Kardinal Schönborn präsentiert Ergebnisse der Vollversammlung der Bischofskonferenz
Wien (kap) - Die österreichischen Bischöfe werden sich weiterhin mit allen Kräften der Missbrauchsproblematik
stellen und sich für noch mehr Aufklärungs- und vor allem Präventionsarbeit einsetzen. Das ist eine
der Hauptaussagen, mit denen Kardinal Christoph Schönborn am 22. März bei einer Pressekonferenz
in Wien die Ergebnisse der Beratungen der Bischöfe zusammenfasste.
Die österreichische Bischofskonferenz war von 18. bis 21. März in Reichenau an der Rax zu ihrer Frühjahrsvollversammlung
zusammengekommen. Weitere Themen waren u.a. die Europawahlen, der Ethikunterricht, der kirchliche Ausstieg aus
fossiler Energie, die Visitation der Diözese Gurk sowie das umstrittene Bleiburger Gedenken. Kardinal Schönborn
gab bei der Pressekonferenz zudem bekannt, dass er an Prostatakrebs erkrankt ist und sich im Mai einer Operation
unterziehen muss.
Kulturwandel bei Umgang mit Autorität
Um dem Problem des Missbrauchs in der Kirche beizukommen, würde es zu kurz greifen, den Zugang zu Kirchenämtern
neu zu regeln. Wie Kardinal Christoph Schönborn am Freitag bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Frühjahrsvollversammlung
der Österreichischen Bischofskonferenz betonte, bedürfe es vielmehr eines "Kulturwandels" im
Umgang mit Autorität - in der Kirche vor allem mit geistlicher Autorität: "Das wäre die beste
Prävention."
Der auch in einer Erklärung der Bischofskonferenz für notwendig erachtete "Kulturwandel" sei
bereits im Gange und solle sich in Richtung einer "offenen Gesellschaft" im Sinne Karl Poppers weiterentwickeln,
so hofft Schönborn. Er selbst habe in den 1950er-Jahren noch ein von Gewalt geprägtes Schulwesen erlebt,
und "geschlossene Systeme" etwa in Heimen sei "das Mistbeet, auf dem Missbrauch gedeiht", gewesen.
In den letzten 20 Jahren seien Gesellschaft und Kirche aber "viel offener geworden".
Beim Thema Missbrauch gelte es "Standards, die es schon längst gibt", konsequent umzusetzen. Auch
gebe es im Vatikan seit dem Pontifikat Johannes Pauls II. einen Gerichtshof für "delicta graviora"
(schwerwiegende Delikte), der seither mehr als 100 Priester ihres Amtes enthoben habe. Jeder Fall von Übergriffen
durch einen Kleriker müsse von der zuständigen Diözese dorthin gut dokumentiert gemeldet werden,
erklärte Schönborn. Die in Österreichs Kirche diesbezüglich geltenden Richtlinien hätten
im internationalen Vergleich Vorbildwirkung, betonte der Kardinal.
Statistik über Missbrauch
Die Bischofskonferenz veröffentlichte am Freitag zudem einen Bericht mit dem Titel "Maßnahmen der
Katholischen Kirche in Österreich gegen Missbrauch und Gewalt". Dieser umfasst auch eine Statistik über
die bisher 2.193 von der Opferschutzanwaltschaft behandelten Fälle. Nur in 171 davon wurden weder Finanzhilfe
noch Therapie zuerkannt, in zwei Drittel der Fälle beides. 180 Fälle sind derzeit in Bearbeitung. Den
Betroffenen wurden bisher insgesamt 27,8 Millionen Euro zuerkannt, davon 22,1 Millionen als Finanzhilfen und 5,7
Millionen für Therapien.
