Von 27. April - 25. Mai 2019
Wien (gamuekl) - Lassen Sie sich diese Durchsage mit Genuss auf der Zunge zergehen: Das Wienerliedfestival
wean hean wird heuer 20 Jahre jung. Das ist schon ziemlich leiwand. Der damalige Kulturstadtrat Dr. Peter Marboe
hat im Jahr 2000 den Aufruf gestartet, Projekte einzureichen, die in der Hauptstadt für musikalisch-frischen
Wirbelwind sorgen. Im Zuge dessen entstand neben dem Akkordeonfestival - herzlichen Gruß an Friedl Preisl
- auch das Festival wean hean. Dass der Aufruf immer noch die süßesten Früchte trägt, zeigt
die gegenwärtig sehr erfreuliche und große Bandbreite diverser Festivals in Wien.
Es folgt ein kurzer wean hean Steckbrief: Geboren am 2. Oktober 2000 zur achtzehnten Stunde im Palmenhaus Schönbrunn;
mit dem Namen wean hean getauft von Roland J. L. Neuwirth; wohlbehütet aufgewachsen im Liebhartstaler Bockkeller
in Ottakring; mit Liebe großgezogen, stets behütet und gepflegt von der Wiener Volksliedwerk Familie;
in exakt 214 Veranstaltungen unheimlich viel Schönes gehört und gelernt von über 1500 Künstlerinnen
und Künstler; das wean hean hat nachweislich allerhand erlebt in den letzten 19 Jahren und steht voller Vorfreude
in den Startlöchern seiner Jubiläumsausgabe. Wann, wo, wer und vor allem wie erfahren Sie hier und jetzt,
sofern Sie neugierig genug sind.
Und wie beginnen die guten Geschichten? Genau so: Es war einmal vor langer Zeit, als im Jahre 1838 ein Heuriger
in Hernals entstanden ist. 120 Jahre war das Haus in der Hernalser Hauptstraße/Geblergasse im Besitz der
Familie Gschwandner. In dieser Zeit entwickelte sich der zunächst eher unscheinbare Heurige bald zu einem
der größten Schank-Salons, um schließlich im späten 19. Jahrhundert als "Grand Etablissement
Gschwandner" eine der lebendigsten Vergnügungsstätten in der Geschichte der Wiener Vororte zu werden.
Eine wesentliche Komponente des Unterhaltungsprogramms waren musikalische Darbietungen. Volksmusik, wie jene des
Schrammelquartetts, gehörte ebenso zur Identität des Hauses wie Gesangseinlagen bekannter VolkssängerInnen.
Zudem waren Bälle ein wichtiges Kerngeschäft des Gschwandner, es wurde zu jeder Gelegenheit getanzt.
Dabei gab es nicht nur die bekannten "Fiaker- und Wäschermädel-Bälle" sondern u.a. den
"Ball der städtischen Bäderangestellten", den "Ball der Lohnschlächter" und
den "Schlimmer Mädel-Ball". Eine Sensation in Wien waren auch die internationalen Damen-Boxkämpfe
im Gschwandner, mit artistisch-humoristischem Varieté-Rahmenprogramm. Und haben Sie schon einmal von "Sängerkriegen"
gehört? Auch die gab es dort. Keine Sorge, die klingen bedrohlicher als sie sind: Dabei handelte es sich um
Wettbewerbe, bei denen die SängerInnen um Ruhm und Ehre buhlten. BerufssängerInnen waren von der Teilnahme
ausgeschlossen.
Sie merken schon, es gibt Gründe genug, die wean hean Festivaleröffnung in diesen ehrwürdigen Sälen
zu zelebrieren. Nur, lassen Sie sich nicht verwirren: Das Gschwandner hört seit einem Jahr auf den Namen Reaktor.
Der Filmproduzent Bernhard Kammel hat die Räumlichkeiten in liebevoll-behutsamer Detailtreue restauriert und
etabliert hier einen transdisziplinären Ort der Künste. So auch für das wean hean. Die Festivaleröffnung
ist kein Ball, obwohl getanzt wird, kein "Sängerkrieg", obwohl gesungen wird und es gibt auch keine
"Damen-Boxkämpfe", obwohl ger… Nein, hier wird nicht gerauft! Hier wird Wiener Musik in all ihren
Facetten getragen und gelebt.
