Mehrstündige Alltagsbegleitung schließt Lücken zur 24h-Betreuung, längere
Öffnungszeiten in Tageszentren – Ludwig und Hacker: „Wien als Best Practice für bundesweite Reformen“
Wien (rk) - Bürgermeister Michael Ludwig, Sozialstadtrat Peter Hacker und die Geschäftsführerin
des Fonds Soziales Wien, Anita Bauer, haben am 19. März neue Leistungen im Bereich der Pflege und Betreuung
in Wien vorgestellt. Die neuen Angebote werden im Rahmen des Strategiekonzepts „Pflege und Betreuung in Wien 2030“
umgesetzt, das die Versorgung pflegebedürftiger Wienerinnen und Wiener nachhaltig sichert. Mit Blick auf den
im Dezember von der Bundesregierung ausgerufenen „Masterplan Pflege“ sagte der Wiener Bürgermeister: „Die
Bundeshauptstadt ist bei der Pflege sehr gut aufgestellt. Wenn jetzt nach nachhaltigen Organisationsmodellen gesucht
wird, ist die Bundesregierung gut beraten, auf dieses Know How und diese Erfahrungen zurückzugreifen. Bei
der Finanzierung müssen wir darauf achten, dass die Pflege nicht zum privaten Risiko wird.“
Wien als „Best Practice“
„Eine soziale Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Gemeinschaft den Einzelnen dann unterstützt,
wenn er oder sie Hilfe braucht. Die Wienerinnen und Wiener können sich sicher sein, dass sie genau die Leistung
bekommen, die sie benötigen, und dass sie sich Pflege und Betreuung leisten können.“, erklärte Ludwig.
„Wir ruhen uns darauf aber nicht aus, sondern entwickeln unsere Leistungen laufend weiter. Pflegende müssen
Sicherheit haben und Betroffene dürfen nicht mit ihren Fragen, Wünschen und Bedürfnissen allein
gelassen werden.“
Zum „Masterplan Pflege“ des Bundes äußerte sich Ludwig abwartend, er sei gespannt auf eine Konkretisierung
der Vorschläge. Klar sei jedenfalls, dass Ideen zur bundesweiten Vereinheitlichung von Maßnahmen im
Einvernehmen mit allen Bundesländern umgesetzt werden müssten. „Das ist keine Frage politischer Streitereien,
es geht um die Sicherheit für alle Wienerinnen und Wiener, die auf Pflege und Betreuung angewiesen sind. Wir
sorgen dafür, dass Pflege leistbar bleibt – für die Menschen in unserer Stadt, aber auch für die
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“
Pflegeleitlinien der Zukunft
Auch Sozialstadtrat Hacker betonte, die Wiener Pflegestrategie beinhalte etliche Punkte, die im „Masterplan“
bislang noch keine Berücksichtigung fänden. Die Zuspitzung „Pflege daheim statt im Heim“ beispielsweise
greife zu kurz: „Welche Leistungen in der jeweiligen Lebenssituation die richtigen und besten sind, orientiert
sich am individuellen Bedarf und den momentanen Umständen. Die bestmögliche Pflege und Betreuung kann
keinesfalls eine Frage von Systemgrenzen sein.“ Hacker unterstrich in diesem Zusammenhang auch die Notwendigkeit
eines bundesweit einheitlichen Pflegesystems mit zentralen, trägerunabhängigen Servicestellen in jedem
Bundesland. „Es ist ganz entscheidend, dass wir die Menschen umfassend informieren. Die weitverbreitete Ansicht,
dass sich Menschen ihre Pflege selbst organisieren können, ist in der Praxis oft zum Scheitern verurteilt.
Nur Experten können alle existierenden Leistungen im Blick haben.”
Bei der aktuellen Weiterentwicklung des Leistungsangebots stünden der Erhalt der Selbstständigkeit und
die Flexibilisierung der Leistungen im Mittelpunkt. „Das zögert nicht nur die Notwendigkeit einer stationären
Langzeitpflege hinaus, sondern bedeutet für die Betroffenen selbst auch eine maßgebliche Steigerung
ihrer Lebensqualität“, führt Hacker aus.
