Verkehrsausschuss billigt außerdem Maßnahmen gegen Mautprellerei
Wien (pk) - Für E-Scooter werden künftig österreichweit die gleichen Regelungen gelten wie
für Fahrräder. Das heißt, dass Radwege benutzt werden müssen und Gehsteige und Gehwege in
der Regel tabu sind. Der Verkehrsausschuss des Nationalrats hat am 3. April einen entsprechenden Gesetzentwurf
von Verkehrsminister Norbert Hofer gebilligt. Allerdings können die zuständigen Behörden einzelne
Gehsteige für Klein- und Miniroller mit maximal 600 Watt und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h
per Verordnung freigeben. Diesfalls gilt Schrittgeschwindigkeit. Der Beschluss im Ausschuss fiel mit den Stimmen
der Koalitionsparteien und der NEOS, für die SPÖ sind noch einige Fragen offen.
Einstimmig den Verkehrsausschuss passiert haben ein Protokoll zur Änderung des EU-US-Luftverkehrsabkommens
sowie eine Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes. Die Novelle soll günstigere Mauttarife für
umweltfreundliche Lkw mit reinem Elektro- bzw. Wasserstoffantrieb bringen und das Eintreiben von Ersatzmauten erleichtern.
Ausdrücklich klargestellt wird, dass der Grundsatz "Beraten statt strafen" bei Mautprellerei nicht
gilt. Vertagt haben die Koalitionsparteien hingegen die Beratungen über verpflichtende Lkw-Abbiegeassistenten
und digitale Wechselkennzeichen vor Autobahnauffahrten.
Neue Bestimmungen für Trendsportgeräte und berittene Polizei
Um österreichweit einheitliche Regeln für E-Scooter sicherzustellen, wird in die StVO ein neuer §88b
"Rollerfahren" eingefügt. Er enthält nicht nur ein grundsätzliches Verbot, Gehsteige,
Gehwege und Schutzwege mit einem elektrisch betriebenen Klein- und Miniroller zu benutzen, sondern verpflichtet
E-Scooter-LenkerInnen auch dazu, alle für RadfahrerInnen geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten. Darunter
fällt etwa auch das Verbot, ohne Freisprecheinrichtung zu telefonieren, oder das Alkohollimit von 0,8 Promille.
Überdies müssen E-Scooter mit einer wirksamen Bremsvorrichtung und Rückstrahlern bzw. Rückstrahlfolien
ausgestattet sein. Bei Dunkelheit und schlechter Sicht sind auch Vorder- und Rücklicht verpflichtend.
Festgeschrieben wird mit der 31. StVO-Novelle (559 d.B.) darüber hinaus, dass Reitverbote und die "Blaulichtsteuer"
für die berittene Polizei nicht gelten. Künftig können außerdem auch Leichenwagen die Rettungsgasse
benutzen.
Ausdrücklich begrüßt wurde die Novelle von Carmen Schimanek (FPÖ) und Andreas Ottenschläger
(ÖVP). Es sei wichtig, dass für E-Scooter-FahrerInnen künftig die gleichen Verhaltensregeln gelten
wie für RadfahrerInnen, betonte Schimanek. Ottenschläger sprach von einem "sehr sinnvollen Gesamtpaket"
und zeigte sich unter anderem darüber erfreut, dass E-Scooter – wie Fahrräder – künftig nicht einfach
behindernd auf Gehsteigen abgestellt werden dürfen.
Die Ausnahmeregelungen für das Befahren von Gehsteigen zielen laut Ottenschläger vor allem auf Gemeinden
im ländlichen Raum ab. Sie könnten etwa auf stark befahrenen Durchzugsstraßen E-Scooter-LenkerInnen
die Benutzung des Gehsteigs erlauben. Im urbanen städtischen Bereich sollte davon seiner Meinung nach aber
nicht Gebrauch gemacht werden.
Seitens der SPÖ qualifizierten Ausschussvorsitzender Alois Stöger und Robert Laimer die Novelle als zu
wenig durchdacht. Zudem vermisst Stöger darin die beim Lkw-Gipfel vereinbarten Bestimmungen zur Erhöhung
der Verkehrssicherheit. Stephanie Cox (JETZT) äußerte zwar keine Einwände gegen die neuen E-Scooter-Regeln,
sie wies aber darauf hin, dass ihre Fraktion die berittene Polizei und damit auch die in der Novelle enthaltenen
einschlägigen Bestimmungen ablehne.
