Eine neue Art von Leuchtdiode wurde an der TU Wien entwickelt: In dünnen Schichten aus
nur wenigen Atomlagen kann man mit Hilfe exotischer „Exzitonencluster“ Licht erzeugen.
Wien (tu) - Wenn Teilchen eine Bindung eingehen, entstehen normalerweise Atome oder Moleküle – zumindest
wenn das im freien Raum passiert. Im Inneren eines Festkörpers lassen sich noch viel exotischere Bindungszustände
herstellen.
Diesen Umstand konnte man nun an der TU Wien nutzbar machen: In extrem dünnen Materialschichten aus Wolfram
und Selen oder Schwefel wurden durch das Anlegen elektrischer Pulse sogenannte „Exzitonencluster“ erzeugt. Dabei
handelt es sich um exotische Bindungszustände aus Elektronen und „Löchern“ im Material. Diese Exzitonencluster
können anschließend in Licht umgewandelt werden. So entsteht eine neuartige Form von Leuchtdiode, bei
denen man die Wellenlänge des gewünschten Lichts sehr präzise steuern kann. Publiziert wurde dieses
Ergebnis nun im Fachjournal „Nature Communications“.
Elektronen und Löcher
In einem Halbleitermaterial kann elektrische Ladung auf zwei unterschiedliche Arten transportiert werden: Einerseits
können Elektronen von Atom zu Atom quer durch das Material wandern – sie tragen negative Ladung mit sich.
Andererseits kann es auch passieren, dass irgendwo ein Elektron fehlt – dann ist diese Stelle positiv geladen und
man spricht man von einem „Loch“. Wenn ein Elektron aus einem Nachbaratom nachrückt und das Loch füllt,
hinterlässt es an seinem ehemaligen Platz gleich wieder ein Loch. So können Löcher ähnlich
wie Elektronen durch das Material wandern, allerdings in umgekehrter Richtung.
„Unter bestimmten Umständen können sich Löcher und Elektronen aneinander binden“, sagt Prof. Thomas
Müller vom Institut für Photonik (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik) an der
TU Wien. „Ähnlich wie in einem Wasserstoffatom ein Elektron um den positiv geladenen Atomkern kreist, kann
im Festkörper ein Elektron um das positiv geladene Loch kreisen.“
Sogar kompliziertere Bindungszustände sind möglich – sogenannte Trionen, Biexzitonen oder Quintonen,
an denen drei bis fünf Bindungspartner beteiligt sind. „Das Biexziton ist beispielsweise das Exziton-Äquivalent
zum Wasserstoffmolekül H2“, erklärt Thomas Müller.
Zweidimensionale Schichten
In den meisten Materialien sind solche Bindungszustände höchstens bei extrem tiefen Temperaturen knapp
am absoluten Nullpunkt möglich. Doch in sogenannten „zweidimensionalen Materialien“, die nur aus atomar dünnen
Schichten bestehen, sieht die Sache anders aus. Das Team der TU Wien, an dem auch Matthias Paur und Aday Molina-Mendoza
beteiligt waren, erzeugte eine ausgeklügelte Sandwich-Struktur, in der eine dünne Schicht aus Wolframdiselenid
oder Wolframdisulfid zwischen zwei Bornitrid-Schichten eingesperrt wird. Mit Hilfe von Elektroden aus Graphen kann
an dieses ultradünne Schichtsystem eine elektrische Spannung angelegt werden.
„In so einem Schichtsystem haben die Exzitonen eine viel höhere Bindundungsenergie als in herkömmlichen
Festkörpern und sind daher deutlich stabiler. Sogar bei Zimmertemperatur lassen sich noch einfache Bindungszustände
aus Elektronen und Löchern nachweisen. Bei tiefen Temperaturen kann man große, komplizierte Exzitonencluster
messen“, berichtet Thomas Müller. Je nachdem, wie man das System mit Hilfe kurzer Spannungspulse mit elektrischer
Energie versorgt, kann man unterschiedliche Exzitonencluster erzeugen. Wenn diese Cluster dann wieder zerfallen,
setzen sie Energie in Form von Licht frei, dadurch funktioniert das ausgeklügelte Schichtsystem als Leuchtdiode.
„Unser leuchtendes Schichtsystem ist nicht nur eine großartige Möglichkeit, Exzitonen zu studieren,
sondern auch eine neuartige Lichtquelle“, sagt Matthias Paur, Erstauthor der Studie. „Wir haben damit nun eine
Leuchtdiode, deren Wellenlänge man gezielt beeinflussen kann – und zwar auf sehr simple Weise, einfach durch
die Form des angelegten elektrischen Pulses.“
Originalpublikation
Paur et al., “Electroluminescence from multi-particle exciton complexes
in transition metal dichalcogenide semiconductors”, Nature Communications (2019). https://dx.doi.org/10.1038/s41467-019-09781-y
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