Zweites ExpertInnen-Hearing über gesellschaftliche Vielfalt, Selbstbestimmung, Gewaltprävention
und Schutz für Frauen – Nationalrat wird sich mit Bericht des Ausschusses befassen
Wien (pk) – Nachdem sich der Gleichbehandlungsausschuss in seiner vorigen Sitzung am 26. Februar bereits
mit fünf der zentralen Themen des Frauenvolksbegehrens (433 d.B.) befasst hatte, setzten die Abgeordneten
am 12. März in einem öffentlichen Hearing die Debatte fort. Mit geladenen ExpertInnen wurden die
verbliebenen vier Forderungen des Volksbegehrens diskutiert, die unter den Stichworten "Vielfalt leben",
"Selbst bestimmen", "Gewalt verhindern" und "Schutz gewähren" zusammengefasst
sind. Wegen des großen Interesses der Öffentlichkeit fand die Debatte dieses Mal im Großen Redoutensaal
in der Hofburg statt, der derzeit als Plenarsaal des Nationalrats dient.
Laut den InitiatorInnen und UnterstützerInnen des Volksbegehrens, das fast 500.000 Unterschriften erreichte,
zielen die Forderungen auf eine "echte soziale und ökonomische Gleichstellung der Geschlechter mit verfassungsgesetzlichen
Regelungen" ab. Aus ihrer Sicht hat es in den letzten Jahren einen Stillstand bei Gewaltschutz, sexueller
Selbstbestimmung, sozialer Sicherheit, Kinderbetreuung sowie wirtschaftlicher und politischer Teilhabe gegeben.
Dieser Zustand müsse beendet und Wahlfreiheit und Chancengleichheit für Frauen und Männer erreicht
werden, heißt es seitens der AktivistInnen des Volksbegehrens.
Vor Beginn der Debatte wies Ausschussobfrau Gabriele Heinisch-Hosek darauf hin, dass bei der Verwendung von Bild-
und Tonaufnahmen aus dem Ausschuss für soziale Medien auf die Würde des Hohen Hauses zu achten ist. Sie
reagierte damit auf Beschwerden der Abgeordneten Carmen Schimanek (FPÖ) und Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP),
die sich in einer Geschäftsordnungsdebatte darüber beklagt hatten, dass Aufnahmen aus dem vorhergegangenen
Gleichbehandlungsausschuss dazu benützt worden seien, um Abgeordnete der Regierungsparteien in ein falsches
Licht zu rücken.
Vielfalt leben erfordert hinterfragen von Geschlechterstereotypen
Schifteh Hashemi Gerdehi verwies als Stellvertreterin des Bevollmächtigten des Volksbegehrens darauf, dass
sowohl die Medien, vor allem die Werbung, sowie Bildungsinhalte noch immer von sexistischen Stereotypen bestimmt
seien. Kinder würden bereits sehr früh mit solchen stereotypisierten Darstellungen von Männlichkeit
und Weiblichkeit konfrontiert. Der Normierungsdruck, der dadurch entstehe, schließe Menschen aus oder dränge
sie an den Rand, wenn sie etwa Körpernormen nicht entsprechen, oder wenn sie in unkonventionellen Lebens-
und Familienformen leben.
Maria Lee-Nowotny, Rechtswissenschaftlerin der Universität Wien, beklagte zu schwache rechtliche Handhabe
gegen sexistische Werbung. Aus ihrer Sicht wäre ein stärkerer Rechtschutz gegen sexistische bzw. sexualisierende
Darstellungen im öffentlichen Raum denkbar. Die Medien müssten ihre Verantwortung wahrnehmen, wenn es
um den Gleichheitsgrundsatz geht. Das schließe auch ein, dass sie der Vielfalt in der Gesellschaft Raum geben
müssten, jenseits von einseitigen Geschlechterstereotypen.
Katia Wagner (Kronen Zeitung) zeigte sich als Vertreterin des Journalismus skeptisch gegenüber der Idee, Medien
mittels Verboten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Eine Art "Geschmackspolizei" oder ästhetische
Selbstzensur könne nicht der Weg sein. Die gewünschte Überwindung überholter Stereotype müsse
aus der Gesellschaft kommen, dabei solle man auf Sensibilisierung, Bildung und die Vorbildwirkung starker Frauen
setzen.
