Aktionsplan gegen Radikalisierung und Extremismus soll bis Ende 2019 auf dem Tisch liegen
Wien (pk) - In zwei Entschließungen hat der Nationalrat am 27. März ein Zeichen gegen Parallelgesellschaften
und islamistische Radikalisierung sowie Menschenhandel und Schlepperei gesetzt. Geht es nach Staatssekretärin
Karoline Edtstadler, wird bis Ende 2019 ein Nationaler Aktionsplan gegen Extremismus und Radikalisierung auf dem
Tisch liegen.
Liste JETZT für ganzheitliche Betrachtung des Extremismus-Phänomens
Geht es nach der Mehrheit im Plenum, soll die Regierung auch weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun, um jeglicher
islamistischer Radikalisierung in Österreich vorzubeugen und entgegenzuwirken sowie die Bildung von Parallelgesellschaften
zu verhindern. Untermauert wird die von ÖVP und FPÖ initiierte Entschließung etwa anhand der Problematik
von informellen Scharia-Gerichten in mehreren Mitgliedstaaten des Europarates.
Der Liste JETZT greift die Resolution gegen die Verhinderung von Parallelgesellschaften und islamistischer Radikalisierung
allerdings zu kurz. "Wir sollten uns gegen jegliche Form von religiösen, politischen und weltanschaulichen
Extremismus stellen", sagte Alma Zadic (JETZT), der Antrag ziele jedoch nur auf die Bekämpfung von Radikalisierung
ab. Jegliche Ideologien, die zum Ziel haben, den demokratischen Verfassungsstaat und seine Grundsätze zu beseitigen,
müssten entschieden bekämpft werden. Angesichts der jüngsten Ereignisse in Christchurch sei eine
gesamtheitliche Betrachtung des Extremismus-Phänomens notwendig, ein entsprechender Versuch, die Resolution
dahingehend abzuändern, blieb erfolglos.
Die FPÖ spreche sich gegen jegliche Form von Radikalisierung und Extremismus aus, die konkrete Entschließung
würde sich aber aus guten Gründen mit der islamistischen Bedrohung auseinandersetzen, meinte dazu Susanne
Fürst (FPÖ). Fakt sei, dass es in Österreich mit Hinduisten oder Buddhisten keine Probleme gebe
und die Lebensstile nicht miteinander kollidieren würden. Spezifische Probleme gebe es allerdings mit dem
politischen Islam, zumal dieser die Verfassungsordnung angreife. Leider könne nicht alles auf Bundesebene
geregelt werden, meinte Fürst in Hinblick auf die Stadt Wien, in der die SPÖ das Entstehen von Parallelgesellschaften
zugelassen habe. Dass es mit anderen Glaubensrichtungen keine Probleme gebe, betonte auch ihr Fraktionskollege
Hannes Amesbauer. Er verwies auf islamistische Radikalisierung im Internet, an Schulen, in Moscheen und Asylwerberquartieren.
Während der Flüchtlingskrise seien IS-Kämpfer und Dschihadisten nach Österreich und Europa
gekommen. Sogenannte IS-Heimkehrer, die verharmlosend so bezeichnet würden, hätten hier nichts verloren.
Das Wichtigste sei die Unterbindung der Zuwanderung besonders aus dem arabischen Raum.
"Dieses Thema ist zu ernst für politisches Hickhack", unterstrich
Gudrun Kugler (ÖVP). Die Politik dürfe die Problematik nicht vertuschen, sondern müsse sie über
Parteigrenzen hinweg offensiv angehen. Islamistische Radikalisierung müsse vermieden werden, es gehe um den
sozialen Frieden und den Schutz von Religionen vor Missbrauch. Kultur- und Religionsrelativismus bringen die Politik
hier nicht weiter. Man müsse in diesem Zusammenhang aber auch über die Attacken in Christchurch sprechen,
die schwer zu verurteilen seien, so Kugler.
