Graz (diagonale) - Im Rahmen der 22. Diagonale in Graz wurde am 21. März der mit je € 5.000 dotierte
Franz-Grabner-Preis in den Kategorien Kinodokumentarfilm und Fernsehdokumentarfilm verliehen. Die Festrede anlässlich
der Preisverleihung im Hotel Wiesler, Salon Frühling hielt die Journalistin Sibylle Hamann. Der Preis wurde
von Familie Grabner, AAFP, Film Austria, ORF und der Diagonale im Andenken an den ORF-Journalisten Franz Grabner
(1955–2015) initiiert. Prämiert wird ein im ethischen und moralischen Sinne verantwortungsvoller und glaubwürdiger
Umgang der Filmschaffenden mit ihrem Medium.
Als bester Kinodokumentarfilm setzte sich Waldheims Walzer von Ruth Beckermann durch
„Aus dem Vertrauen in die Kraft des Kinos entstand ein Filmessay, das sich mit Fakten nicht zufrieden gibt, sondern
die widerstreitenden Kräfte einer Gesellschaft spürbar machen will. Historische und persönliche
Wahrheiten werden gegeneinander in Stellung gebracht und die Realität entlarvt sich in ihren extremsten Formen
selbst. Das aufmerksame Betrachten wird zu einem scharfsinnigen Akt der Kritik. Die Regisseurin besitzt die Courage,
sich aus ihrer filmischen Ungleichung nicht herauszunehmen und positioniert sich im Widerstreit um das politische
Gesicht ihres Landes unmissverständlich auf der Seite Demonstrierender. Mit ihrer Kamera steht Ruth Beckermann
seit Jahrzehnten für ein österreichisches Kino, das nicht an der Seite verharrt, sondern sich mitten
aufs politische Terrain begibt.“ Mit diesen Worten begründete die internationale Jury ihre Entscheidung.
Ebenfalls nominiert waren Bruder Jakob, schläfst du noch? von Stefan Bohun sowie Zu ebener Erde von Birgit
Bergmann, Steffi Franz und Oliver Werani.
Preisträger in der Kategorie Fernsehdokumentarfilm ist Leben für den Tod – Menschen am Zentralfriedhof
von Karin Berghammer und Krisztina Kerekes
„Die Filmemacherinnen Karin Berghammer und Krisztina Kerekes filmen ihre Ballade vom Leben und Tod, indem sie über
das Personal erzählen, die Nebenfiguren, die fast unsichtbar ihr Tagwerk verrichten – auf einem der größten
Friedhöfe Europas. Sie beobachten, sie lassen erzählen, sie behalten die Ruhe. Und so verliert man sich
in diesen kleinen Erzählungen übers Sterben, über ‚Versenkungsapparate‘ und über Honig vom
Friedhof. Und das ist gut so, weil es – das Sterben – damit normal wird. Leben für den Tod – Menschen am Zentralfriedhof
ist ein Gespräch über Tod, ohne viel zu quasseln, viel mehr, um zu beobachten, zu schauen, zu verstehen.
Ein Ort, an dem Menschen nie Vergangenheit werden. Eine kleine Lücke in der Zeit. Noch nie wurde die letzte
Ehrenrunde unserer Verstorbenen so frech, so schön erzählt. Großes Handwerk.“ Das konstatierte
die Jury in ihrer Begründung.
Weiters nominiert waren Frauenbilder – Gegenbilder von Barbara Weissenbeck und
Nie genug – Der Körperkult in den sozialen Medien von Jennifer Rezny
„In der Eröffnungsrede der Diagonale’19 durften wir anmerken, dass das größte Potenzial zur Provokation
für Kunst und Kultur gegenwärtig vielleicht im Beharren auf Genauigkeit besteht, in der Verweigerung
vorschneller, populistischer Urteile, im vehementen Dranbleiben und unbequemen Nachfragen. Dokumentarfilm ist dazu
in seinen stärksten Momenten fähig. Das teilt er sich mit dem Qualitätsjournalismus und einem öffentlich-rechtlichen
Rundfunk, der sich nicht andauernden populistischen Angriffen widersetzen muss oder mit voreiligem parteipolitischem
Gehorsam beschäftigt ist. Franz Grabner stand zeitlebens für einen solchen öffentlich-rechtlichen
Rundfunk – und die nominierten Kino- und Fernsehfilme des diesjährigen Franz-Grabner-Preises sind Plädoyers
für die Genauigkeit im Umgang mit der Welt. Wir freuen uns sehr, dass der Franz-Grabner-Preis heuer bereits
zum dritten Mal in den Kategorien Kinodokumentarfilm und Fernsehdokumentarfilm in Graz vergeben wird“, so die Diagonale-Intendanten
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber.
„Der vom ORF mitgegründete und -gestiftete Franz-Grabner-Preis steht für humanitäre Weltanschauung
und unbestechlichen, kritischen Journalismus. Es werden Filme ausgezeichnet, die inhaltlich überzeugen, aber
auch filmisch innovativ sind und sich einer besonderen Erzählweise bedienen“, betont ORF-TV-Kulturchef Martin
Traxl. „Das trifft auf alle drei TV-Finalisten und vor allem auf unseren Siegerfilm zu. Bemerkenswert ist, dass
alle nominierten Fernsehdokus in diesem Jahr von Frauen gestaltet worden sind. Das ist ein starkes Zeichen und
gibt Hoffnung auf eine Zukunft völliger Gleichberechtigung in der Filmbranche. Und besonders freut uns natürlich,
dass alle drei nominierten TV-Filme in Zusammenarbeit mit der Kulturabteilung des ORF entstanden sind“, so Traxl.
Der Preis wurde von Familie Grabner, AAFP, Film Austria, ORF und der Diagonale im Andenken an den ORF-Journalisten
Franz Grabner (1955–2015) initiiert. Prämiert wird ein im ethischen und moralischen Sinne verantwortungsvoller
und glaubwürdiger Umgang der Filmschaffenden mit ihrem Medium.
Mit Unterstützung von Bundeskanzleramt Österreich, FERNSEHFONDS AUSTRIA und Film Commission Graz.
Jury 2019
Simone Baumann (Filmproduzentin, DE)
Christian von Brockhausen (Redakteur Dokumentarfilm NDR, DE)
Paul Pauwels (Direktor EDN – European Documentary Network, Kopenhagen, DK)
Anja Salomonowitz (Filmregisseurin, AT)
Christa Ulli (Redakteurin SRF, CH)
Dennis Vetter (Filmkritiker, DE)
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