Verfassungsausschuss gibt mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit grünes Licht für neue Valorisierungsklausel
Wien (pk) - Die Parteienförderung wird heuer erstmals seit 2012 erhöht. Mit 2% wird das Plus allerdings
deutlich niedriger ausfallen als nach geltender Gesetzeslage vorgesehen. Einen entsprechenden Beschluss hat der
Verfassungsausschuss des Nationalrats am 20. März mit den Stimmen der Koalitionsparteien gefasst. Gleichzeitig
ist vorgesehen, die Parteienförderung künftig jährlich und nicht erst bei Erreichen eines Inflationsschwellenwerts
von 5% zu valorisieren. ÖVP und FPÖ gehen davon aus, dass der von ihnen eingebrachte Gesetzentwurf Einsparungen
in Millionenhöhe bewirkt, die Opposition ist dennoch unzufrieden. Laut NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak
ist der Einsparungseffekt nur ein vorübergehender, auch der Parlamentsklub JETZT und die SPÖ lehnten
die Gesetzesinitiative ab.
Einstimmig angenommen hat der Ausschuss eine Novelle zum Verwaltungsgerichts- hofgesetz. Auch was die Vorabprüfung
von Staatsverträgen durch den Verfassungsgerichtshof betrifft, gibt es weiter grundsätzlichen Konsens
zwischen den Parteien. Justizminister Josef Moser stellte dazu für Mai eine Gesprächsrunde unter Einbeziehung
des VfGH in Aussicht.
Parteienförderung würde ohne Gesetzesnovelle um 7,78% steigen
Eigentlich hätte die Parteienförderung bereits im vergangenen Jahr – inflationsbedingt – um 5,65% steigen
sollen. Das gilt auch für weitere im Parteiengesetz bzw. im Parteien-Förderungsgesetz verankerte Beträge
wie etwa die Wahlkampfkostenobergrenze, meldepflichtige Parteispenden und die besondere Parteienförderung
nach Europawahlen. Allerdings hat das Parlament die Valorisierung für 2018 ausgesetzt und damit auch eine
entsprechende Kundmachung des Rechnungshofs rückwirkend aufgehoben. Nun wollen die Regierungsparteien die
Valorisierungsklausel gänzlich neu formulieren und de facto erst 2019 – statt 2014 – mit der Inflationsanpassung
beginnen (619/A). Damit werden alle relevanten Beträge heuer – ein entsprechender Nationalratsbeschluss vorausgesetzt
– lediglich um 2% statt um 7,78% steigen.
Für die bevorstehenden Europawahlen würde damit – rückwirkend – ein Wahlkampfkostendeckel von 7,14
Mio. € (statt 7,54 Mio. € bzw. 7 Mio. € wie bis 2018) wirksam. Parteispenden sind mit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle
ab 3.570 € ausdrücklich auszuweisen und ab 51.000 € dem Rechnungshof zu melden. Für das Annahmeverbot
anonymer Spenden wird 2019 eine Grenze von 1.020 € gelten.
SPÖ für wirksame Sanktionen bei deutlicher Überschreitung des Wahlkampfkostendeckels
Massive Kritik am Gesetzentwurf übte die Opposition. So ortet SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar einen erheblichen
Widerspruch zwischen der öffentlichen Ankündigung, die Parteienförderung einzufrieren, und der vorliegenden
Initiative. Die SPÖ sei nicht grundsätzlich gegen eine Anpassung der Parteienförderung, betonte
Duzdar, sie vermisst aber wirksame Geldbußen für Parteien, die den gesetzlichen Wahlkampfkostendeckel
deutlich überschreiten. Offenbar seien die derzeitigen Strafen nicht schmerzhaft genug, machte sie mit Hinweis
auf erhebliche Überschreitungen von Seiten der ÖVP und der FPÖ bei den letzten Nationalratswahlen
geltend. Die ÖVP habe fast doppelt so viel ausgegeben wie erlaubt, monierte Duzdar und stellte die Frage,
wozu es Obergrenzen gibt, wenn diese ignoriert würden.
Eine Gesetzesinitiative der SPÖ (457/A), die auf gestaffelte Sanktionen, abhängig vom Ausmaß der
Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze, abzielt, fand jedoch nicht den Weg ins Plenum. Sie wurde von
den Koalitionsparteien mit einem Vertagungsantrag in die Warteschleife geschickt. Dass die SPÖ auch gegen
den Antrag der NEOS stimmte, die Parteienförderung einzufrieren, begründete Duzdar damit, dass ihre Fraktion
keine von Großspendern und Konzernen abhängigen Parteien wolle.
NEOS: Neue Valorisierungsklausel führt ab 2024 zu Mehrkosten
Seitens der NEOS forderte Nikolaus Scherak, die Parteienförderung auf dem jetzigen Stand einzufrieren. Ex-Parteichef
Matthias Strolz hatte dazu bereits gleich zu Beginn der Legislaturperiode einen Gesetzesantrag (19/A) eingebracht,
der heute jedoch ebenso wenig eine Mehrheit fand wie ein von Scherak eingebrachter Abänderungsantrag zur Koalitionsinitiative.