Dass Parallelgesellschaften und politischer Islam in Österreich keinen Platz haben, betonten außerdem
Angela Baumgartner und Claudia Plakolm (beide ÖVP). Prävention und Sensibilisierung seien allerdings
nicht nur die Aufgabe der Behörden, sondern der gesamten Gesellschaft. Maria Großbauer (ÖVP) sprach
sich wiederum für mehr Kontrolle sowie wissenschaftliche Arbeit und Forschung aus, um den Ursachen der Radikalisierung
noch besser auf den Grund gehen zu können. Sie sei außerdem überzeugt, dass das gemeinsame Musizieren
in den Schulen verstärkt werden sollte, um das Gemeinschaftsgefühl zu fördern.
Vor dem Hintergrund von zunehmenden Belästigungen und Attacken gegen Menschen jüdischen Glaubens in Europa
machte Harald Troch vonseiten der SPÖ auf eine "neue Form von Antisemitismus" aufmerksam. Allerdings
gebe es nach wie vor seine alte Form, wie Troch kritisierte. Die SPÖ sprach sich dementsprechend in einem
Antrag für eine konsequente Bekämpfung rechtsextremer Aktivitäten und des Antisemitismus aus. Das
grauenhafte Attentat eines Rechtsextremisten in Christchurch habe auf traurige Art bewiesen, dass der rechtsextreme,
global vernetzte Terror genauso gefährlich einzuschätzen sei wie der islamistische Terror. Die Auflösung
der "Identitären Bewegung" sei zu prüfen und gegebenenfalls auch zu vollziehen, so unter anderem
die Forderung der Oppositionsfraktion. Renate Gruber und Robert Laimer (beide SPÖ) ergänzten, dass alle
Formen von Parallelgesellschaften und Radikalisierung, die dem Staat und der Bevölkerung Schaden zuführen,
abzulehnen seien. "Dazu gehört jede Art von Radikalisierung, egal ob links oder rechts", so Gruber.
Heftige Kritik an der ÖVP und FPÖ kam von NEOS-Abgeordneter Stephanie Krisper (NEOS). Deren Forderungen
gegen Parallelgesellschaften oder das Schlepperwesen sei nicht echt, die Regierung habe nämlich in Wirklichkeit
kein Interesse daran, Migration oder Integration zu managen, da sie durch das Schüren von Ängsten profitiere.
"Das ist das Geschäftsmodell von ÖVP und FPÖ", so Krisper, Kanzler Kurz setze die Latte
von Unmenschlichkeit und Ausgrenzung immer tiefer.
"Terror kennt keine Religion, keine Ethnie, keine Hautfarbe", sagte Martha Bißmann (o.F.), die
für eine Aufstockung des Budgets für muslimische SeelsorgerInnen in Österreichs Gefängnissen
einstand. Die Bedeutung von Religion nehme in der Haft zu, hier spare der Staat an der falschen Stelle.
Efgani Dönmez (o.F.) appellierte, Radikalisierung als ein langes Kapitel der westlichen Modernisierung und
Globalisierung zu begreifen. Diskussionen müssten differenziert geführt werden, wichtig sei etwa, progressive
und liberale MuslimInnen zu unterstützen und sich die Nährböden für Radikalisierung sowie deren
Finanzierung noch genauer anzusehen.
Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) machte klar, jeglicher Form von Radikalisierung, die darauf
abzielt, den Rechtsstaat zu unterwandern, entschieden entgegentreten zu wollen. Es müsse daher auch erlaubt
sein, derartige Probleme anzusprechen und diese nicht aufgrund falsch verstandener Toleranz zu verschweigen. Der
politische Islam sei eine Herausforderung für Demokratien, die Regierung setze neben konkreten Maßnahmen
auch auf Prävention und Sensibilisierung. Wichtig sei auch, die Zivilgesellschaft einzubinden. Man werde alles
tun, um Radikalisierungstendenzen und Extremismus in Österreich zu verhindern.
Bekämpfung von Menschenhandel, Schlepperei und irregulärer Migration
Angesichts der Tatsache, dass Österreich für Menschenhändler nach wie vor als Ziel- und Transitland
dient und geflüchtete Menschen eine potenzielle Risikogruppe darstellen, wird die Regierung in einer weiteren
Entschließung von allen Parlamentsfraktionen ersucht, auf nationaler und europäischer Ebene weiterhin
entschlossen gegen Schlepperei und Menschenhandel und die damit verbundene irreguläre Migration anzukämpfen.