Der Taufpate Roland J. L. Neuwirth übernahm im ersten wean hean Jahr - gemeinsam mit dem im März 2017
verstorbenen Musiker und Maler Karl Hodina - die künstlerische Leitung des Festivals. Das Konzept, Traditionen
zu bewahren aber auch neuen künstlerischen Perspektiven ihren Raum zu geben, hat sich bis heute bewährt.
Roland Neuwirth wird neben anderen das Festival im Reaktor eröffnen. Es begleiten ihn seine musikalischen
Ziehkinder, junge MusikerInnen, die er mit der Aufführungspraxis von Wiener Musik vertraut macht. Hoch und
noch ewig möge es leben, das Wienerlied!
Das gilt auch für eine brandneue, vom wean hean frisch verkuppelte Schrammelquartett- Formation namens Wiener
Lagen. Maria und Helmut Stippich an Kontragitarre und Harmonika und Peter Uhler an der Violine verzichten auf die
zweite Geige und laden stattdessen die Cellistin Tita Pesata ins Schrammel-Boot ein. Nicht wenige Komponisten,
wie Johann Strauss oder Josef Mikulas, bedachten das Cello in ihren Partituren. Helmut Stippich bedient sich alter
Aufzeichnungen, welche im Archiv des Wiener Volksliedwerkes schon zu lange unberührt ruhten, reformiert sie
und lässt sich davon für eigene Kompositionen inspirieren.
Martin Spengler hat sich für die wean hean Eröffnung auch einen neuen Streich ausgedacht. Mit der foischn
Wienerin Manuela Diem an der einen Hand und seiner neuen 13-saitigen-Liebe Rosa Scherzer in der anderen Hand kreiert
er mit Marwan Abado ein "Salam Wean". In einem Interview verrät Martin Spengler dem Festival, dass
es sich bei seinem neuen Projekt um eine "Neigungsgruppe bärtiger Männer mit sonderbaren Saiteninstrumenten
handelt, die gerne Lieder vom Liebhaben, Sterben und Trinken singen". Ein streng geheimer interner Probenmitschnitt
klingt äußerst vielversprechend - da wird einem sonnig warm ums Herz.
Die Gesangskapelle Hermann war im Jahr 2017 schon einmal zu Gast beim wean hean. Damals haben sie dem Festival
einen Spezialauftrag erfüllt und sind in die Fußstapfen des Wiener Männergesang-Vereins geschlüpft.
Dabei haben sie einen nicht zu knappen Eindruck hinterlassen, sodass sie nun zwei Jahre später zur Eröffnung
geladen wurden, um ihr eigenes Repertoire zu offerieren. Das trifft sich gut, denn die Hermänner haben neulich
ihre dritte CD auf den Markt gebracht. Diese strotzt von außen vor mannerschnittenrosaner
Eleganz, mit einem hinreißend-betörenden Boygroup-Poster, welches mittlerweile das wean hean Büro
schmückt. Eine CD-Rezension können Sie in der nächsten Bockkeller Ausgabe nachlesen. Gescheiter
ist allerdings, Sie hören sich die Jungs live an, wie sie über die "Einedrahragossn", die "Oidncreme"
und über "Dem Vodan sei Frau" a capellisieren. (Werte, geneigte LeserInnen, Sie bezeugen es: Ein
neues Wort ward geboren!).
Und wenn die Stühle geräumt, das Tanzpulver gestreut, die Instrumente gestimmt, die Kehlen geölt
und die Tanzhausgeiger ihre erste Melodie spielen, dann ist es für alle gichtfreien Beine und tanzwütigen
Humpelstilzchens Zeit, die Bühne zu stürmen. Und wann immer Sie Lust haben, versorgen Sie sich an der
Kredenz mit Spritzwein und Schmalzbrot. Hernalser Vorstadtromantik par excellence.
Die Heurigen-Stimmung wird zwei Tage später im Bockkeller fortgesetzt. Die Neuen Wiener Concert Schrammeln
laden - nicht wie gewohnt am ersten Montag im Monat - sondern ausnahmsweise am letzten Montag zum Schrammel-Abend
ein. Die Veranstaltung ist mittlerweile ein nicht mehr wegzudenkender Fixstern am Schrammel-Himmel. In der ersten
Halbzeit haben die Neuen Wiener Concert Schrammeln die Bühne für sich und danach steht sie allen mutigen
InstrumentalistInnen und SängerInnen zur Verfügung. Sie können also gerne schon mal zu üben
beginnen!