Österreich liege bei der Parteienförderung weltweit im Spitzenfeld, argumentiert Scherak den Vorstoß
seiner Fraktion.
Scherak hält es zudem "für eine bodenlose Frechheit", dass die Koalitionsparteien der Bevölkerung
Einsparungen suggerieren wollten, obwohl im Endeffekt mehr Geld ausgegeben werde. Seinen Berechnungen nach sorgt
die künftig jährliche Valorisierung der Parteienförderung dafür, dass der vorübergehende
Einsparungseffekt schon 2023 wieder wettgemacht wird. Spätestens ab 2024 werde es zu Mehrkosen im Vergleich
zur jetzigen Valorisierungsklausel kommen.
Nicht gelten ließ Scherak auch das Argument von FPÖ-Abgeordnetem Markus Tschank, wonach das österreichische
Förderungssystem nicht mit jenem in Deutschland vergleichbar sei, weil es dort mehr Förderungen für
die einzelnen Abgeordneten gebe. Ihm zufolge wäre es sinnvoll, auch in Österreich über eine entsprechende
Umschichtung der Fördermittel nachzudenken. Derzeit sei die Macht stark in den Parteizentralen konzentriert.
Ein Anliegen ist Scherak auch mehr Transparenz bei Parteispenden, private Spenden sieht er bei Beachtung dieses
Prinzips nicht als problematisch.
JETZT für Halbierung der Parteienförderung
"Ich finde es unanständig, was hier passiert", kommentierte JETZT-Abgeordneter Alfred Noll den Regierungsantrag.
Am Vormittag im Sozialausschuss die Anhebung des Pflegegelds zu verweigern und sich am Nachmittag im Verfassungsausschuss
selbst ein Zubrot zu gönnen, sei unverschämt, meinte er. Geht es nach Noll, könnte die Parteienförderung
überhaupt auf 50% des gegenwärtigen Niveaus gesenkt werden. Jedenfalls sollte seiner Meinung nach die
Valorisierung ausgesetzt werden. Bei Wahlkampfkostenüberschreitungen schlägt Noll vor, den betreffenden
Parteien die allgemeine Parteienförderung zu streichen.
ÖVP und FPÖ verweisen auf Einsparungen
Verteidigt wurde der vorliegende Gesetzesantrag von Markus Tschank (FPÖ), Philipp Schrangl (FPÖ), Wolfgang
Gerstl (ÖVP) und Harald Stefan (FPÖ). Es sei für das demokratische System wichtig, dass Parteien
ausreichend vom Staat gefördert werden, sagte Stefan. Schließlich sollten Parteien nicht von privaten
Spendern abhängig sein. Zudem sei die öffentliche Förderung – im Gegensatz zur sonstigen Parteienfinanzierung
– transparent. Tschank sprach von einer "marktüblichen Valorisierung" und verwies wie sein Fraktionskollege
Schrangl auf "ordentliche Einsparungseffekte" gegenüber der jetzigen Regelung. Man verhindere mit
der Initiative schließlich, dass die Parteienförderung um 7,8 % steige.
Auf dieses Faktum wies auch ÖVP-Verfassungssprecher Gerstl hin. Die Erhöhung würde deutlich höher
ausfallen würde, würde man nichts tun, machte er geltend. Man wolle jedenfalls keine Situation, wo sich
Parteien zu 90% aus privatem Spendengeld finanzieren. Zum SPÖ-Antrag betreffend Wahlkampfkostenobergrenze
merkte Gerstl an, es sei sinnvoll, dass die Strafhöhe vom Parteien-Transparenz-Senat festgelegt werde. FPÖ-Abgeordneter
Stefan stellte in diesem Zusammenhang fest, dass Wahlkampfkosten leicht verschleiert werden könnten.
VwGH erhält mehr zeitliche Flexibilität bei Stellenausschreibungen
Einstimmig den Verfassungsausschuss passiert hat ein weiterer Antrag der Koalitionsparteien (604/A). Er räumt
dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bei Stellenausschreibungen künftig mehr zeitliche Flexibilität ein.
Planstellen für VwGH-RichterInnen sollen demnach in Hinkunft möglichst sechs Monate vor, spätestens
jedoch drei Monate nach Freiwerden ausgeschrieben werden müssen. Derzeit legt das Verwaltungsgerichtshofgesetz
einen engeren Rahmen (drei Monate vorab bzw. spätestens ein Monat danach) fest. Das kann dazu führen,
dass eine gemeinsame Ausschreibung zeitlich versetzt frei werdender Planstellen nicht möglich ist, wie Josef
Lettenbichler erläuterte.