Gerhard Wagner betonte als Vertreter der Bewegung "He4She Austria" die Bedeutung von Vielfalt für
die Gesellschaft. Burschen und Männer würden ebenso wie Frauen und Mädchen unter restriktiven Zuschreibungen
leiden, wie die "richtige" Geschlechtsidentität aussehe. Viele Männer würden daran zerbrechen
oder im verzweifelten Versuch, ihre männliche Dominanz aufrechtzuerhalten, zu Gewalt greifen. Die hohe Zahl
von Fällen häuslicher Gewalt, Vergewaltigungen und Frauenmorden müsse zu denken geben.
In der Diskussionsrunde der Abgeordneten wies Claudia Plakholm (ÖVP) auf die kontrollierende Funktion des
Presserats hin und erkundigte sich, wie oft dieser jährlich gegen sexistische Werbeinhalte vorgeht. Mario
Lindner (SPÖ) konnte der Forderung nach einem klaren Verbot sexistischer Werbung einiges abgewinnen. FPÖ-Abgeordnete
Susanne Fürst war hingegen der Auffassung, dass die Aufweichung klarer Geschlechteridentitäten auch problematische
Züge annehme. Das sei der Fall, wenn immer mehr Jugendliche es "cool" fänden, sich keinem Geschlecht
zuzuordnen. Genderpolitik fordere zwar oft Toleranz, gerate aber selber in Versuchung, der Gesellschaft einseitige
Vorstellungen aufzuoktroyieren. Claudia Gamon (NEOS) widersprach dieser Auffassung. Sie stimme mit den Forderungen
des Frauenvolksbegehrens überein. Entwicklungen mittels Verboten erreichen zu wollen, sehe sie aber skeptisch.
Sie halte vielmehr die Presseförderung für ein geeignetes Instrument, um sexistische Inhalte zugunsten
einer Darstellung der gesellschaftlichen Vielfalt zurückzudrängen. Stephanie Cox forderte eine geschlechtersensible
Ausbildung. Auch LehrerInnen würden oft stereotype Vorstellungen, was "Männerberufe" und "Frauenberufe"
seien, weitergeben und SchülerInnen in ihrer Berufswahl einschränken.
In Beantwortung der aufgeworfenen Fragen merkte Maria Lee-Nowotny zur Rolle des Werberates an, die Frage sei nicht,
wie oft dieser gegen sexistische Werbung vorgehe, sondern wie dieses recht zahnlose Instrument gestärkt werden
könne. Katia Wagner meinte, sie halte eine Presseförderung, die positive Beispiele der Berichterstattung
über gesellschaftliche Vielfalt auszeichne, für einen guten Ansatz. Gerhard Wagner trat für einen
breiten Begriff von "Werbung" und gesellschaftlicher Einflussnahme ein. Hier gehe es um mehr als Plakate.
Man müsse auch die Darstellung von gesellschaftlicher Vielfalt in Schulbüchern, Pädagogik und Fachdidaktik
berücksichtigen.
In einem Schlussstatement zur Debatte meinte Schifteh Hashemi Gerdehi, aus guten Gründen gebe es bereits ein
Verbot von Rassismus in der Werbung. Für sie sei es daher denkbar, auch Sexismus zu verbieten. Die Abwägung,
wann und wie man mit Verboten und Geboten arbeiten wolle, liege jedoch letztlich bei der Politik.
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Selbst bestimmen – mehr als nur die Fristenlösung
Selbstbestimmung betreffe weit mehr als nur die Frage des Schwangerschaftsabbruchs, hielt Schifteh Hashemi Gerdehi
einleitend zu dieser Debattenrunde fest. Hier gehe es um die umfassende Selbstbestimmung über die eigene Sexualität
und einen entsprechenden Zugang zu Informationen. Der Unterricht in den Schulen vermittle den Jugendlichen leider
erschreckend wenig konkretes Wissen über weibliche Sexualität und Geschlechteridentitäten. Das Volksbegehren
fordere daher Beratungszentren und den freien Zugang zu Verhütung, um eine Verbesserung zu erreichen.
Professor Wolfgang Mazal von der Universität Wien betonte, er teile viele der Auffassungen des Volksbegehrens.
Zu wenig konkret sei aus seiner Sicht aber, welche Aufgabe die geforderten staatlichen Beratungsstellen erfüllen
sollen. Aus seiner Sicht müssten auch zivilgesellschaftliche Einrichtungen stärker gefördert werden.