"Du nur alla'" steht für ein Gedenkkonzert zu Ehren des Musikers und Malers Karl Hodina am 1. Mai
im Wiener Konzerthaus. Viele seiner FreundInnen mit denen er am häufigsten und liebsten gespielt hat werden
diesen Abend für ihn gestalten. Karl Hodina hatte nicht nur ein Faible für Malerei, Jazz und Wienerlied,
sondern auch für südamerikanische Musik. Ergo darf der brasilianische Komponist, Jazzgitarrist und langjähriger
guter Freund Alegre Corrêa nicht fehlen. Unter der musikalischen Leitung von Peter Havlicek, sind außerdem
dabei: Tommy Hojsa, Traude Holzer, Tini Kainrath, Rudi Koschelu, Bertl Mayer, Edi Reiser, das Diknu Schneeberger
Trio, Helmut Stippich, Roland Sulzer und Niki Tunkowitsch. Ein berührender und unvergesslicher Abend ist hier
vorprogrammiert.
"Vom Seelenfrieden und der Verführung" predigen Wolfram Berger und Radek Knapp in der Kulisse in
Hernals. Beide Herren gehören mittlerweile zur wean hean Kernfamilie, wobei sie flexibel und junggeblieben
genug sind, jedes Mal in andere Rollen zu schlüpfen. So dürfte es für den Schauspieler Wolfram Berger
das geringste Übel sein, sich in der braunen Kapuziner Mönchskutte den oft derben Predigten von Abraham
a Sancta Clara zu widmen. Radek Knapp hingegen schreibt als polnisch-österreichischer Autor seine Predigt
selber und trägt hoffentlich ein schwarzes Hemd, um das hochanständige weiße Kollar an seinem Kragen
hervorblitzen zu lassen. Die musikalische Gestaltung der Messe übernimmt das Bläserquintett QuinTonic
unter dem Kommando von Cordula Bösze. In Ewigkeit, Amen!
Ein besonderes Theaterzuckerl ist das Stück "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter" von
Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Auf der Theater Akzent-Bühne sind Kurt und Christa Schwertsik, mit den Töchtern
Julia und Katharina Stemberger. Während die drei Damen in über 15 verschiedene Rollen schlüpfen
werden sie von Kurt Schwertsik - einem der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten - als Erzähler
am Harmonium begleitet. Dabei lebt das Spiel von der kakanischen Groteske rund um die Bahnwärterstochter Inozentia
Zwölfaxinger und ihrer Begegnung mit Kaiser Joseph. Ein unterhaltsamer Publikumsspaß.
In den letzten beiden Jahren hat sich der wean hean Ausflug fast schon etabliert. Das älteste Kino im Waldviertel
und die schönste Burg in der Wachau wurden besucht. Dieses Jahr ist der Weg nicht gar so weit, aber eine öffentliche
Busfahrt bleibt Ihnen dennoch nicht erspart. Lassen Sie Ihr Auto zu Hause und trinken Sie ein, zwei Achterl beim
Heurigen "Zur Christl" in der Stammersdorfer Kellergasse. Willi Lehner, Christoph Lechner und Roland
Sulzer sorgen für eine adäquate Heurigen-Stimmung. Mit Herbert Zotti und Herbert Bäuml dürfen
Sie ihr eigenes Kehlchen zum Schwingen bringen und damit es nicht trocken bleibt, spielt als weiteres Schmankerl
für Sie die junge und neu zusammengewürfelte Partie Weinbegleitung.
Und wenn Sie an einem frühlingshaften Montag im Mai im Planetarium das Weihnachtslied "Es wird scho glei
dumper" hören, dann sind Sie richtig beim Publikumssingen mit Herbert Zotti und Michael Postweiler, die
ihre Lieblingslieder über die Sonne, den Mond und die Sterne dabei haben. Danach wissen Sie, wie viele Sternlein
am Himmel stehen, wie die Beziehung von Lady Sunshine und Mister Moon läuft und dass man auf keinen Fall aus
einem Krug trinken darf der vom Mond beschienen wurde. Aber das ist noch lange nicht alles. Der bekannte Ex Science
Buster und Physiker Werner Gruber wird Ihnen auf seine humoristische Art noch allerhand über sein Fachgebiet
erzählen. Und wenn Gott will, gibt es zur guten Nacht noch ein Schauferl Sternenzauber.