Ein Experte des Verkehrsministeriums widersprach der Einschätzung von SPÖ-Abgeordnetem Laimer, wonach
E-Scooter auf Wohnstraßen, in Fußgängerzonen und in Begegnungszonen künftig mit 25 km/h unterwegs
sein können. Sie müssten die Geschwindigkeit dem Fußgängerverkehr anpassen. Die beim Lkw-Gipfel
vereinbarten Bestimmungen zur Hebung der Verkehrssicherheit werden laut Verkehrsminister Norbert Hofer in die nächste
StVO-Novelle eingearbeitet.
SPÖ für digitale Verkehrshinweise an Autobahnauffahrten
Mitverhandelt mit der StVO-Novelle wurde ein Antrag der SPÖ (706/A(E)), der darauf abzielt, versuchsweise
digitale Wechselverkehrszeichen vor Autobahnauffahrten anzubringen. Aus Sicht von SPÖ-Abgeordnetem Maximilian
Unterrainer wären diese Verkehrszeichen insbesondere an tourismusbedingt hochfrequentierten Auffahrten in
Vorarlberg, Tirol und Salzburg zweckmäßig, um Staus zu vermindern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Der Antrag wurde von den Koalitionsparteien mit der Begründung vertagt, dass die Anbringung von Tafeln im
Vorfeld von Autobahnauffahrten Ländersache sei, weil Landes- und Bundesstraßen nicht zum höherrangigen
Straßennetz gehörten. Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) wies außerdem darauf hin, dass das Land Tirol
bereits Maßnahmen überlege. Es sei den Ländern als Straßenerhalter unbenommen, schon jetzt
digitale Tafeln anzubringen, wenn diese lediglich Informationscharakter haben, sagte Verkehrsminister Hofer.
SPÖ-Abgeordneter Stöger hielt dem entgegen, dass es dem Bund obliege, Gesetze in Verkehrsangelegenheiten
zu erlassen. Wolle die ASFINAG Hinweistafeln vor Autobahnauffahrten anbringen, bräuchte es eine Duldungspflicht
der Länder als zuständige Straßenerhalter. Unterrainer sprach sich für einen Pilotversuch
mit anschließender Evaluierung aus.
Eigene Mautklasse für Lkw mit reinem Elektro- oder Wasserstoffantrieb
Ziel der einstimmig beschlossenen Novellierung des Bundesstraßen-Mautgesetzes (562 d.B.) ist es zum einen,
umweltfreundliche Lkw mit reinem Elektroantrieb bzw. reinem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb zu fördern.
Für sie wird ab 2020 ein eigener Tarif für die fahrleistungsabhängige Maut auf Autobahnen und Schnellstraßen
gelten. Bislang waren die betreffenden Fahrzeuge in einer gemeinsamen Tarifgruppe mit Lkw der niedrigsten EURO-Emissionsklassen.
Zum anderen wollen die Abgeordneten mit der Novelle Mautprellerei effektiver entgegenwirken und Bürokratie
reduzieren. So sind die Mautaufsichtsorgane künftig auch befugt, Ersatzmauten einzuheben. Sie können
damit auch AutofahrerInnen zur Kasse bitten, die Wochen oder Monate zuvor von einer Überwachungskamera ohne
gültige Vignette ertappt wurden und die geforderte Ersatzmaut zwischenzeitlich noch nicht bezahlt haben.
Im Gesetz wird außerdem ausdrücklich klargestellt, dass der 2018 im Verwaltungsstrafrecht eingeführte
Grundsatz "Beraten statt strafen" für MautsünderInnen nicht gilt. Begründet wird das nicht
nur mit der relativ hohen Strafdrohung für Mautprellerei, woraus sich ergibt, dass es sich um keine geringfügige
Verwaltungsübertretung handelt, sondern auch mit der ansonsten fehlenden präventiven Wirkung und dem
drohenden hohen Verwaltungsaufwand. Auch die Rückforderbarkeit ordnungsgemäß gezahlter Ersatzmauten
wird mit der Novelle dezidiert ausgeschlossen. Kraftfahrzeuge mit drei Rädern werden künftig als einspurige
Kraftfahrzeuge qualifiziert und müssen daher weniger Jahresmaut zahlen.
