Besser, stärker, grüner: Dünne
 Schichten für die Industrie

 

erstellt am
03. 04. 19
13:00 MEZ

Ein neues Christian Doppler Labor an der TU Wien beschäftigt sich mit High-Tech-Beschichtungen, die bei hochbeanspruchten Komponenten in Turbinen oder Energieanlagen die Performance und Effizienz verbessern.
Wien (tu) - Die Materialwissenschaft ist kein Wunschkonzert. Nicht immer kann man alle Anforderungen erfüllen, die in der Industrie an neuartige Materialien gestellt werden: Stabil sollen sie sein und gleichzeitig leicht. Manchmal braucht man eine hohe Widerstandskraft gegen Säuren, dann wieder gegen Hitze. Wenn man genau die richtigen Materialien für schwierige Anwendungen sucht, spielt die Beschichtung von Werkstoffen eine wichtige Rolle. Oft genügt es, Schichten im Mikrometerbereich aufzutragen, um die Eigenschaften eines Werkstücks dramatisch zu verbessern. Genau daran forscht man nun an der TU Wien in einem neu eingerichteten CD-Labor, das am 3. April 2019 eröffnet wurde. Unterstützt wird das neue Labor vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) und den Firmenpartnern Plansee SE, Plansee Composite Materials GmbH und Oerlikon Surface Solutions AG.

„Durch den Einsatz von neuartigen Materialien und Beschichtungen kann die Produktion deutlich effizienter gestaltet und die Eigenschaft von Produkten entscheidend verbessert werden. Jeder Wettbewerbsvorteil, den unsere Firmen sich hier erarbeiten, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Daher ist die Arbeit dieses CD-Labors ein relevanter Faktor für die künftige Entwicklung der beteiligten Unternehmen“, sagt Dr. Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

Turbinen: Feuer, Wasser, Luft
„Wir arbeiten schon lange daran, Werkstücke zu beschichten, um ihre Materialeigenschaften zu verbessern“, sagt Helmut Riedl vom Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologie der TU Wien. „Bisher standen dabei sehr oft nur mechanische Eigenschaften wie Härte oder Elastizität im Vordergrund, wie etwa bei der Beschichtung spezieller Bohr- und Fräswerkzeuge für die Fertigungsindustrie. Nun möchten wir uns mit einer viel breiteren Palette an Materialeigenschaften beschäftigen, die man mit Hilfe maßgeschneiderter Beschichtungen verbessern kann.“

Eine Schlüsseltechnologie dafür ist die physikalische Gasphasenabscheidung: Verschiedenste Grundmaterialien werden in einer Beschichtungsanlage verdampft, sie werden auf atomarer Skala zerstäubt. Diese Atome setzen sich dann auf dem Werkstück fest, das beschichtet werden soll. Durch Parameter wie Druck und Temperatur oder auch durch die Zugabe weiterer Gase kann man beeinflussen, wie diese Schicht aufgebaut werden soll.

„Ein wichtiges Anwendungsgebiet, mit dem wir uns hier ganz besonders intensiv beschäftigen, ist der Turbinenbau“, erklärt Helmut Riedl. Turbinen sind oft extremen Belastungen ausgesetzt: Flugzeugturbinen müssen der Hitze des verbrennenden Treibstoffs widerstehen und gleichzeitig Kollisionen mit Sandpartikeln oder sogar mit Vögeln aushalten. Gasturbinen für die Elektrizitätserzeugung müssen ebenfalls hitzebeständig sein, gleichzeitig soll die Dichte des Materials so gewählt werden, dass man bei geringstem Energieaufwand höchste Drehzahlbereiche und somit beste Performance erzielen kann. Turbinen von Wasserkraftwerken sollten der Kavitation widerstehen – der Bildung kleiner Dampfbläschen im Wasser und einer damit verbunden Erosion des Materials.

Ein chemisches Puzzlespiel
„All diese Probleme versucht man zu mildern, indem man die passenden Grundwerkstoffe wählt. Da schreitet die Forschung auch voran – aber viel schneller entwickelt sich die Forschung an Dünnschichten“, sagt Helmut Riedl. Dünnschichten erlauben verschiedenste Kombinationen von Eigenschaften, abhängig von den Grundmaterialien und der Oberfläche. Bei der großen Vielfalt an möglichen Materialtypen liegt die schwierigste Herausforderung oft darin, auf atomarer Ebene passende Schnittstellen zwischen Werkstoff und Grundmaterial zu designen, sodass die Schicht sich auch auf die gewünschte Weise mit dem Grundmaterial verbindet.

Oft lässt sich dadurch auch die Effizienz und die Umweltbilanz einer Anlage deutlich verbessern: Mit Hilfe einer speziell zusammengesetzten Schutzschicht kann man einen Verbrennungsprozess beispielsweise bei günstigeren Temperaturen ablaufen lassen oder man kann eine Turbine bei gleicher Festigkeit leichter und somit energiesparender konstruieren – oder man kann eine Anlage bauen, die Jahrzehnte überdauert, während sie ohne Beschichtung viel häufiger gewartet werden müsste.
„Die Auswahl an Beschichtungsmaterialien ist inzwischen groß“, sagt Helmut Riedl. „Oft werden spezielle Keramiken eingesetzt, aber wir arbeiten auch mit Metallbeschichtungen, wir stellen verschiedenste Boride, Karbide, Oxide oder auch Kombinationen dieser Materialien her.“ Nicht nur die Zutaten der Beschichtung sind wichtig, sondern auch ihre Mikrostruktur. „Manchmal kann man auch eine Beschichtung wählen, die chemisch dem Grundmaterial sehr ähnlich ist, aber an der Oberfläche zusätzliche funktionale Elemente enthält“, erklärt Riedl.

Über Christian Doppler Labors
In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende Wissenschafter_innen kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel.

Christian Doppler Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW).

 

 

 

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