MiDENTITY Projekt zeigt, Jugendliche fühlen sich trotz vieler Identitäten Europa
zugehörig
Wien (universität) - In der Migrations- und Mediengesellschaft werden Identitäten permanent verhandelt
– und auch multipel gedacht und gelebt: Die Mehrheit der im Rahmen des Sparkling Science-Projektes MiDENTITY befragten
Jugendlichen fühlt sich mehreren Ländern zugehörig. Dabei nutzen die Jugendlichen Kanäle und
Ausdrucksformen sozialer Medien für die eigene Selbstdarstellung und die Abgrenzung von "anderen".
Auf der Tagung "MiDENTITY under construction" werden am 25. April erste Ergebnisse und die verwendeten
Methoden vorgestellt.
Wiener Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich zum überwiegenden Teil nicht nur einem Ort zugehörig
– das zeigte eine umfangreiche Fragebogenerhebung, die im Rahmen des Projekts MiDENTITY durchgeführt wurde.
"Mehr als 60 Prozent gaben an, sich mehrfach zu verorten", erklärt Projektleiterin Christiane Hintermann
vom Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien.
Rund 1.400 Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren wurden befragt – und wiesen in der Mehrzahl multiple Identitäten
auf: "Sie fühlen sich also nicht nur als Österreicherinnen oder Österreicher, sondern auch
als Deutsche, als BosnierInnen oder als TürkInnen, um nur einige mögliche Kombinationen zu nennen",
so Hintermann. Besonders ausgeprägt war die Zugehörigkeit zu Europa: "Von Europaskepsis war wenig
zu merken – mehr als 60 Prozent identifizieren sich stark mit Europa und sehen sich selbst als Europäerinnen
und Europäer", erklärte die Humangeographin und Fachdidaktikerin. Teilweise war diese Zugehörigkeit
sogar stärker als die zu Wien oder zum eigenen "Grätzel".
Identitätsarbeit über soziale Medien
Die Fragebogenerhebung wurde im Rahmen des Projektes um Gruppendiskussionen mit SchülerInnen aus verschiedenen
Schulstufen sowie Mediennutzungs-Tagebücher erweitert. Dabei wurde klar, dass die Medien starken Einfluss
auf die Identitätsbildung nehmen. Accounts in sozialen Medien oder die Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen
wurden als Teil der persönlichen Identitätsarbeit identifiziert: "Während in den Fragebögen
die Bedeutung sozialer Medien als weniger wichtig betrachtet wurde, zeigten die Diskussionen, dass gerade auch
diese Medien Gruppenzugehörigkeit sichtbar machen oder reflektieren", erzählt Hintermann von den
Ergebnissen.
Gerade die Auswertung der Mediennutzungs-Tagebücher zeigte, dass die SchülerInnen viel Zeit mit Medienkonsum
verbringen: Viele nutzen sechs bis zehn Stunden lang täglich digitale Medien, bis zu vier Stunden davon verbringen
die SchülerInnen in verschiedenen Sozialen Medien. "Dabei wurde der stundenlange Medienkonsum von SchülerInnen
selbst durchwegs als 'normal' und 'nicht übertrieben' eingestuft", sagt die Migrationsforscherin. "Medien
sind also in jedem Fall bedeutender Teil ihres Alltags und ihrer Identitätsarbeit."
Projekt MiDENTITY
Das Sparkling Science-Projekt "MiDENTITY", das von September 2017 bis August 2019 läuft, untersucht,
wie Wiener Jugendliche sich selbst und andere definieren und welche Rolle soziale Medien dabei spielen. Dabei wurde
auch erforscht, welche Identitätskonzepte sie für diese soziale, räumliche und kulturelle Selbstverortung
sowie für Fremdzuschreibungen verwenden. Über die Fragebogenerhebung hinaus wurde gemeinsam mit SchülerInnen
und LehrerInnen dreier Projektklassen ein Konzept zur Verankerung von politischer Bildung und kritischer Medienbildung
in der Schule erarbeitet.
"MiDENTITY under construction"
Erste Ergebnisse sowie weitere Forschungen zu jugendlichen Identitätskonstruktionen in der Migrationsgesellschaft,
zu Digitalisierung und zu kritischer Medienbildung werden im Rahmen der Tagung "MiDENTITY under construction"
am Donnerstag, 25. April 2019 im Bruno Kreisky Forum vorgestellt.
Neben Vorträgen von Peter Hopkins von der University of Newcastle (Peter Hopkins), Robert Vogler von der Universität
Salzburg und Barbara Herzog-Punzenberger von der Universität Innsbruck, sind die TeilnehmerInnen der Tagung
eingeladen, ausgewählte Stationen aus Projektworkshops mit SchülerInnen zu erproben. Abschließend
diskutieren ExpertInnen am Podium – darunter Kenan Güngör vom Institut think:difference, Philipp Ikrath
vom Institut für Jugendkulturforschung und Renate Holubek von mediamanual gemeinsam mit Schülerinnen
und einem Lehrer ¬– wie eine kritische Medienbildung in der Schule aussehen könnte, die die Aspekte der
Identitätskonstruktionen von Jugendlichen zentral berücksichtigt.
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