Bei 31 Prozent aller Vorfälle handelte es sich laut Angaben der Bischofskonferenz um sexuellen Missbrauch,
bei allen anderen um körperliche Gewalt. Die meisten Übergriffe seien rechtlich verjährt und erfolgten
hauptsächlich in den 1960er Jahren (37,1 Prozent) und 1970er Jahren (30,8 Prozent). 14,4 Prozent der Vorfälle
hätten sich in den 1950er Jahren oder früher ereignet. Lediglich 0,8 Prozent der Fälle betreffen
den Zeitraum seit 2000, heißt es in dem Bericht.
Vertrauen in Arbeit des Visitationsteams
Die Visitation nach den Konflikten in der Diözese Gurk-Klagenfurt seien innerhalb der Bischofskonferenz offen
besprochen worden - auch wenn er selbst den inzwischen nach Rom übermittelten Bericht des Teams um Erzbischof
Fanz Lackner nicht kenne, wie Schönborn bei der Pressekonferenz weiter sagte. Seinem Eindruck nach habe das
Visitationsteam bei seiner Arbeit in Kärnten zunehmend Vertrauen gewonnen, besorgte Stimmen hinsichtlich fehlender
Objektivität hätten sich gelegt. Der Kardinal äußerte sich zuversichtlich, dass der Visitationsbericht
ein "stimmiges Bild" der Situation in der Diözese Gurk vermittle; über Konsequenzen müsse
freilich Rom als zuständige Entscheidungsinstanz befinden.
Bezüglich der in der Verantwortung des jeweiligen Diözesanbischofs stehenden Mensalgüter sei Transparenz
oberstes Gebot. Schönborn stellte in den Raum, ob nicht "so etwas wie ein Rechnungshof für die Kirche
in Österreich" die je eigenständige Finanzgebarung von Diözesen, Domkapiteln oder Stiften objektivieren
könnte. Der Vatikan habe sich vor einigen Jahren an alle Bischofskonferenzen mit der Frage gewandt, wie in
deren Zuständigkeitsbereich die Finanzkontrolle funktioniert. Die "Causa Kärnten" hat nach
den Worten Schönborns gezeigt, dass ein externer Blick und Transparenz notwendig sei.
Karfreitag: Tausch mit Pfingstmontag denkbar
Zur zuletzt viel diskutierten Frage des Karfreitags meinte Kardinal Schönborn, die Regierung habe mit
der Regelung eines "persönlichen Urlaubstages" zu dessen Feier "nicht die beste Lösung"
gefunden, auf Wienerisch würde man sagen "eine bissl hatscherte" - wie Schönborn sagte, aber
immerhin eine akzeptable. Bevorzugt hätten die Kirchen einen für alle arbeitsfreien Feiertag, aber er
habe Verständnis für den Einwand, in Österreich gebe es bereits genug freie Tage. Am Tapet sei auch
ein Tausch des Karfreitags mit dem Pfingstmontag gewesen, erinnerte der Kardinal. Dagegen würde grundsätzlich
nichts sprechen. Die Entscheidung über diesen konkordatsmäßig nicht abgesicherten Feiertag treffe
aber nicht die Kirche, sondern solle zuerst gesellschaftlich über die Sozialpartner gefunden werden.
Europawahlen
Die heimischen Bischöfe rufen die Österreicher zudem auf, an der bevorstehenden Wahl zum Europaparlament
am 26. Mai teilzunehmen und jene politischen Kräfte zu stärken, die für die europäische Integration
eintreten. "Die österreichischen Bischöfe unterstützen und begleiten aus fester Überzeugung
die europäische Integration, weil es dabei um das friedliche Zusammenleben in Freiheit, Gerechtigkeit und
Solidarität und somit um höchste politische Werte geht", heißt es in einer Erklärung.
Europa brauche "eine Politik des Konstruktiven und der Inklusion und nicht der Spaltung und der Ausgrenzung".
