Wien Staatsoper) - Nach der Uraufführung von Die Weiden vergangenen Dezember steht als nächste zeitgenössische
Opernproduktion die Staatsopern-Erstaufführung von Orest auf dem Spielplan des Hauses am Ring. Manfred Trojahns
2011 uraufgeführte Oper kommt am 31. März 2019 in einer Inszenierung von Marco Arturo Marelli zur Premiere
an der Wiener Staatsoper.
Der eigentliche Ausgangspunkt zu Orest ist – wie bereits am Anfang der Spielzeit mit Hector Berlioz’ Les Troyens
– der trojanische Krieg. Doch diesmal steigt die Handlung nach Ende des Krieges ein und erzählt von den Folgen,
die auch die nächste Generation ins Verderben ziehen. Die nächste Generation, das sind die Kinder, Elektra
und Orest, die nun die Schicksals-Verhandlungen führen müssen: Wie mit der Schuld umgehen, mit der eigenen
und jener der Eltern? Wie den Weg nach vorne finden? Trojahns „Musiktheater in sechs Szenen“ setzt sich mit dem
unter seiner Tat leidenden Protagonisten auseinander – dieser Orest ist getrieben, von Schuld, von der rachsüchtigen
Schwester Elektra. Auf ihn wartet die Erkenntnis, dass er sich von diesen Kräften und den Göttern freimachen
und den Mut zum eigenen Weg finden muss.
Schon die Uraufführung 2011 an der Nederlandse Opera in Amsterdam wurde vom Publikum wie auch der internationalen
Presse gefeiert, ebenso wie die weiteren Produktionen des Werks u. a. in Hamburg und Zürich. Die Neue Oper
Wien brachte das Werk 2014 in Wien zur österreichischen Erstaufführung.
Zum Komponisten und Librettisten Manfred Trojahn
Im Schaffen des deutschen Komponisten Manfred Trojahn, dessen Werkeverzeichnis nahezu alle Genres verzeichnet,
nimmt das Musiktheater seit seiner ersten Oper Enrico (1991) eine vorrangige Stellung ein. Auch seine weiteren
Opern Was ihr wollt, La Grande Magia und Orest wurden an zahlreichen internationalen Bühnen produziert, ebenso
wie seine Fassung von Mozarts Titus, dessen Rezitativtexte er neu komponierte. Mit Orest steht erstmals ein Werk
des 1949 in Cremligen bei Braunschweig geborenen Komponisten auf dem Staatsopernspielplan.
Seine Entscheidung für Orest als Opernstoff erzählt er Staatsoperndramaturg Oliver Láng im Gespräch
für das Staatsopernmagazin „Prolog“: „Orest ist vermutlich der Stoff, mit dem ich die kürzeste Lebenszeit
verbracht habe, bevor er dann zum Opernstoff wurde. Es war der Intendant der Staatsoper Hannover, Michael Klügl,
der mir riet, mich mit dem Stück des Euripides zu beschäftigen, als er davon erfuhr, dass ich auf der
Suche nach einem Opernstoff sei. Ich habe das dann gelesen und meine umgehende Reaktion war die Ablehnung. Der
Schluss dieser Mythenversion ist schon etwas speziell und ich meinte, das ließe sich doch nur mit Countertenor
und Knabenchor lösen, in hellblauen Kostümen. Es dauerte dann doch geraume Zeit, bis ich einen Weg zu
den Figuren fand, nicht zuletzt auch durch die Dionysos-Dithyramben Nietzsches, die dann bei der Gestaltung der
Figur des Apollo/Dionysos eine Rolle spielen.“ Die Auseinandersetzung mit antiken Stoffen ist eine Konstante in
der europäischen Kulturgeschichte – auf die Frage, was diesen Reiz ausmacht, antwortet der Komponist: „Das
Reizvolle scheint mir zu sein, dass sie gänzlich zeitlos sind – oder doch dorthin interpretiert werden können.
