ChemikerInnen entwickeln umweltschonende Methode zur pharmazeutischen Wirkstoffentwicklung
Wien (universität) - Die Entwicklung von neuen Methoden in der organischen Synthese bildet die Grundlage
für die Weiterentwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen, der Materialwissenschaft sowie der chemischen
Biologie und spielt somit eine zentrale Rolle in unserem Alltag. Einem Forschungsteam um Nuno Maulide vom Institut
für Organische Chemie an der Universität Wien gelang nun die Entwicklung der ersten hoch selektiven Methode
zur direkten, abfallfreien Bindungsbildung zwischen Carbonylverbindungen und Alkenen. Die Ergebnisse sind kürzlich
in den renommierten Journalen "Journal of the American Chemical Society" und "Angewandte Chemie"
erschienen.
Die Carbonylgruppe findet man in verschiedensten Molekülen in unserem Körper, zum Beispiel in Hormonen
wie Testosteron und Cortison, aber auch in Koffein und Vitamin C. Aufgrund dieser vielfältigen Vorkommen stellen
die Verbindungen – welche immer eine charakteristische Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindung enthalten – auch eine
wichtige Vorstufe für andere, höherwertige Verbindungen dar. "Üblicherweise werden für
die Transformationen von Carbonylverbindungen metallbasierte Reagenzien verwendet. Diese sind allerdings hoch reaktiv,
oft sogar pyrophor – beginnen also bei Kontakt mit Luftsauerstoff zu brennen – und generieren große Mengen
an Abfall. Ein problematischer Zustand, bedenkt man die Wichtigkeit dieser Reaktionen", erklärt Jing
Li, Co-Erstautor der Studien.
Die Vermeidung von eben solchen Reagenzien hat daher das Potential, die Chemie von Carbonylgruppen grundlegend
zu revolutionieren. In jüngster Zeit zeigte sich die Addition von einfachen Rohstoffen wie Alkenen an Carbonylverbindungen
zusehends als Alternative zu metallbasierten Reagenzien. "Bisher entwickelte Methoden für diese Reaktionen
basieren allerdings auf teuren, giftigen Übergangsmetallkatalysatoren wie Ruthenium, Rhodium und Iridium:
Alles Metalle, die oft unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut werden – dazu werden auch verschiedenste Additive
benötigt, die wiederum Abfall generieren", stellt Alexander Preinfalk vom Institut für Organische
Chemie der Universität Wien fest. "Die von uns entwickelte Methode basiert auf günstigem, ungiftigem
und absolut unbedenklichem Eisenchlorid als Katalysator. Zusätzlich kommt diese Methode ohne Additive aus
und generiert somit kein einziges Abfallprodukt“, ergänzt Nuno Maulide, der 2019 zum Wissenschafter des Jahres
gewählt wurde.
Das Forschungsteam bedient sich dabei eines chemischen Tricks: Einer sogenannten Hydrid-Verschiebung. "Zur
Addition von Alkenen an Carbonylverbindungen benötigt man ein Reduktionsmittel. Dieses wird der Reaktion üblicherweise
extern zugegeben und dann nach der Reaktion als Abfall ausgeschieden", erklärt Maulide. "Unsere
Methode basiert auf einer Hydrid-Verschiebung, also einer Verschiebung eines negativ geladenen Wasserstoffatoms.
Der Vorteil dabei ist, dass das Reduktionsmittel schon im Molekül vorhanden ist und somit kein Abfall entsteht."
Die Produkte können außerdem mit kompletter Kontrolle über die dreidimensionale Struktur hergestellt
werden, was insbesondere für die pharmazeutische Wirkstoffentwicklung von entscheidender Bedeutung ist. Bisher
was es aufgrund des Fehlens von selektiven Methoden enorm aufwendig, diese Carbonyl-Additionsprodukte kontrolliert
zu erzeugen. "Wir haben im Rahmen unserer Studien Schlüsselintermediate für zwei biologisch aktive
Verbindungen synthetisiert und für beide konnten wir die Länge des Synthesewegs im Vergleich zu bisherigen
Routen halbieren – das ist ein beachtlicher Fortschritt", freut sich Maulide.
Publikation in "Journal of the
American Chemical Society"
"Enantioselective Redox-Neutral Coupling of Aldehydes and Alkenes by an Iron-Catalyzed "Catch–Release"
Tethering Approach": Jing Li, Alexander Preinfalk, Nuno Maulide
In Journal of the American Chemical Society DOI: 10.1021/jacs.8b12242
|