Ethikunterricht
Die Österreichische Bischofskonferenz begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, den Ethikunterricht
für all jene Schülerinnen und Schüler als Pflichtfach einzuführen, die keinen Religionsunterricht
besuchen. "Die Vermittlung ethischer Bildung gehört zu den Kernaufgaben der Schule", halten die
Bischöfe in einer Erklärung zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz am
Freitag fest. Für viele Schüler werde dieser Auftrag im Religionsunterricht erfüllt, "weil
er immer schon ethische Fragen behandelt, ohne sich darin zu erschöpfen". Der geplante Ethikunterricht
sei aber vor allem in Hinblick auf die zunehmend größer werdende Gruppe der Schüler ohne religiöses
Bekenntnis "sinnvoll und notwendig".
Klimaschutz
Die Bischöfe kündigten weiters an, dass sich die katholische Kirche in Österreich sich mit ihren
Vermögen aus allen Unternehmen zurückzieht, die fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Erdgas fördern
bzw. produzieren. "Kirchliche Finanzmittel dürfen keine zerstörerische Wirkung auf das Klima haben",
unterstrichen die Bischöfe in einer Erklärung. Deshalb habe die Bischofskonferenz beschlossen, die Divestment-Erklärung
im Rahmen des "Global Catholic Climate Movement" (GCCM) zu unterzeichnen und die ethischen Veranlagungsrichtlinien
entsprechend anpassen. GCCM ist ein 2015 gegründeter Zusammenschluss verschiedenster katholischer Umweltgruppen
aus allen Teilen der Welt. Der Vollausstieg gilt für alle Diözesen, die Österreichische Bischofskonferenz
und alle ihre Einrichtungen. Um die Anwendung und Interpretation der jetzt verschärften ethischen Veranlagungsrichtlinien
zu sichern, wird zudem als neues Instrument eine Ständige Kommission eingerichtet, kündigten die Bischöfe
an.
Pfarrgemeinderat
Die österreichischen Bischöfe laden von 21. bis 23. Mai 2020 zu einem großen Pfarrgemeinderatskongress
nach Saalfelden ein. Bei der dreitägigen Veranstaltung soll über Reformen im Bereich der Pfarrgemeinderäte
beraten werden, wie es in einer weiteren Erklärung heißt. Im Grunde geht es darum, wie sich möglichst
viele Menschen verantwortungsvoll in die Kirche einbringen können, um so missionarisch zu wirken. Durch transparente
und partizipative Strukturen sollen zugleich auch Formen des Missbrauchs geistlicher Autorität verhindert
werden. Angestoßen wurde der Reformkongress von den diözesanen Verantwortlichen für die Pfarrgemeinderäte,
die auch die Vorbereitung übernehmen.
Bleiburg: Geschichte gemeinsam aufarbeiten
Bei der Pressekonferenz plädierte Kardinal Schönborn auf Anfrage kroatischer Medien für eine gemeinsame
Aufarbeitung der leidvollen Geschichte des kroatischen Volkes im 20. Jahrhunderts. An die kroatische Bischofskonferenz
wie auch an das kroatische Parlament gerichtet sagte der Kardinal: "Versuchen wir gemeinsam diese schwierige
Geschichte aufzuarbeiten. Auch um zu verhindern, dass das Thema weiterhin von bestimmten Gruppen instrumentalisiert
wird."
Hintergrund des Appells ist das umstrittenen Gedenktreffen am Loibacher Feld bei Bleiburg (18. Mai). Der Kärntner
Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger hatte das Ansuchen der Kroatischen Bischofskonferenz um die Feier
einer Gedenkmesse abgelehnt, was in Kroatien zu heftiger Empörung geführt hat. Schönborn wies darauf
hin, dass diese Entscheidung kirchenrechtlich allein bei der Diözese Gurk liege und nicht bei der Bischofskonferenz.
Er habe aber bereits ausführlich mit Erzbischof Zelimir Puljic, dem Vorsitzenden der Kroatischen Bischofskonferenz,
gesprochen und ihm die Causa aus seiner Sicht erläutert.
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