Unterstützung für pflegende Angehörige
Anita Bauer, Geschäftsführerin des für die Pflege und Betreuung zuständigen Fonds Soziales
Wien, betonte einen weiteren Aspekt: Im Interesse einer nachhaltigen Strategie müsse die große Belastung
informell pflegender Menschen – vor allem Frauen – berücksichtigt werden. Pflegende Angehörige müssten
bestmöglich entlastet und motiviert werden, Unterstützung anzunehmen: „Ein wichtiger Aspekt bei den aktuellen
Leistungserweiterungen ist daher die bessere und lebensnahe Unterstützung pflegender Angehöriger“, so
Bauer. „Wir lassen die Menschen in Wien mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe nicht allein. Die neuen Leistungen
sind ein weiterer Schritt hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit“.
Neue Leistungen im Überblick:
- Mehrstündige Alltagsbegleitung wird in Zusammenarbeit
mit 12 Trägern seit November 2018 im Rahmen eines Pilotprojekts angeboten. Mehrstündige Alltagsbegleitung
von pflege- und/oder betreuungsbedürftigen Menschen bildet den Lückenschluss zur 24-Stunden-Betreuung
und dient der Entlastung pflegender Angehöriger. Sie ergänzt den Aufgabenbereich anderer Gesundheits-
und Sozialbetreuungsberufe. Die Betreuung findet im Wohnumfeld statt. Ziele sind die Aufrechterhaltung sozialer
Kontakte, die Unterstützung bei Alltagstätigkeiten sowie die Begleitung bei Wegen außer Haus.
- TZ Plus (erweiterte Öffnungszeiten Tageszentren): Tageszentren
für Seniorinnen und Senioren bieten älteren Wienerinnen und Wienern, die noch selbstständig wohnen
oder von mobilen Diensten und/oder Angehörigen betreut werden, Tagesbetreuung an. Neben einer abwechslungsreichen
Tagesgestaltung mit zahlreichen Aktivierungsangeboten für Körper und Gedächtnis gibt es auch Pflegeangebote.
Um noch besser auf den Bedarf der KundInnen und ihrer Angehörigen einzugehen, wurden in zwei Tageszentren
die Öffnungszeiten erweitert: Im Tageszentrum Favoriten und seit 1. März auch im Tageszentrum Winarskystraße
kann das Angebot nun auch an Wochenenden und Feiertagen genutzt werden.
- Betreuung mit Fahrt: KundInnen, die nicht selbstständig
in ein Tageszentrum gelangen können, konnten schon bislang einen Fahrtendienst über das Tageszentrum
zubuchen. Diese Möglichkeit besteht nach wie vor – neu ist, dass Menschen, die Unterstützung vor, während
und nach der Fahrt benötigen, die Leistung „Betreuung mit Fahrt“ über den Fonds Soziales Wien beziehen
können. Die KundInnen werden im Wohnumfeld abgeholt und erhalten beispielsweise Unterstützung beim Anziehen
der Überkleidung, beim Herrichten der Gehhilfe usw.
60.000 KundInnen, mobile Pflege stärkster Bereich
Der Fonds Soziales Wien finanziert und organisiert die Pflege und Betreuung für rund 60.000 Menschen in Wien.
Mit 36.000 KundInnen ist die mobile Pflege das mit Abstand größte Segment, 22.200 Menschen leben in
einer der 91 stationären Einrichtungen. Die 17 auf die gesamte Stadt verteilten Tageszentren werden von 2.200
Personen genutzt. 2017 wendete der FSW etwas mehr als eine Milliarde Euro für Pflege- und Betreuung auf -
davon stammten rund zwei Drittel aus öffentlichen Mitteln, ein Drittel wurde durch Kostenbeiträge der
KundInnen aus deren Pensionen und Pflegegeldbezügen abgedeckt.
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