Außerdem soll durch Präventivmaßnahmen in den Herkunftsländern eine Bewusstseinsbildung vorangetrieben
werden.
Susanne Fürst (FPÖ) meinte, dass die offenen europäischen Grenzen 2015 ein Startschuss für
die "hochlukrative Industrie" der Schlepperei bedeutetet hätten. Dieser Schaden der Vorgängerregierung
sei nun wiedergutzumachen. Schlepperei und Menschenhandel müssten beendet und das Mittelmeer geschlossen werden.
Ihr Fraktionskollege Hannes Amesbauer (FPÖ) machte darauf aufmerksam, dass Menschen unter falschen Versprechungen
nach Europa gelotst würden, die "wir hier nicht haben wollen". Damit werde Geld gemacht und zigfaches
Leid produziert. Die Antwort auf das Schlepperwesen müsse eine "No-Way-Politik" an den europäischen
Außengrenzen bzw. eine "Festung Europa" sein. Josef A. Riemer (FPÖ) meinte, dass es neben
politischen Maßnahmen eine wache Zivilgesellschaft brauche, die ihre Augen vor jeglicher Form des Menschenhandels
nicht verschließen dürfe. Dies beginne etwa bereits beim täglichen Konsum.
Gudrun Kugler (ÖVP) stellte zur Debatte, ob Prostitution für AsylwerberInnen in Österreich auch
weiterhin erlaubt sein soll, zumal Schlepperbanden damit rechtliche Rahmenbedingungen gegebenen würden. Ihre
Fraktionskollegin Kira Grünberg (ÖVP) machte auf die Dunkelziffer bei den Opfern von Menschenhandel aufmerksam.
Darunter seien immer mehr Frauen, die immer jünger und sich nach Versprechen auf ein besseres Leben letztendlich
in den Fängen von Freiern wiederfinden würden. Viel zu oft würden Betroffene aus Angst und Scham
nicht den Weg zur Polizei gehen. Klaus Fürlinger (ÖVP) meinte, dass das nationale Strafrecht allein nicht
ausreiche, Österreich müsse der EU klarmachen, dass kleingeistiges Denken beim Außengrenzschutz
nicht zielführend sei.
Alma Zadic (JETZT) rief ins Bewusstsein, dass Menschenhandel neben dem Drogen- und Waffenhandel weltweit eines
der lukrativsten Geschäfte darstellt. Vor diesem Hintergrund machte die Abgeordnete in einer Entschließung
auf die besorgniserregende Menschenrechtssituation für die rund 670.000 schutzsuchenden MigrantInnen in Libyen
aufmerksam. Werde diese Situation von Europa verkannt, müsse man sich bald an das Jahr 2015 zurückerinnern,
warnte Zadic, die Regierung soll sich aus ihrer Sicht für eine gesamteuropäische Migrations- und Asylstrategie
einsetzen.
Sabine Schatz (SPÖ) vermisst in Österreich wiederum konkrete Maßnahmen im Bereich des Opferschutzes.
Betroffenen müsse jegliche Möglichkeit gegeben werden, sich als Opfer von Menschenhandel zu deklarieren.
Dies benötige Sensibilisierung sowie finanziell gut ausgestattete Erst- und Anlaufstellen. Bundesweit einheitliche
Einrichtungen mit spezialisierten Betreuungsplätzen für Opfer von Kinderhandel forderte zudem Birgit
Silvia Sandler (SPÖ). Außerdem müsse geprüft werden, ob das gegenwärtige Strafrecht gegen
Menschenhandel ausreichend ist. Wichtig sei auch, die Ursachen zu bekämpfen. Dazu zähle etwa die Hilfe
vor Ort und internationale Zusammenarbeit.
"Schlepperei und Menschenhandel zählen für mich zu den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen",
sagte Staatssekretärin Edtstadler (ÖVP). Um dieser Kriminalitätsform nachhaltig den Nährboden
zu entziehen, müsse die grenzüberschreitende Zusammenarbeit noch stärker ausgebaut werden. Wesentlich
sei auch ein guter EU-Außengrenzschutz, die Hilfe vor Ort sowie ein bestmöglicher Opferschutz.
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