Die geforderte Kostenübernahme für Schwangerschaftsabbrüche stoße in Österreich an klare
rechtliche Grenzen. Krankenkassen seien an gesetzliche Vorgaben gebunden, nämlich die Heilung von Krankheiten.
Schwangerschaft sei aber keine Krankheit. Ebenso sei eine Verpflichtung öffentlicher Spitäler zur Durchführung
von Abbrüchen problematisch.
Primaria Barbara Maier (Wilhelminenspital) verwies auf ihre langjährige Erfahrung im Spitalsbereich sowie
in der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung und betonte, dass es alleiniges Recht der Frau
bleiben müsse, über eine Schwangerschaft zu bestimmen. Ein "Gebärzwang" sei für sie
undenkbar. Die Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit gerade in den intimsten Lebensbereichen dürfe nicht
in Frage gestellt werden.
Universitätsprofessor Peter Frigo von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde verwies auf Erhebungen,
wonach in Österreich von 30.000 bis 35.000 Schwangerschaftsabbrüchen jährlich auszugehen sei. Er
halte mehr Aufklärung für erforderlich, zumal ein solcher Eingriff für Frauen durchaus belastend
sei. Die Rolle von Beratungsstellen sah er skeptisch, über Schwangerschaftsabbrüche und effektive Verhütung
zu informieren sei nämlich in erster Linie Sache der FrauenärztInnen. Problematisch wäre in seinen
Augen auch eine Verpflichtung von ÄrztInnen, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.
Christian Fiala (Gynmed Ambulatorium) stellte der österreichischen Familienpolitik ein schlechtes Zeugnis
aus. Österreich habe trotz aller familienpolitischen Maßnahmen eine der höchsten Abtreibungs- und
niedrigsten Geburtenraten in Europa. Viele Menschen könnten jedoch einen Kinderwunsch nicht realisieren. Die
Familienpolitik müsse eine grundsätzliche Änderung erfahren und selbstbestimmte Entscheidungen unterstützen.
Für ihn gehört dazu die Kostenübernahme für Verhütungsmittel und für Schwangerschaftsabbrüche,
wie es in westeuropäischen Staaten die Regel ist. Auch die Abtreibungspille müsse freigegeben werden,
Frauen könne zugetraut werden, damit umgehen zu können.
Marlies Hübner, Autorin und Bloggerin, sah die aktuelle Diskussion über die Einschränkung von Spätabbrüchen,
die aufgrund embryopathischer Indikationen erfolgen, als bedenkliche Entwicklung. Man berufe sich hier gerne auf
den Wert eines Lebens mit Behinderung, die Realität in Österreich sei aber eine andere. Anspruch und
Wirklichkeit stimmten hier nicht überein, vielmehr würden Menschen mit Behinderungen nach wie vor ins
gesellschaftliche Abseits gedrängt.
Die Debattenbeiträge der Abgeordneten eröffnete Gudrun Kugler (ÖVP). Zweifellos gebe es Reformbedarf
bei der Sexualerziehung, sagte sie. Die Frage der Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen könne aber
nicht auf die Frage der Finanzierung von Beratungszentren, Verhütung und Abtreibung durch die öffentliche
Hand beschränkt werden. Katharina Kucharowits unterstrich, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sei nicht
verhandelbar. Eine wichtige Voraussetzung für Wahlfreiheit seien aber Sexualerziehung und der Zugang zu Verhütungsmitteln.
Diese seien leider in Österreich zu teuer.
Entgegen allen Behauptungen denke die derzeitige Bundesregierung nicht daran, die Fristenlösung in irgendeiner
Weise anzutasten, erklärte Carmen Schimanek (FPÖ). Die hohe Zahl an Abtreibungen mache sie jedoch betroffen.
Die Frage, wann eine Abtreibung aufgrund embryopathischer Indikation zulässig sein solle, sei zweifellos ein
sensibles Thema, es müsse aber zulässig sein, sie angesichts des medizinischen Fortschritts sachlich
zu diskutieren. Claudia Gamon (NEOS) meinte, eine Reduzierung der Schwangerschaftsabbrüche wäre zweifellos
wünschenswert, doch müsste hier eine ehrliche Diskussion stattfinden. ÖVP und FPÖ ignorierten
etwa gerne, dass in einzelnen Bundesländern politischer Druck verhindere, dass öffentliche Spitäler
Schwangerschaftsabbrüche anbieten können. Stephanie Cox (JETZT) wandte sich gegen jede Bevormundung von
Frauen bei den Themen Verhütung und Schwangerschaftsabbrüchen. Gerade in der Frage von Abtreibungen werde
oft mit fragwürdigen Statistiken argumentiert, meinte sie.
