Die Sozialwirtschaft: Kostenfaktor, Erfolgsfaktor, Wirtschaftsfaktor?
Eisenstadt/Wien - Eine breit angelegte Studie analysierte Kosten und Wirkungen der Angebote der burgenländischen
Alten- und Pflegeheime. Ergebnis: Jeder investierte Euro kommt als positive gesamtgesellschaftliche Wirkung mehr
als 3,6 mal wieder zurück. Eine Erfolgsbilanz, die wachrüttelt und den politischen Entscheidungsträgern
wie den alten Menschen im Burgenland zu Hilfe kommen soll.
Was passiert eigentlich mit dem Geld, das das Land Burgenland in die Angebote seiner Alten- und Pflegeheime investiert?
Die Arbeitsgemeinschaft der Heim- und PflegedienstleiterInnen der Alten- und Pflegeheime Burgenlands wollte es
genau wissen und ist der Spur des Geldes gefolgt. Aber nicht nur das. Sie fragte auch: Welche Bedeutung haben die
sozialen Dienstleistungen der Alten- und Pflegeheime für das Land und wer profitiert besonders davon?
Das NPO & SE Kompetenzzentrum der Wirtschaftsuniversität Wien wurde mit einer breit angelegten Studie
beauftragt, die gesellschaftlichen und ökonomischen Wirkungen der stationären Alten- und Pflegeeinrichtungen
im Burgenland zu analysieren. In einem Großteil der 42 burgenländischen stationären Alten- und
Pflegeheimen sowie in 13 Modellheimen hat dafür in enger Zusammenarbeit mit dem Land eine Primärerhebung
stattgefunden. Der Fokus dieser quantitativen Erhebung lag vor allem auf Output- sowie Finanzdaten der einzelnen
Einrichtungen. Kosten und Nutzen der eingesetzten Gelder wurden nach der Methode des Social Return in Invest (SROI)
untersucht und ausgewertet.
Hohe Wirksamkeit der Leistungen der stationären Alten- und Pflegeeinrichtungen im Burgenland
Am 27. März wurden die Erkenntnisse und Einblicke in die Studie an der Wirtschaftsuniversität Wien
einem interessierten Publikum aus der stationären wie der mobilen Pflege, dem Arbeitsmarktservice u.v.a. präsentiert.
Sie zeigen die hohe Wirksamkeit der Leistungen der stationären Alten- und Pflegeeinrichtungen auf – einerseits
für die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime und ihre Angehörigen, für die Mitarbeitenden, ebenso
jedoch für Krankenhäuser, Bund, das Land Burgenland, Gemeinden, andere Bundesländer, Sozialversicherungsträger,
Arbeitsmarkservice, Lieferanten, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Einsatzorganisationen u.v.m.
Die bedeutendsten positiven Wirkungen entstanden im Untersuchungszeitraum 2016 für Bewohnerinnen und Bewohner,
gefolgt von den Krankenhäusern, die 64% der Gesamtwirkungen auf sich vereinen. Allen voran steht das Sicherheitsgefühl
der alten und sehr alten Menschen mit zunehmenden körperlichen Einschränkungen, das durch eine Unterbringung
in einem Alten- und Pflegeheim deutlich gewinnt. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Zunahme an sozialen Kontakten
für die BewohnerInnen in den Alten- und Pflegeheimen sowie die Verbesserung der Beziehung zu den Angehörigen,
ein steigendes psychisches Wohlbefinden, ein verbesserter physischer Zustand und keine Gefahr der Verwahrlosung.
Der große Nutzen für die Krankenhäuser entsteht durch die reduzierte Belagsdauer der Procuratio-Fälle,
d.h. der Pflege in Akutkrankenanstalten ohne Notwendigkeit einer ärztlichen Versorgung, da diese sehr hohen
Kosten bewirken. Weiters erzielten externe LieferantInnen durch Aufträge der Alten- und Pflegeeinrichtungen
im Zeitraum der Studie eine monetarisierte Wirkung von 2,35 Mio. Euro.
Jeder investierte Euro kommt mehr als 3,6 mal zurück!
Zusammenfassend zeigt die Studie auf, dass die stationären Alten- und Pflegeeinrichtungen im Burgenland
sehr wirkungsvoll sind. Die monetarisierten Wirkungen, welche aus den Leistungen der stationären Einrichtungen
im Jahr 2016 hervorgegangen sind, waren rund 3,6 mal so hoch wie die getätigten finanziellen Investitionen
des Landes. Dies bedeutet, dass jeder investierte Euro Wirkungen im monetarisierten Gegenwert von 3,62 Euro schafft.
Die Investitionen kommen somit als positive gesamtgesellschaftliche Wirkungen mehr als dreimal wieder zurück.
Podiumsdiskussion zu den Chancen und Herausforderungen des Gesamtsystems in der Pflege und Betreuung in Österreich
Im Anschluss an die Studienpräsentation diskutierten Expertinnen und Experten aus dem mobilen und stationären
Pflegebereich die Ergebnisse der burgenländischen Studie sowie die Chancen und Herausforderungen des Gesamtsystems
in der Pflege und Betreuung in Österreich.
Einigkeit herrschte darüber, dass der Leitgedanken aus den 1980-er Jahren, der inzwischen fast als sakrosankt
gilt, nämlich „mobil vor stationär“ heute überholt ist. Zu Hause versorgt zu werden ist weder immer
die bessere Lösung bei Pflegebedürftigkeit noch ist dies eine geeignete Antwort auf die stark steigende
Zahl der hochaltrigen Menschen. Heute gilt es vielmehr, eine Vielzahl verschiedener Angebote in eine sinnvolle
Beziehung zu einander zu bringen und für jede Situation die jeweils geeignetste Antwort zu finden. Die Angebote
sollen sich demnach ergänzen bzw. sich dadurch oftmals auch gegenseitig ermöglichen – z.B. vorübergehende
stationäre Aufnahme bei Krankheitsphasen um wieder in die mobile Betreuungsform zurückkehren zu können.
Kritisch beleuchtet wurde besonders auch die Frage der Abwanderung von Arbeitskräften aus osteuropäischen
Staaten nach Österreich „Was ist, wenn dort niemand mehr ist, für die Pflege der eigenen alternden Bevölkerung?“.
Ein Blick nach Rumänien zeigt ein Bild der Verwahrlosung hochaltriger Menschen, weil Fachkräfte wie 24-Stunden
Betreuungskräfte u.a. nach Österreich abgezogen werden und das dortige Sozialsytem ausgehölt wird.
Mittelfristiges Ziel müsse es daher sein, Pflegeberufe bei jungen Menschen in Österreich zu attraktivieren
und die Pflege im eigenen Land selbst bewältigen zu können.
Im Mittelpunkt stehen muss bei allen Überlegungen immer die Lebensqualität der alternden Menschen - in
Österreich wie in ganz Europa.
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