Salzburg (universität) - Für seine Publikation zur Entgiftung der Metalle Strontium und Barium in
den Zellen der Hochmoor-Grünalge Micrasterias erhält der Salzburger Biologe Martin Niedermeier den Fritz-Grasenick-Preis
2018 der Österreichischen Gesellschaft für Elektronenmikroskopie (ASEM) im Bereich Life Sciences. Niedermeier
hat entdeckt, dass diese Algen aus den Schadstoffen Kristalle bilden, um mit ihnen zurechtzukommen und hat dies
mit speziellen Methoden der Elektronenmikroskopie nachgewiesen.
Die Publikation, die aus der Masterarbeit von Martin Niedermeier entstand, wurde wegen ihrem hohen technischen
Aufwand, der außerordentlich hohen Qualität der elektronenmikroskopischen Analysen, sowie dem breiten
Methodenspektrum ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am 25. April 2019 in Graz bei der Tagung der Österreichischen
Gesellschaft für Elektronenmikroskopie (ASEM) statt.
Sie sorgen einerseits für einige Farben im Feuerwerk, anderseits belasten Strontium und Barium oft die Umwelt,
generell häufig in Form von Industrieschmutz. Wie aber wirken sich diese giftigen Erdalkalimetalle auf die
Pflanzenzelle aus? Wie geht die Zelle damit um? Der Biologe Martin Niedermeier aus der Arbeitsgruppe der Pflanzenphysiologin
Univ.-Prof. Ursula Lütz-Meindl hat diese Umweltfragestellung mit den modernsten, aufwändigen Techniken
der Elektronenmikroskopie behandelt und sowohl Bilder im Elektronenmikroskop aufgenommen als auch Analysen im Elektronenmikroskop
durchgeführt.
„Ziel meiner Arbeit war es, festzustellen, welche Veränderungen in der Ultrastruktur und in der Physiologie
des pflanzlichen Organismus, der Alge Micrasterias durch den Eintrag von Strontium und Barium stattfinden. Und
welche Strategien die Zelle hat, mit solchen Giften zurechtzukommen“, sagt Niedermeier.
Gefährlich sind Strontium und Barium vor allem deshalb, weil die Zelle die beiden giftigen Substanzen oft
mit dem lebenswichtigen Calcium verwechselt. „Die drei Substanzen sind chemisch sehr ähnlich. Die Zelle behandelt
daher Strontium und Barium ähnlich wie Calcium, das sie unbedingt für das Wachstum braucht. Sie nimmt
dadurch also irrtümlicherweise die Gifte auf.“
Für die Untersuchungen wurde die Süßwasseralge Micrasterias gewählt, weil sie ein gut etabliertes
Modellsystem und ein Testsystem für Umweltverschmutzung darstellt. Sie kommt in Mooren vor und zeigt sauberes
Wasser an. Die „kleinen Sternchen“ (so die Übersetzung aus dem Griechischen) sind mit einem viertel Millimeter
Größe gerade noch mit freiem Auge erkennbar. Sie sind aber eng verwandt mit höheren Pflanzen. Die
Algen, die im Labor kultiviert wurden, stammen von der Überlingalm im Lungau (wo die Universität Salzburg
eine Forschungsstation hat).
Martin Niedermeier hat herausgefunden, dass Micrasterias gegen die Einwirkung von Strontium und Barium auf den
Stoffwechsel in ihren Zellen über einen Schutzmechanismus verfügt, der zumindest bis zu einer gewissen
Konzentration des Gifts sehr wirksam ist. Die Zelle bildet Kristalle, in denen sie die Giftstoffe fest verschließt.
„Das Erstaunliche ist, dass riesige Kristalle in den Zellen entstehen, manchmal fast halb so groß wie die
Zelle selbst. Das haben wir lichtmikroskopisch gesehen. Um herauszufinden, was in der Zelle passiert, sind wir
in die Elektronenmikroskopie gegangen und haben mit hoher Auflösung und starker Vergrößerung geschaut,
wie es zu diesen Kristallbildungen kommt. Wir haben im Elektronenmikroskop gemessen, woraus die Kristalle bestehen
und haben zudem Untersuchungen mit Raman-Mikroskopie durchgeführt. Außer bildgebenden und messenden
Verfahren haben wir auch physiologische Untersuchungen durchgeführt,“ erklärt Niedermeier. Dadurch konnte
gezeigt werden, dass die Zellen trotz der massiven Kristalle vital bleiben.
Muss man sich also vielleicht gar keine Sorgen um die Umweltbelastung durch Strontium und Barium machen? „Nein,
dieser Schluss wäre völlig falsch“, betont Ursula Lütz-Meindl. „Erstens versagt der zelleigene Entgiftungsmechanismus,
wenn die Giftkonzentration zu hoch wird oder zu lange andauert. Und zweitens kann die Schadstoffbelastung für
die Nahrungskette sehr wohl negative Auswirkungen haben. Die Algenzelle kommt zwar mit dem Strontium und Barium
zurecht, aber wenn ein Käfer oder Wurm die Alge frisst, der dann zum Beispiel von einem Vogel gefressen wird,
kann das Gift aus den Kristallen nachträglich wieder freigesetzt werden.“
Problematisch ist die Anreicherung von Schadstoffen wie Strontium und Barium in Algen auch für den Bestand
der Moore. Eine Beeinträchtigung der Algen darin gefährdet die letzten intakten Ökosysteme Mitteleuropas.
„Ich finde es toll, wenn man Laborarbeit mit angewandter Forschung verbinden kann“, sagt der 36jährige in
Landeck/Tirol gebürtige Preisträger. Der gelernte Koch ist im zweiten Bildungsweg zur Biologie gekommen
und möchte mit Forschung weitermachen. „An der Uni habe ich erst richtig festgestellt, dass es spannend wird,
wenn man sich auf ein Thema einlassen kann und Unterstützung von jemandem bekommt, wie in meinem Fall von
Frau Professor Lütz-Meindl. Dann kann man die Arbeit mit Leidenschaft betreiben und dann geht etwas weiter,
und das macht Freude.“
Der mit 1500 Euro dotierte Fritz-Grasenick-Preis ist nach dem österreichischen Chemiker und international
anerkannten Experten und Pionier der Elektronenmikroskopie in Österreich, Prof. Fritz Grasenick (1916-2003)
benannt.
Publikation
Niedermeier M., Gierlinger N., Lütz-Meindl U. 2018: Biomineralization of strontium and barium contributes
to detoxification in the freshwater alga Micrasterias In: Journal of Plant Physiology 230 (2018) 80-91.
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