Stephansdombaumeister Zehetner: Wiener und andere Dombauhütten können Handwerker
nach Paris entsenden, um Brandfolgen bewältigen zu helfen
Paris/Wien (kap) - Europas Dombauhütten werden mithelfen, um die Brandkatastrophe in der Pariser Kathedrale
Notre-Dame zu bewältigen. Wie der Dombaumeister am Wiener Stephansdom und Vorsitzende der Europäische
Vereinigung der Dombaumeister, Wolfgang Zehetner, am Dienstag im Gespräch mit "Kathpress" erklärte,
sei für die Rekonstruktion und den Wiederaufbau der am Abend des 15. April von einem verheerenden Brand schwer
in Mitleidenschaft gezogenen Pariser Kirche "Geld und Können" erforderlich. Hochqualifizierte Steinmetze
und Bildhauer gebe es nicht im Übermaß. Nach Rücksprache mit Kollegen in Deutschland könne
er sich gut vorstellen, dass die Dombauhütte in Wien und jener in Paris Fachleute zur Verfügung stellt.
Es werde aber jedenfalls Jahre dauern, bis die Schäden behoben sind, so der Dombaumeister.
Nach den Worten Zehetners ist Notre Dame wie auch andere Großkirchen bestens vermessen und dokumentiert.
D.h. man könne die Pariser Hauptkirche architektonisch gut rekonstruieren, auch wenn angesichts eines 800
Jahre alten Baus gelte: "Es wird nicht mehr das Gleiche sein." Wie lange der Wiederaufbau dauern wird,
hänge nicht zuletzt vom politischen Willen ab - die gotische Kathedrale ist wie alle französischen Kirchen
im Besitz des Staates. Dass Notre-Dame eine "Prestigesache" für Frankreich ist, wird nach Zehetners
Einschätzung bei einem ambitionierten Wiederaufbau helfen. Doch auch beim 1945 abgebrannten Stephansdom habe
es Jahrzehnte gedauert, bis die Folgen beseitigt waren, erinnerte der Dombaumeister.
Beim Stephansdom sei es äußerst unwahrscheinlich, dass ein ähnlich verheerendes Feuer ausbrechen
könnte wie in Notre-Dame, bestätigte Zehetner eine Einschätzung, die der Wiener Erzbischof, Kardinal
Christoph Schönborn, schon am Tag der Katastrophe in der ORF-ZIB2 geäußert hatte. In den Jahren
1949 und 1950 wurde der stählerne Dachstuhl mit einem Gesamtgewicht von rund 600 Tonnen anstelle der verbrannten,
500 Jahre alten Holzkonstruktion auf das Langhaus gesetzt, die Brandgefahr sei dadurch deutlich geringer. Zudem
gebe es im Stephansdom eine Brandwarnanlage, zahlreiche Feuerlöscher und regelmäßige Übungen
mit der Feuerwehr, um im Anlassfall gewappnet zu sein. Brennbare Materialien gebe es allerdings in jeder Kirche,
Gefahr durch Feuer sei nie auszuschließen, wies Zehetner hin.
Gefahr z.B. durch Löt-Arbeiten
Auch Architekt Harald Gnilsen, der das Bauamt der Erzdiözese Wien leitet, bestätigte am 16. April
gegenüber "Kathpress", dass Brandgefahr in Kirchen nie auszuschließen seien. Über die
Brandursache in Notre-Dame wisse er noch nicht Bescheid, aber z.B. Löt-Arbeiten stellten angesichts des meist
uralten, oft modernden Holzes in Dachstühlen und anderswo immer eine Gefahrenquelle dar. Gnilsen berichtete
von einem Feuer, das erst am Tag nach erfolgten Arbeiten in einer Kirche ausgebrochen sei.
Effektiver Brandschutz ist nach den Worten des Baumamtsleiters eine Geldfrage und dennoch nie absolut gegeben.
Ob eine Brandmeldeanlage - die es in Wiener Kirchen nicht flächendeckend gebe - bei einem lange nur glosenden
Brandherd und allmählicher Hitzeentwicklung mit plötzlichem Aufflammen die Feuerwehr rechtzeitig an den
Schauplatz bringen kann, sei fraglich. Laut Gnilsen ist es wichtig, bei feuergefährlichen Sanierungsarbeiten
eine Brandwacht vorzusehen, "und auch die kostet Geld".
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