Natürlich hat mein Stück mit einem griechischen Drama nichts mehr zu tun, Orest verlässt Gesellschaft
und Götter, um zu sich zu finden – eine völlig zeitgenössische Sicht auf die Notwendigkeiten. Die
Grundprobleme in den Mythen sind natürlich die Grundprobleme der Menschheit und von daher kann man fast so
weit gehen zu behaupten, es gäbe kein Problem, das sich dort nicht schon formuliert findet.“
Aus einer „Notwendigkeit heraus“ wurde Manfred Trojahn auch sein eigener Librettist für Orest – bisherige
Partner verstarben leider frühzeitig: „Es war weder jemand im Blick, noch hatte ich die Neigung, jemanden
zu finden – daher war der Schritt, das Libretto selbst zu verfassen, vorgegeben.“ Für ihn „benötigt auch
die Sprache einen gesteigerten Ausdruck, der die Emotionalität, die durch Musik hinzuwächst, ermöglicht.“
Auf die Frage nach der Herangehensweise bzw. Auseinandersetzung mit Strauss und seiner Elektra beschreibt der Komponist,
dass er mit dem Todesschrei Klytämnestras die „formulierte Erinnerung an die Elektra von Strauss/Hofmannsthal“
an den Beginn seines Stückes stellt, welches „natürlich seine Vorgeschichte, und die ist genial und atemberaubend
als Oper erzählt worden“ reflektiert. „Natürlich ist die Auseinandersetzung bewusst gesetzt. Es gibt
immer wieder Bezüge zum Text der Elektra und es gibt einige wenige Verweise in der Musik.“
Zum Leading Team
Musikalisch geleitet wird die Neuproduktion von Michael Boder, der seit seinem Staatsoperndebüt 1995 mit Wozzeck
bereits über 150 Aufführungen im Haus am Ring dirigierte und hier vor allem mit Strauss-Abenden und Werken
der jüngeren Opernliteratur reüssierte. Orest ist nach den Premieren von Lulu, Die Jakobsleiter / Gianni
Schicchi, dem Ballettabend Le Pavillon d’Armide | Le Sacre – den er auch im März wieder dirigieren wird –
sowie den Uraufführungen von Der Riese vom Steinfeld und Medea die sechste Neuproduktion des deutschen Dirigenten
im Haus am Ring. In der laufenden Saison wird er noch erstmals an der Wiener Staatsoper Salome und Dantons Tod
dirigieren.
Der Schweizer Regisseur und Staatsopern-Ehrenmitglied Marco Arturo Marelli präsentiert mit Orest seine bereits
13. Regiearbeit im Haus am Ring, wo er bisher Capriccio, Cardillac, Die Jakobsleiter, Die schweigsame Frau, Die
Zauberflöte, Falstaff, Gianni Schicchi, La fanciulla del West, La sonnambula, Medea, Turandot sowie zuletzt
Pelléas et Mélisande inszenierte. Für Orest zeichnet er wiederum auch für Bühnenbild
und Lichtdesign verantwortlich.
Für Marelli ist Orest, wie Oliver Láng im „Prolog“ festhält, nicht nur ein „epochales Werk, das
ebenso gewaltig und wichtig ist wie Elektra“, sondern ist die Beschäftigung mit der antiken Theaterdichtung
und dem Reigen der Figuren ein „unendliches Glück“ wie auch eine Quelle der Bereicherung. Denn über die
griechische Tragödie lerne er sich selbst zu erklären und schaffe Ordnung in sich, wie er im Konzeptionsgespräch
zu Probenbeginn berichtete. Entsprechend zeitlos sind für ihn die Themen der Tragödie. Scheint für
Marelli der Himmel heute auch fast leergeräumt, so „sind wir doch dennoch keine selbstbestimmten Menschen.
Wir sind auch gefangen, vom Konsum, von der Wirtschaft, von Fake-News. In Orest geht es um die Befreiung von der
Determination durch andere – und darum ist es ein so wichtiges Werk!“
Die Kostüme stammen vom deutschen Kostümbildner Falk Bauer. Für die Wiener Staatsoper kreierte er
bisher die Kostüme für Jonny spielt auf, Nabucco sowie Tristan und Isolde.