Nur eine Medaille wünscht er sich zu seinem Portraitabend; und im Liebhartstaler Bockkeller möchte er
sein: Wolfgang Vincenz Wizlsperger ist das Herz dieser Veranstaltung. Niemand weiß, warum ihm nicht schon
früher ein ganzer Abend gewidmet wurde. Seine liebsten Musikerfreunde hat er dazu eingeladen: Kollegium Kalksburg,
trio alptrieb trio und das Duo Pünklichkeit & Anarchie. Einen Stern am "walk of fame" des Wienerliedes
hätte er sich mehr als verdient.
Mindestens ebenso viel Verehrung und eine weitere Sternvergabe am "walk of fame" des Wienerliedes gebührt
dem legendären Tommy Hojsa. Als großer Fan wünscht sich der neue Hausherr des Reaktors Bernhard
Kammel den Portraitabend zu sich nach Hernals in den großen basilikalen Saal. So soll es sein. Ein ehrwürdiger
Platz für einen ehrwürdigen Künstler. Auch Tommy Hojsa lädt MusikerInnen ein, die ihn in seinem
bisherigen Leben begleitet haben: Helmut Emersberger, Rudi Koschelu, Chris Pichler, Karl Ratzer und Bernhard Moshammer.
wean modean und das attensam quartett lässt sich nicht so leicht trennen. Darum wird das letztjährige
Programm mit bestem Gewissen fortgesetzt. Friedrich Cerhas Werke stehen im Mittelpunkt des Abends. Er ist mit seinen
93 Jahren immer noch am Komponieren und vertont gerade Wiener Sprüche aus der "2. Keintate" von
Ernst Kein. Gesanglich begleitet wird das attensam quartett von niemand geringerem als Oskar Aichinger. Außerdem
arrangiert Friedrich Cerha das Werk "In memoriam Ernst Kein" eigens für das Schrammelquartett. Die
MusikerInnen spielen des Weiteren Stücke von Christof Dienz, Oskar Aichinger und sparen gewiss auch nicht
mit unvergessenen traditionellen Werken. Und wer weiß, vielleicht hat das Quartett bis dahin die langersehnte
neue CD mit im Gepäck?
Die Zeit ist längst reif für einen Wienerlied-Frauenstammtisch. Und es war auch alles andere als schwer,
motivierte Künstlerinnen dafür zu begeistern. Das Wienerliedfestival wean hean schlüpfte wieder
in seine Lieblingsrolle als Verkupplerin und hat Marie-Theres Stickler, Maria Stippich, Johanna Kugler und Traude
Holzer zusammengebracht, um eine musikalische Hochzeit zu feiern. Am 23. Mai sehen wir die frisch Vermählten
erstmals auf der Bühne des Hotel-Restaurants Fritz Matauschek.
Konzerte von Martin Spengler & die foischn Wiener verzaubern vom ersten Ton an und bringen den Saal in eine
Stimmung, die erst mit Verklingen des letzten endet … jedoch oft nicht einmal dann. Aber ist diesmal wirklich "ois
gaunz aundas" in "Wean"? In Ottakring duftet `s doch noch immer nach Schokolade, der Tod nimmt doch
noch immer alles leicht und die Liebe alles schwer? Trotzdem weht "drausst auf da Stroßn" ein neuer
Wind, der "waht eina de Liagn". Und Gräben brechen auf in der wienerliedseligen Verbindlichkeit
dieser Stadt. Helfen tut da ein ums andere Mal nur die Flucht zueinander und so ist es wieder einmal nur die Liebe,
die bleibt, weil "mit dia is des olles a großes Juhu!" Denn genau das sind auch die neuen Lieder
von Martin Spengler & die foischn Wiener, die vielleicht schönsten, die das Quartett bis jetzt geschrieben
hat. Und so verzaubern Sänger und Gitarrist Martin Spengler, Überstimme Manuela Diem, Manuel Brunner
am Kontrabass und der neu dazu gestoßene Knopfharmonikavirtuose und Ex-Extremschrammler Marko Zivadinovic
mit traumwandlerischer Leichtigkeit und todesmutiger Ausgelassenheit! Was für ein Finale!
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