den Herbst hinein anhielt, hatten wir eine verzögerte
Blattverfärbung, und erst im November sind die Blätter gefallen. 2018 konnten wir sehen, was durch den
Klimawandel in Zukunft oft der Fall sein wird,“ sagt Angela Hof. „Die Winter beginnen später und dauern länger
bis ins Frühjahr, die Skisaison verschiebt sich Richtung Ostern. Die Sommer werden heißer, und es kommt
vermehrt zu Starkregenereignissen. Auf all das reagieren natürlich die Bäume.“
Da der Klimawandel Fakt ist, müssen die Städte durch Klimaanpassungsmaßnahmen wie Bäume lebenswert
erhalten werden, auch wenn die Konkurrenz durch Wohnraum und Parkplätze groß ist, mahnt Angela Hof.
„Mit unserem Projekt wollen wir jungen Leuten vermitteln, welche Ökosystemleistungen Stadtbäume erbringen
und wie wichtig Stadtbäume für das Stadtklima sind.“
„Sparkling Science“ ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung,
in dem Wissenschaftler/innen, Expert/innen und Lehrpersonen Seite an Seite mit Schüler/innen an aktuellen
Forschungsfragen arbeiten („Citizen Science“). Das Projekt „Stadtbäume als Klimabotschafter“ startete im September
2017 und läuft zwei Jahre.
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