Die Besetzung
Alle Sängerinnen und Sänger geben in der Premierenserie ihr Rollendebüt: Den Orest verkörpert
Thomas Johannes Mayer – nach seinen bisherigen Staatsopern-Auftritten als Telramund (Lohengrin) und Wotan/Wanderer
(Der Ring des Nibelungen) ist diese Neuproduktion nun seine erste Premiere im Haus am Ring. Der deutsche Bariton
gastierte weiters u. a. in Paris, Bayreuth, München, London und Berlin und kann auf ein überaus breites
Repertoire mit rund 80 Partien verweisen, neben Wagner auf Strauss und Dvorák, Krenek und Verdi, Schönberg
und Hindemith. In der aktuellen Saison wird er an der Wiener Staatsoper noch als Don Pizarro in Fidelio (April/Mai
2019) zu erleben sein.
Als Elektra kehrt Evelyn Herlitzius zurück an die Wiener Staatsoper. Die deutsche Sopranistin zählt zu
den gefragtesten Interpretinnen ihres Fachs und debütierte 2000 als Leonore (Fidelio) im Haus am Ring, wo
sie weiters u. a. als Brünnhilde (Der Ring des Nibelungen), Isolde (Tristan und Isolde), Färberin (Die
Frau ohne Schatten), Marie (Wozzeck), Kundry (Parsifal) und zuletzt in der Titelpartie von Kátja Kabanová
Erfolge feierte. Orest ist ihre erste Premiere im Haus am Ring; im Mai 2019 wird sie in der Premiere von Die Frau
ohne Schatten als Amme ein weiteres internationales Rollendebüt an der Wiener Staatsoper geben.
Die Helena singt die renommierte amerikanische Sopranistin Laura Aikin, die im Haus am Ring nach ihrem Debüt
1997 als Zerbinetta (Ariadne auf Naxos) u. a. noch als Aminta (Die schweigsame Frau), Adele sowie zuletzt als Rosalinde
(Die Fledermaus) zu erleben war. Ihre erste Staatsopernpremiere gestaltete sie 2015 als Emilia Marty in Vec Makropulos.
Den Menelaos verkörpert Thomas Ebenstein. Seit 2012 im Staatsopernensemble, verkörperte er hier bereits
zahlreiche Partien wie Froh (Das Rheingold), Steuermann (Der fliegende Holländer), Valzacchi (Der Rosenkavalier),
Alfred und Dr. Blind (Die Fledermaus). Orest ist die neunte Staatsopernpremiere des aus Kärnten stammenden
Tenors nach Monostatos (Die Zauberflöte), Caliban (The Tempest), Vítek (Vec Makropulos), Dr. Cajus
(Falstaff), Parsifal (3. Knappe), Marquis (Der Spieler), Robespierre (Dantons Tod) sowie zuletzt Edgar (Uraufführung
Die Weiden). Auch er wird im Mai 2019 in der Jubiläumspremiere von Die Frau ohne Schatten mitwirken (Der Bucklige).
Eine weitere Sopranistin kehrt in der Premierenproduktion zurück an das Haus am Ring: Die aus Amerika stammende
Grammy-Preisträgerin Audrey Luna, die an der Wiener Staatsoper 2015 in der österreichischen Erstaufführung
von Thomas Ades’ The Tempest als Ariel ihr gefeiertes Hausdebüt gab.
Als Apollo/Dionyos stellt sich der schwedische Tenor Daniel Johansson dem Staatsopernpublikum vor. Auftritte führten
den Sänger in der letzten Zeit u. a. als Don José (Carmen) nach Bregenz, als Cavaradossi (Tosca), Pinkerton
(Madama Butterfly), Alfredo (La traviata), Rodolfo (La Bohème) nach Stockholm, als Rodolfo und Don José
an die Finnische Nationaloper, als Don José und Froh (Das Rheingold) an die Dresdner Semperoper. Weiters
gastierte er u. a. am Theater an der Wien, in New York, Brüssel, Genf und Valencia.
Es spielen das Orchester der Wiener Staatsoper sowie das Bühnenorchester der Wiener Staatoper.
Orest im Radio und im Livestream
Die Premiere am 31. März 2019 wird live auf Radio Ö1 (+ EBU) ausgestrahlt; die Vorstellung am 5.
April 2019 via WIENER STAATSOPER live at home weltweit live in HD gestreamt: http://www.staatsoperlive.com.
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