55 Prozent: Aufnahme der Nachbarstaaten war gute Entscheidung | 59 Prozent: Österreich
und Nachbarländer sind einander näher gerückt - Umfrage
Wien (ögfe) - „Am 1. Mai vor fünfzehn Jahren wurden Österreichs Nachbarn Tschechien, die
Slowakei, Ungarn und Slowenien Mitglieder der Europäischen Union. Vor acht Jahren wurde der heimische Arbeitsmarkt
für unsere Nachbarländer geöffnet. Die Österreicherinnen und Österreicher bilanzieren
hierzu positiver, als dies noch in den letzten Jahren der Fall war. Neue Erweiterungsrunden sehen die Befragten
hingegen nach wie vor skeptisch“, analysiert Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft
für Europapolitik (ÖGfE), das Ergebnis einer aktuellen ÖGfE-Umfrage.
Eine Mehrheit von 55 Prozent der ÖsterreicherInnen ist der Ansicht, dass die Erweiterung der EU um unsere
Nachbarländer eine „gute Entscheidung“ gewesen ist. Im Jahr 2010 hatten dies 56 Prozent als gut bewertet,
im Jahr 2014 53 Prozent. Zurückgegangen ist die Zahl jener, die die Aufnahme unserer Nachbarländer in
die EU als „schlechte Entscheidung“ einstufen: Waren es im Jahr 2010 noch 19 Prozent und 2014 24 Prozent, so sind
es aktuell rund ein Zehntel (11 Prozent). Ein knappes Viertel (24 Prozent) meint, die Erweiterungsrunde 2004 sei
„weder gut noch schlecht“ gewesen (2010: 21 Prozent / 2014: 20 Prozent), eine/r von zehn Befragten (11 Prozent)
hat dazu keine Meinung.
51 Prozent der Befragten glauben, dass die EU-Mitgliedschaft Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und Sloweniens
insgesamt gesehen mehr Vorteile für Österreich mit sich gebracht hat. 20 Prozent sehen die Nachteile
überwiegen, 21 Prozent äußern sich neutral („weder noch“), ein knappes Zehntel (9 Prozent) antwortet
„weiß nicht/Keine Angabe“.
Wenn es um die Beurteilung der Frage geht, ob die EU-Mitgliedschaft unserer Nachbarn für die EU insgesamt
bzw. die österreichischen Grenzregionen eher mit Vor- oder Nachteilen verbunden war, ist das Meinungsbild
der Befragten nicht ganz so scharf.
37 Prozent der ÖsterreicherInnen meinen, dass der Europäischen Union durch die Erweiterung um die vier
mitteleuropäischen Länder insgesamt gesehen mehr Vorteile erwachsen sind. 20 Prozent sehen mehr Nachteile,
23 Prozent antworten „weder noch“, ein hoher Anteil von einem Fünftel der Befragten hat zu dieser Frage keine
Meinung.
Ähnlich gestaltet sich die Einschätzung, ob jene österreichischen Regionen, die an die genannten
Nachbarländer angrenzen, von deren EU-Mitgliedschaft profitiert haben. Dem stimmen 37 Prozent zu, 25 Prozent
jedoch explizit nicht. Für 22 Prozent halten sich Vor- und Nachteile die Waage, 16 Prozent beziehen keine
Stellung.
Knapp sechs von zehn Befragten (59 Prozent) haben den Eindruck, dass Österreich und seine 2004 in die EU aufgenommenen
Nachbarländer durch die gemeinsame Mitgliedschaft in der Union näher zusammengerückt sind. Ein Fünftel
kann sich dieser Meinung nicht anschließen, ebenso hoch ist die Zahl jener, die zu dieser Frage keine Einschätzung
wagen (21 Prozent „weiß nicht/Keine Angabe“).
„Die EU-Erweiterung hat dazu beigetragen, dass die Nachbarländer einander näher gerückt sind. Ein
Beweis für das verbindende Potential, das der EU von so manchem Skeptiker gerne abgesprochen wird. Für
die Zukunft heißt es, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, auch auf Ebene der Regionen, noch zu
verstärken.“
Am 1. Mai 2011 öffnete sich der österreichische Arbeitsmarkt für tschechische, slowakische, ungarische
und slowenische ArbeitnehmerInnen. Zeigten sich die ÖsterreicherInnen fünf Jahre nach diesem Datum einigermaßen
skeptisch, so hat sich das Meinungsbild seither durchaus verbessert.