NEOS fordern weitgehendes Berufsverbot für VerfassungsrichterInnen
Schließlich vertagte der Verfassungsausschuss drei Anträge der Opposition. So konnte sich NEOS-Abgeordneter
Nikolaus Scherak nicht mit der Forderung nach einem weitgehenden Berufsverbot für die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs
(VfGH) durchsetzen (596/A(E)). Das derzeitige System funktioniere sehr gut, hielt FPÖ-Verfassungssprecher
Harald Stefan Scherak entgegen. Seiner Ansicht nach wäre es weitaus problematischer, wenn der VfGH ausschließlich
aus BerufsrichterInnen zusammengesetzt wäre.
Auch Philipp Schrangl (FPÖ), Alfred Noll (JETZT) und Angela Lueger (SPÖ) wollen an der derzeitigen Organisation
des VfGH nicht rütteln. Diese sei durchaus adäquat, sagte Noll. Das österreichische Verfassungsgericht
stehe anderen Verfassungsgerichten um nichts nach, weder was die Unbefangenheit der RichterInnen noch was die Erledigungszahlen
betrifft. Man könne bei Bedarf an einzelnen Stellschrauben drehen, ein Berufsverbot für RichterInnen
sei aber nicht vordringlich.
Scherak erachtet es dagegen als unbefriedigend, dass es Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs in Österreich,
anders als in anderen Ländern, erlaubt ist, weiter einen Beruf auszuüben. Nebenbeschäftigungen könnten
schließlich Abhängigkeiten mit sich bringen, die sachliche Entscheidungen gefährden, gibt er zu
bedenken. Die NEOS mahnen in diesem Sinn strenge Unvereinbarkeitsregelungen auch für VfGH-RichterInnen, angelehnt
an die Bestimmungen im Richterdienstgesetz, ein.
Vorabprüfung von Staatsverträgen: Moser stellt Gespräche Anfang Mai in Aussicht
Bereits zum zweiten Mal vertagt wurde eine von der SPÖ beantragte Verfassungsnovelle, mit der dem Verfassungsgerichtshof
(VfGH) die Möglichkeit eingeräumt werden soll, Staatsverträge bereits vor ihrem Abschluss auf mögliche
Verfassungs- bzw. Gesetzeswidrigkeiten zu prüfen (240/A). Bei den ersten Beratungen im Oktober hatte Justizminister
Josef Moser einen Gesetzesvorschlag der Regierung für das 1. Quartal 2019 in Aussicht gestellt. Das wird sich
ihm zufolge nun zwar nicht mehr ganz ausgehen, Moser will aber Anfang Mai VertreterInnen aller Parteien und des
Verfassungsgerichtshofs einladen, um über in der Zwischenzeit ausgearbeitete Vorschläge zu diskutieren.
Unter anderem geht es um die Frage, in welchem Stadium Anfechtungen möglich sein sollen, wer anfechtungsberechtigt
ist und in welchem Umfang der Verfassungsgerichtshof vorab prüfen soll. Ein konkreter Gesetzentwurf könnte
dann bis zum Sommer vorliegen.
JETZT drängt auf verfassungsgesetzliche Absicherung des Anwaltsgeheimnisses
Etwas abgewinnen können die Koalitionsparteien auch der Forderung des Parlamentsklubs JETZT nach einer verfassungsgesetzlichen
Absicherung des Anwaltsgeheimnisses. Allerdings müsse man sich das genauer anschauen, begründete Markus
Tschank die Vertagung eines von Alfred Noll eingebrachten Entschließungsantrags (439/A(E)). Es gebe auch
andere Berufsgruppen, in denen es um Verschwiegenheitspflichten gehe, zudem müsse man Normen wie die Geldwäscherichtlinie
berücksichtigen. Tschank kann sich aber vorstellen, "im nächsten halben Jahr eine gute Lösung
hinzubekommen".
Einen ähnlichen Zeithorizont nannte Justizminister Moser. Er will zunächst mit Rechtsanwälten und
Notaren erörtern, was machbar und zweckmäßig ist. Seitens der SPÖ hielt Ausschussvorsitzender
Peter Wittmann fest, gerade in einer Zeit, in der es immer mehr Überwachung gebe, sei es wichtig, dass Anwälte
ihre Verteidigungsaufgaben wahrnehmen können, ohne selbst überwacht zu werden.
Noll will mit seiner Initiative einer etwaigen Aushöhlung der rechtsanwaltschaftlichen Verschwiegenheitspflicht
vorbeugen. Insbesondere geschützt werden sollen die rechtsanwaltliche Korrespondenz und Kommunikation sowie
alle Aufzeichnungen über MandantInnen, und zwar unabhängig von der Art der Unterlagen, ihrer Speicherform
und dem Ort der Aufbewahrung. Gleichzeitig sollen ein umfassendes Verwertungsverbot und Strafsanktionen für
eine Verletzung des Geheimnisschutzes verankert werden.
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