Wolfgang Mazal sagte, er sehe im Volksbegehren widersprüchliche Vorstellungen über die Rolle der Beratung.
Bei Schwangerschaftsabbrüchen gerate sie rasch in den Verdacht der Bevormundung. Wie bei jedem medizinischen
Eingriff müsse aber über die möglichen Folgen aufgeklärt werden, da nur so ein informierter
Konsens der Patientin möglich sei. Barbara Maier widersprach dem Argument, dass der Zugang zu Verhütung
auf Krankenschein rechtlich problematisch sei. Wenn die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch In-Vitro-Fertilisation
von der Krankenkasse unterstützt werden könne, müsse es den Kassen im Gegenzug auch möglich
sein, auch für eine Verhinderung von Schwangerschaft zu zahlen. Um ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen
zu reduzieren, sei es notwendig, Jugendliche und vor allem Immigrantinnen besser zu erreichen. Peter Frigo reagierte
auf den Vorwurf, dass in der Frage der Abtreibungen mit nicht validen Zahlen gearbeitet würde. Die Schätzungen
beruhten auf realistischen Annahmen, betonte er. Christian Fiala sah die Politik gefordert, zu entscheiden, ob
die derzeitige Lage akzeptabel sei, oder ob man Änderungen herbeiführen wolle. Wo man ansetzen müsse,
sei klar: bei Aufklärung und Prävention, dem Beratungsangebot für Migrantinnen und bei den hohen
Kosten von Verhütungsmitteln.
Schifteh Hashemi Gerdehi betonte seitens der ProponentInnen des Volksbegehrens in ihrem Abschlussstatement, die
Bevormundung von Frauen und die Einschränkungen der Wahlfreiheit in Fragen der sexuellen Reproduktion seien
nach wie vor eine Realität. Der Zugang zu Information und Verhütung sei nicht überall gewährleistet,
diese Situation sei nicht zufriedenstellend und das müsse offen angesprochen werden.
Gewalt verhindern: Ruf nach mehr Mitteln für Gewaltschutzeinrichtungen
"Das eigene Heim ist der gefährlichste Ort für Frauen in Österreich", stellte Schifteh
Hashemi Gerdehi als Vertreterin des Volksbegehrens fest und erinnerte daran, dass 2018 36 und in diesem Jahr bereits
neun Frauen von ihren Partnern ermordet wurden. Die Plätze in den Frauenhäusern würden nicht ausreichen,
gab sie zu bedenken und forderte mehr Geld für die Gewaltschutzeinrichtungen. Der Bundesregierung warf sie
vor, gerade in diesem Bereich zu sparen. Auch müssten Frauen wirtschaftlich gestärkt werden, um sie vor
Gewalt zu schützen.
Österreich sei Vorreiter bei der Gewaltprävention, betonte Gerhard Lang vom Bundesministerium für
Inneres. Das 1. Gewaltschutzgesetz habe einen Paradigmenwechsel eingeleitet, Einrichtungen wie die Gewaltschutzzentren
und die Interventionsstellen seien ein verlässlicher Partner der Polizei. Wichtig sei jedenfalls ein niederschwelliger
Kontakt zu den Opferschutzeinrichtungen sowie die Vermeidung von Bürokratie. Impulse bei der Gewaltprävention
erwartet sich Lang nun auch von der Task Force Strafrecht sowie von einem verbesserten Opferschutz und insbesondere
von opferschutzorientierter Täterarbeit. Aus dem von der Regierung vorgelegten Maßnahmenpaket hob er
überdies die Schaffung von Übergangswohnungen für von Gewalt betroffene Frauen hervor.
Katharina Beclin (Uni Wien) forderte eine bessere soziale Absicherung für von Gewalt betroffene Frauen, etwa
durch Übernahme der Wohnungskosten, verstärkte AMS-Förderung, garantierten Unterhaltsvorschuss oder
höhere Mindestsicherung. Darüber hinaus gilt es ihrer Meinung nach, das Gewaltschutzgesetz vor allem
auch im Hinblick auf die Kinder anzupassen, die Gewalt zwischen ihren Eltern erlebt haben. Wesentlich sei zudem
ein besserer Schutz von weiblichen Gewaltopfern im Strafverfahren sowie die statistische Auswertung von Gewaltdelikten
an Frauen.
