Günter Brus’ Druckgrafik aus 50 Jahren
Graz (museum joanneum) - Das BRUSEUM zeigt von 29. März bis 30. Juni unter dem Titel Erdruckt
und erstochen das druckgrafische Werk von Günter Brus der letzten 50 Jahre. Neben den Druckgrafiken sind auch
Skizzen, Zeichnungen sowie Druckplatten zu sehen. Besonders an Letzteren wird „die Verletzung des Materials sowie
die Radikalität und Intensität sichtbar, mit der Brus diese bearbeitet hat. Teilweise mit Flaschenöffnern,
Scheren oder Kronkorken,“ so Kurator Roman Grabner bei der Eröffnung. Die in schwarz gehaltene Ausstellung
– die dunkel gestrichenen Wände referieren auf die Druckerschwärze – zeigt auch „Brus’ Weg vom Aktionskünstler
zum Bild-Dichter und vereint Werke aus der eigenen Sammlung sowie viele bedeutende Leihgaben,“ freute sich der
Leiter der Neuen Galerie Graz, Peter Peer.
Günter Brus als „Kupfermörder“
Gerade seine Kaltnadelradierungen spiegeln die körperliche Anstrengung und den enormen Kraftaufwand wider,
der ihrer Entstehung zugrunde liegt. Brus hat die Metallplatten mit Stahlnadeln, Taschenmessern, Scheren, Drahtbürsten,
Bohrern und einem Elektrofräser bearbeitet, ja richtiggehend attackiert. Er spricht von sich selbst als „Kupfermörder“.
Brus arbeitet ohne Skizzen oder Vorzeichnungen direkt in die Platte und knüpft damit an die „direkte Kunst“
seit den frühen Aktionen an. Auch wenn er mitunter auf Bilder der Kunstgeschichte referiert oder an eigenen
Werken Maß nimmt, ist die einzige grundlegende Zeichnung, die existiert, jene, die in die Metallplatten geritzt,
gekratzt und gestochen wird. Zeichnungen auf weißen Wänden sind den Druckplatten in Vitrinen und den
Drucken auf schwarzen Wänden gegenübergestellt.
Von ersten Matrizendrucken hin zu Siebdrucken
Die Ausstellung beginnt mit den ersten Matrizendrucken, die Brus 1966 im Rahmen des von ihm und Muehl gegründeten
Instituts für direkte Kunst anfertigt. Die Matrize erlaubt ihm zwar nur eine Auflage von maximal 40 Stück,
da die Farbsättigung mit jedem Abzug abnimmt, aber er erreicht mit seiner Kunst das erste Mal eine Öffentlichkeit
jenseits des kleinen Zirkels an Eingeweihten. Im selben Jahr, in dem er beginnt, Matrizendrucke zu produzieren
und damit eine Öffentlichkeit für seine Aktionen mitzudenken, verändert sich auch die Ausrichtung
seiner Aktionen. Im Herbst 1967 entwickelt er das Konzept der Körperanalyse, bei dem er auf jedes künstlerische
Material verzichtet und ausschließlich mit seinem Körper und dessen Funktionen arbeitet. Mit seinen
Aktionen Der Staatsbürger Günter Brus betrachtet seinen Körper und Kunst und Revolution zeigt er
nicht nur zum ersten Mal seine Körperanalysen in Österreich, sondern fertigt parallel dazu für die
Plakate auch seine ersten Siebdrucke an.
Tiefdruckverfahren und Schwarze Romantik
1971 entsteht seine erste Kaltnadelradierung und kurz darauf die Serie Die Botschaft, deren Blätter in Inhalt,
Stil und Stoßrichtung den Irrwisch-Zeichnungen verwandt sind und von einer „recht spitzbübischen Freude
an der Blasphemie“ gekennzeichnet sind. Die intensive Beschäftigung mit den unterschiedlichen Techniken des
Tiefdruckverfahrens setzt allerdings erst mit den 1980er-Jahren ein. Inhaltlich setzt sich Brus in dieser Zeit
intensiv mit der Literatur und bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts auseinander, und hier vor allem mit jener Tendenz,
die als Schwarze Romantik bezeichnet wird. Die achtteilige Bild-Dichtung Nachtquartett ist eine der zentralen Arbeiten
dieser Zeit.
Ein Streifzug durch 50 Jahre Brus’sches Schaffen
Die Ausstellung, die 50 Jahre Brus’sches Schaffen umfasst, offenbart inhaltliche, formale und kompositorische
Vernetzungen. Gleichzeitig lässt sich sehr gut nachvollziehen, dass Erkenntnis für Brus wesentlich auf
Erinnerung, auf der Auseinandersetzung mit denselben grundsätzlichen Fragen beruht und damit künstlerisch
Wiederholung und Variation bedeutet. In der gedruckten Bild-Dichtung Kaspar Hauser’s Geburt in An Alphabebethlehem
aus dem Jahr 2008 greift er zum Beispiel Motive und Elemente auf, die auf Dokumentationsfotos seiner Aktionen beruhen,
die er 40 Jahre zuvor durchgeführt hat. Wieder geht es um Themen wie Einsamkeit, Entfremdung und das Geworfensein,
die er verhandelt, und fast schon symptomatisch spricht er in der Bild-Dichtung vom „Raum- und Zeitsprung“. Vier
Jahrzehnte nach seiner Aktionszeit ringt er künstlerisch noch immer mit denselben Fragestellungen der menschlichen
Existenz und den Untiefen des Humanums – und er wird nicht müde, wie auch die jüngsten Arbeiten der Ausstellung
zeigen.
Ausstellungsansicht "Erdruckt und erstochen",
Die Schau reiht sich optimal in das aktuelle Programm der Neuen Galerie Graz ein, die noch bis 25. August mit Zu
viel ist nicht genug! Die Schenkung Sammlung Artelier mehr als 500 Editionen – darunter Siebdruck, Holz-, Metall-
und Kunststoffbearbeitung – aus der Sammlung der Edition Artelier präsentiert. Erfreulich ist es, dass eine
480-seitige Publikation diese bisher umfangreichste Präsentation des druckgrafischen Werks von Günter
Brus dokumentiert. Erhältlich ist der Katalog um 48 € im Museumshop im Joanneumsviertel sowie im gut sortierten
Buchhandel.
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