Um Bürokratie zu reduzieren, sieht der Gesetzentwurf unter anderem einen automatischen Abgleich von Verdachtsfällen
auf Mautprellerei mit in der Vergangenheit durchgeführten manuellen Zuordnungen vor. Zudem können die
zuständigen Behörden die ASFINAG mit der Bestellung und Vereidigung von Mautaufsichtsorganen betrauen.
Hofer überlegt stärkere Belastung des Transitverkehrs
In der Debatte signalisierten neben Franz Hörl (ÖVP) und Maximilian Linder (FPÖ) auch Stephanie
Cox (JETZT), Nikolaus Scherak (NEOS) und Alois Stöger (SPÖ) Zustimmung zur Novelle. Cox und Scherak hoben
allerdings gleichzeitig die Bedeutung von Datenschutz und Datensicherheit hervor. Für Scherak ist es überdies
"total widersinnig", dass man nach wie vor 14 Tage warten muss, bis eine online gekaufte digitale Vignette
gilt. Stöger regte an, einen Diskussionsprozess über die weitere Förderung der Umrüstung von
Lkw auf die Abgasnorm Euro VI zu beginnen und die Mittel vielleicht sinnvoller für neue Technologien einzusetzen.
Verkehrsminister Hofer wies darauf hin, dass von der neuen Regelung für dreispurige Fahrzeuge nicht nur dreirädrige
Motorräder, sondern auch Roller mit zwei eng beieinanderliegenden Vorderrädern profitieren. Diese würden
immer beliebter, da sie mit einem B-Führerschein gefahren werden dürfen.
Die Wartefrist bis zur Gültigkeit der digitalen Vignette ist auch für Hofer ein Ärgernis. Er sieht
derzeit aber keine Möglichkeit, das zu ändern. Es brauche eine Lösung auf EU-Ebene, die seiner Einschätzung
nach aufgrund langwieriger Entscheidungsprozesse wohl noch länger auf sich warten lässt. Hofer verwies
aber darauf, dass digitale Vignetten auch direkt an Verkaufsstellen erworben werden können. Die digitale Vignette
ist ihm zufolge jedenfalls sehr beliebt, bei der Jahresvignette liege ihr Anteil bereits bei 54%.
In Richtung Abgeordneter Cox wies Hofer darauf hin, dass die Datenbank über nicht bezahlte Mauten von der
ASFINAG geführt wird. Die mögliche Ersparnis für E-Lkw durch die neuen Bestimmungen bezifferte er
mit bis zu 19,73 Cent je Kilometer bei einem Lkw mit vier Achsen.
Als Reaktion auf die deutsche Pkw-Maut will Hofer darüber nachdenken, wie man den Transit in Österreich
höher belasten kann. Es brauche aber eine EU-konforme Lösung, bekräftigte er.
Ausschuss genehmigt Protokoll zum EU-US-Luftverkehrsabkommen
Im Jahr 2007 haben die EU und die USA ein umfassendes Luftverkehrsabkommen abgeschlossen, mit dem der Luftverkehr
zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der USA liberalisiert wurde. Nachfolgende Verhandlungen haben zu einer Ergänzung
bzw. Adaptierung einzelner Vertragsartikel geführt. Zu diesem Zweck wurde 2010 ein Protokoll unterzeichnet.
Da dieses nicht nur Kompetenzen der EU, sondern auch der einzelnen EU-Mitgliedstaaten berührt, muss es auch
von Österreich ratifiziert werden.