Andrea Ranninger (Bundeskriminalamt) machte auf den Umstand aufmerksam, dass Frauen Gewalt anders erleben als Männer.
So seien sie häufiger von Gewalt in ihrem familiären Bereich und von sexuellen Übergriffen betroffen.
Allein 2018 habe sich die Zahl der weiblichen Opfer bei Tötungsdelikten verdoppelt, berichtete sie. Insgesamt
hat Österreich nach Ansicht Ranningers ein gutes Gewaltschutzgesetz, doch brauche es weitere Maßnahmen.
Sie begrüßte in diesem Sinn den von der Task Force verfolgten Ansatz in Richtung einer opferschutzorientierten
Täterarbeit.
"Gewalt gegen Frauen nimmt zu", meinte auch Barbare Ille von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt
in der Familie. Vor diesem Hintergrund müssten die Aussagen und Anzeigen von Frauen ernstgenommen werden.
Auch gehe es nicht an, dass Täter nach Morddrohungen nicht in U-Haft genommen werden. Darüber hinaus
brauche es mehr Ressourcen für die Opferschutzeinrichtungen.
Der Gewaltschutz von Frauen funktioniere in Österreich nicht, beklagte Laura Wiesböck (Uni Wien), wobei
sie daran erinnerte, dass in zwei von drei Frauenmordfällen die Täter als gefährlich bekannt waren.
Wiesböck ortet das Problem vor allem im Anspruchsdenken der Männer, die Frauen als sexuell verfügbare
Objekte sehen. Sie fordert ebenfalls mehr Mittel für die Täterarbeit und die Gewaltschutzzentren sowie
eine Stärkung der wirtschaftlichen Position von Frauen insgesamt. Anliegen Wiesböcks ist auch die Überwindung
der traditionellen Rollenbilder von Männern und Frauen.
ÖVP-Mandatarin Elisabeth Pfurtscheller verwies auf die bereits von der Task Force eingeleiteten Maßnahmen
und unterstrich dabei den Ausbau der Kooperation zwischen den Behörden und den Gewaltschutzeinrichtungen,
aber auch insgesamt die verstärkte Sensibilisierung für das Problem der Gewalt gegen Frauen. SPÖ-Abgeordnete
Sabine Schatz rief die Politik auf, die notwendigen Mittel für Prävention und Gewaltschutz in die Hand
zu nehmen, und sah Handlungsbedarf vor allem bezüglich der Übergangswohnungen für von Gewalt betroffene
Frauen. "Gewalt an Frauen darf nicht geduldet werden", betonte Edith Mühlberghuber (FPÖ), die
sich alarmiert über den in den letzten Jahren zu verzeichnenden Anstieg bei Gewaltdelikten gegen Frauen zeigte.
Claudia Gamon (NEOS) wiederum sieht bei der Gewaltprävention auch die Bereiche Bildung und Sensibilisierung
angesprochen, während Stephanie Cox (JETZT) für eine verstärkte Finanzierung der vorhandenen Gewaltschutzeinrichtungen
plädierte.
Schutz gewähren: Asylrecht muss auf geschlechtsspezifische Gewalt reagieren
Christian Berger forderte als Vertreter des Volksbegehrens die Verankerung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe
wie etwa Homosexualität im Asylrecht und trat überdies für eine entsprechende Schulung und Sensibilisierung
von RichterInnen und ExekutivbeamtInnen sowie für Rechtsberatung der MigrantInnen ein.
Ina Holzinger vom Bundesministerium für Inneres sieht keinen aktuellen Bedarf für zusätzliche gesetzliche
Maßnahmen und meinte vor allem, es sei nicht erforderlich, geschlechtsspezifische Fluchtgründe explizit
im Gesetz zu nennen. Die Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe reiche
aus und decke etwa Homosexualität ab. Auch gebe es spezielle Maßnahmen in der Grundversorgung für
Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden.
Sabine Stevanovic von Orient Express (Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen) gab zu bedenken,
geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe seien schwierig nachzuweisen. In der Praxis von Asylverfahren fehle
es bei BeamtInnen und RichterInnen oft an der notwendigen Sensibilität, meinte sie und forderte deshalb mehr
verpflichtende Weiterbildung.
Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt berichtete über die Aktivitäten Österreichs gegen Schlepperei
und Menschenhandel und maß dem Einsatz von interkulturellen MediatorInnen bei der Polizei großen Stellenwert
bei. Im Rahmen der Ausbildung setze man, wie Tatzgern betonte, überdies gezielt auf Sensibilisierung der BeamtInnen.
Maryam Alemi (Caritas Wien) gab unter Hinweis auf zahlreiche Fälle aus der Praxis von Asylverfahren zu bedenken,
es gebe noch immer wesentliche Hürden, die Frauen daran hindern, geschlechtsspezifische Gewalt glaubhaft zu
machen. Dies bestätigte auch Marty Huber vom Verein Queerbase, die schwere Defizite beim Schutz von Menschen,
die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität geflohen sind, ortete.
ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler setzt beim Gewaltschutz vor allem auf die Task Force Strafrecht und griff dabei
als einen der zahlreichen Punkte die gesetzliche Verschärfung bei weiblicher Genitalverstümmelung heraus.
Großes Augenmerk werde zudem auch auf das Thema Menschenhandel gelegt. Melanie Erasim (SPÖ) sah hingegen
akuten Handlungsbedarf und meinte, Willensbekundungen allein seien zu wenig. Sie brachte einen Entschließungsantrag
ihrer Fraktion ein, der die Forderung nach Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor
Gewalt enthält. FPÖ-Mandatarin Susanne Fürst warf den ProponentInnen des Volksbegehrens vor, Gewalt
gegen Frauen in muslimisch geprägten Gesellschaften unter den Tisch zu kehren, und fügte an, es sei problematisch,
unkontrollierte Einwanderung von Männern zuzulassen, die ihr antiquiertes Frauenbild nach Österreich
importieren. "Frauen müssen geschlechtsspezifische Fluchtgründe im Asylverfahren darlegen können",
steht für Claudia Gamon (NEOS) fest. Ähnlich äußerte sich auch Stephanie Cox (JETZT), wobei
sie meinte, Asylrecht sei Menschenrecht und müsse Frauen, die aus geschlechtsspezifischen Gründen flüchten,
Schutz gewähren.
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Das Frauenvolksbegehren wandert nach dem am 12. März abgeschlossenen zweiten Teil des öffentlichen
Hearings im Gleichbehandlungsausschuss zur weiteren Beratung ins Plenum des Nationalrats. Dort werden sich die
Abgeordneten mit dem Bericht des Ausschusses befassen.
Die RednerInnen aller Fraktionen sprachen den InitiatorInnen und UnterstützerInnen des Volksbegehrens einhellig
Dank aus. Die Hearings sahen sie gleichsam als Auftakt für weitere Maßnahmen und Schritte, die zu setzen
seien – auch wenn es inhaltlich zum Teil andere Zugänge gibt. Eingebracht wurden drei Entschließungsanträge.
Ein ÖVP-FPÖ-Antrag betreffend Sicherheit der Frauen in Österreich – etwa zur schnellstmöglichen
Umsetzung einer Notrufnummer für Frauen sowie für 100 Plätze für von Gewalt betroffene Frauen
hinsichtlich mehr Übergangswohnungen - wurde mit breiter Mehrheit angenommen. Zwei SPÖ-Anträge –
zur Umsetzung der Forderungen des Volksbegehrens sowie zur zügigen Fortführung des Nationalen Aktionsplans
zum Schutz von Frauen vor Gewalt - blieben in der Minderheit. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang die offenbar
sehr kurzfristige Einbringung der Anträge und somit fehlende Zeit, darüber zu beraten.
In den beiden Ausschusssitzungen wurden mit zahlreichen ExpertInnen insgesamt neun Themenbereiche des Frauenvolksbegehrens
(433 d.B.) debattiert. Diese reichten von "Macht teilen", "Geld teilen" und "Arbeit teilen"
über "Armut bekämpfen" und "Wahlfreiheit ermöglichen" bis hin zu "Vielfalt
leben", "Selbst bestimmen", "Gewalt verhindern" und "Schutz gewähren".
Das heutige öffentliche Hearing fand im Großen Redoutensaal statt, eine große Zahl an Interessierten
war bei den Beratungen vor Ort als ZuhörerInnen dabei.