Gemäß den Erläuterungen baut das Protokoll (511 d.B.) auf dem ersten Abkommen auf und schafft zusätzliche
Möglichkeiten für Investitionen und einen weiteren Marktzugang. Zudem wird der Umwelt-Artikel neu gefasst
und ein Artikel zur "sozialen Dimension" in das Abkommen eingefügt. Darin wird etwa ausdrücklich
festgehalten, dass das Abkommen nicht darauf gerichtet ist, arbeitsrechtliche Normen zu gefährden. Auch sollen
Auswirkungen des Abkommens im sozialen Bereich im Auge behalten werden. Erweiterte Möglichkeiten zur Zusammenarbeit
gibt es weiters im Regelungsbereich. Das Abkommen wurde heute vom Verkehrsausschuss einhellig genehmigt.
Opposition beharrt auf rasche Ausrüstung von Lkw mit Abbiegeassistenten
Thema im Ausschuss war schließlich auch die verpflichtende Ausstattung von Lkw mit Abbiegeassistenten. SPÖ,
JETZT und NEOS fordern in einem Entschließungsantrag, bereits zugelassene Fahrzeuge so rasch wie möglich
nachzurüsten und das Kraftfahrgesetz in diesem Sinn zu novellieren. Die geplante EU-Richtlinie sei nicht ausreichend,
machte Melanie Erasim (SPÖ) im Ausschuss geltend. Es brauche eine baldige Lösung, schließlich gehe
es um das Leben von Kindern und Erwachsenen.
Der Antrag (612/A(E)) wurde von den Koalitionsparteien mit dem Argument vertagt, dass ein Alleingang Österreichs
in dieser Frage nicht möglich sei. Da Typengenehmigungen für Lkw EU-weit gelten, riskiere Österreich
ein Vertragsverletzungsverfahren, hoben Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) und Christian Hafenecker (FPÖ)
hervor. Er habe Verständnis dafür, dass es Abgeordneter Erasim nicht schnell genug gehen könne,
sagte Hafenecker, es brauche aber eine europäische Lösung. Pfurtscheller verwies in diesem Zusammenhang
auf die weitgehende Einigung auf EU-Ebene, ab Anfang 2022 bzw. 2024 neue Lkw nur noch mit Abbiegeassistenten zuzulassen.
Wie Hafenecker betonte, habe man sich in Österreich überdies auf einen Fördertopf für Nachrüstungen,
die Montage von Spiegeln an gefährlichen Kreuzungen und die Einrichtung von mehr Plätzen, wo Lkw ihre
Rückspiegel justieren können, verständigt.
Seitens der NEOS drängte Nikolaus Scherak vor allem auch auf Rechtssicherheit. Man müsse bei der Nachrüstung
von Lkw sicherstellen, dass die technischen Systeme bei etwaigen EU-weiten Vorgaben anerkannt werden. Stephanie
Cox (JETZT) gab zu bedenken, dass die geplante EU-Richtlinie nur neu zugelassene Lkw und keine Nachrüstungen
betreffe.
Von ihm werde etwas verlangt, was er nicht umsetzen könne, hielt Verkehrsminister Hofer der Opposition entgegen.
Verpflichtende Abbiegeassistenten seien eine Latte, die er aus rechtlichen Gründen beim besten Willen nicht
überspringen könne. Dem pflichtete auch ein Experte des Ministeriums bei. Die Vorschreibung verpflichtender
Abbiegeassistenten würden geltendem EU-Recht widersprechen und unweigerlich zu einem Vertragsverletzungsverfahren
führen. Auch gibt es ihm zufolge bisher weltweit kein einziges Land, das Abbiegeassistenten verbindlich vorschreibt.
Auf die Feststellung von SPÖ-Abgeordnetem Stöger, wonach es manchmal richtig sei, ein Vertragsverletzungsverfahren
zu riskieren, um den EU-Behörden die Dringlichkeit der Angelegenheit klarzumachen, reagierte FPÖ-Abgeordneter
Christian Hafenecker empört. Er frage sich, was die SPÖ sagen würde, wenn Österreich dann zu
Strafzahlungen verurteilt wird. Verkehrsminister Hofer gab zu bedenken, dass man auch bei einer nationalen Verpflichtung
zum Einbau von Abbiegeassistenten ausländische Fahrzeuge nicht an den österreichischen Grenzen stoppen
könnte.
Den Fördertopf für Nachrüstungen will Hofer zunächst mit 1 Mio. € dotieren. Er kann sich in
einer weiteren Phase aber eventuell eine Ausweitung der Mittel vorstellen.
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