Plädoyer für Gleichheit
In seinem Abschlussstatement hielt Christian Berger, Bevollmächtigter des Frauenvolksbegehrens, ein Plädoyer
für Gleichheit. In den Hearings sei klar geworden, dass Frauen wie Männer an überkommenen Bildern
von Geschlecht leiden, das Patriarchat Luft zum Atmen nehme und Sexismus, Marginalisierung und Ungleichheit in
den Machtverhältnissen überwunden werden müssen. Dies alles beschränke nach 100 Jahren mit
vielen hart errungenen Gleichstellungsreformen immer noch die Freiheit der allermeisten Menschen, so Berger, der
nochmals an die Abgeordneten appellierte, Maßnahmen zu setzen. Die allermeisten Forderungen könnten
umgesetzt werden, ohne eine Revolution zu initiieren, so Berger.
Stellvertreterin Schifteh Hashemi Gerdehi hob darüber hinaus den starken Partizipationsaspekt hervor, den
das Frauenvolksbegehren gezeigt habe. Menschen wollen sich mehr beteiligen, so Hashemi Gerdehi und forderte auf,
das ernst zu nehmen. Sie befürchtet, dass das Volksbegehren in Schubladen enden könnte – ganz im Gegenteil
brauche es aber jetzt Visionen, Konzepte und Menschen, die endlich umsetzen, was seit Jahrzehnten bekannt sei.
In diesem Sinne rief sie auch alle Abgeordneten dazu auf, weiterzudenken und die Forderungen des Volksbegehrens
in Gesetze zu gießen.
Stellvertreterin Andrea Hladky widmete dementsprechend ihr Abschlusswort auch den UnterstützerInnen des Frauenvolksbegehrens
und verlas einzelne Zitate, warum das Volksbegehren unterstützt wurde. Dabei ging es etwa um den Wunsch, dass
es in 20 Jahren kein Frauenvolksbegehren mehr braucht, weil es endlich tatsächliche Gleichberechtigung gibt.
Heinisch-Hosek: Forderungen zur Umsetzung in Ausschüsse weitertragen
Als Vorsitzende des Gleichbehandlungsausschusses betonte Gabriele Heinisch-Hosek, es gelte nun, die Themen und
Forderungen zur Umsetzung auch in andere Ausschüsse weiterzutragen. Als Frauensprecherin der SPÖ haben
ihr manche Aussagen in der Diskussion hinsichtlich Ungleichbehandlung kein Vergnügen bereitet. Auch wenn Frauenpolitik
immer Millimeterarbeit war, bedauerte sie, dass nicht mehr konkrete Ergebnisse nach den nunmehrigen Beratungen
erzielt wurden. Aus ihrer Sicht als SPÖ-Frauensprecherin sei das jetzt der Startschuss, mit vielen Anträgen
zu versuchen, diese Millimeter zu machen. Sie freue sich auf die nun folgende Debatte im Plenum, so Heinisch-Hosek.
In der abschließenden Fraktionsrunde bezeichnete auch Elisabeth Pfurtscheller seitens der ÖVP die Hearings
als Beginn eines Prozesses. Die Stellungnahmen würden in die weitere Vorgehensweise einfließen und Anregungen
bestmöglich aufgegriffen werden. Zum SPÖ-Antrag für die Weiterführung des Nationalen Aktionsplans
(NAP) – der ihr hier aber zu kurzfristig vorlag - hofft sie auf eine gemeinsame Vorgangsweise. Die Weiterführung
des NAP sei ihr auch ein großes Anliegen. Dem schloss sich FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek an.
Auch wenn es naturgemäß in der Debatte unterschiedliche Zugänge gebe, brauche es viele Maßnahmen,
um etwas weiterzubringen. Was den SPÖ-Antrag zur Umsetzung der Forderungen des Frauenvolksbegehrens betrifft,
sagte sie, Quoten nichts abgewinnen und deshalb nicht mitgehen zu können.
SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner unterstrich ebenso, es gelte nun, Maßnahmen zu setzen und
entsprechende Anträge einzubringen. NEOS-Frauensprecherin Claudia Gamon will sich dabei auf die gemeinsamen
Punkte konzentrieren, bei denen wirklich etwas weitergebracht werden kann. Stephanie Cox dankte seitens JETZT dem
Frauenvolksbegehren als Brücke, um das zu diskutieren, was aus der Bevölkerung komme. Auch wenn es unterschiedliche
Meinungen gebe, sei dieser Auftakt wichtig gewesen, um möglichst viele Schritte gemeinsam setzen zu können.
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