Im April 2016 gaben 16 Prozent der Befragten an, dass die Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes „eher positive
Auswirkungen“ mit sich gebracht hätte. Im April 2019 hat sich diese Zahl auf 32 Prozent verdoppelt. Hatten
vor drei Jahren noch 43 Prozent die negativen Folgen überwiegen gesehen, so sind es heute 27 Prozent. Kaum
geändert dagegen hat sich die Zahl jener, die die Folgen der Öffnung des österreichischen Arbeitsmarkts
eher neutral sehen und „keine wesentlichen Auswirkungen“ erkennen können (2016: 29 Prozent | 2019: 26 Prozent).
Damals wie heute kann etwas mehr als ein Zehntel der Befragten zu diesem Punkt nicht Stellung beziehen (2016: 12
Prozent | 2019: 15 Prozent).
„Acht Jahre nach der Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den Nachbarstaaten hat
sich das Meinungsbild in Österreich leicht zum Positiven gewandelt. Die Wirtschaftslage stellt sich freundlicher
dar als zum Zeitpunkt der letzten Umfrage vor drei Jahren. Ebenso hat sich die EU-Stimmung seither – 2016 stand
die politische Debatte ganz im Zeichen der Migrationsherausforderung – deutlich verbessert. Der Anstieg des Arbeitskräftepotenzials
aus den Nachbarländern war gerade im ersten Jahr nach Beginn der Arbeitnehmerfreizügigkeit besonders
hoch, flachte dann aber wieder ab. Ob sich diese Entwicklung fortsetzen wird, ist unsicher, schließlich haben
einige der 2004 beigetretenen Länder selbst mit Arbeitskräftemangel zu kämpfen. Die Etablierung
einer neuen Europäischen Arbeitsbehörde könnte jedenfalls dazu beitragen, Lohn- und Sozialdumping
effizienter zu bekämpfen.“
Künftigen Erweiterungen der EU stehen die ÖsterreicherInnen weiterhin skeptisch gegenüber. 69 Prozent
halten diese für „weniger“ (37 Prozent) oder „gar nicht“ (32 Prozent) wichtig, wenn sie an die Zukunft der
Europäischen Union denken. Lediglich ein Fünftel (22 Prozent) bewertet eine Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten
in diesem Zusammenhang als „sehr“ (3 Prozent) bzw. „eher“ wichtig (19 Prozent). Das Meinungsbild in dieser Frage
hat sich im Verlauf der letzten sechs Jahre – wie vier Vergleichsumfragen seit 2013 zeigen – kaum geändert.
Für deutlich dringender wird hingegen eine Vertiefung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gehalten. Insgesamt
76 Prozent bezeichnen eine solche als „sehr“ (33 Prozent) bzw. „eher“ wichtig (43 Prozent), wenn es um die Zukunft
der EU geht. 17 Prozent messen dem „weniger“ (11 Prozent) bzw. „gar keine“ (6 Prozent) Wichtigkeit zu. Auch hier
zeigen sich im Zeitverlauf keine relevanten Unterschiede im Meinungsbild der Befragten.
„Für die Europäische Union ist es hoch an der Zeit, sich – spätestens nach der Neuaufstellung der
EU-Institutionen im Herbst – den eigentlichen Zukunftsfragen zu widmen und dabei eine einheitliche Linie zu finden.
Obwohl die Aufnahme neuer Mitglieder in die Union aktuell nicht am Radar der Österreicher aufscheint, sollte
die EU dennoch danach streben, die Länder Südosteuropas noch stärker zu unterstützen und Entwicklungen
im Bereich der Demokratie und Rechtstaatlichkeit genau beobachten“, betont Schmidt.
Die Umfrage wurde von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) vom
4. bis 11. April 2019 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt (Tel SWS 281). Befragt wurden österreichweit
525 Personen per Telefon (repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahre/Gewichtung
nach Geschlecht, Alter und Bildung). Maximale Schwankungsbreite ca. +/- 4,3 Prozent. Differenz auf 100 Prozent
aufgrund gerundeter Werte bzw. „weiß nicht/Keine Angabe“. Vergleichsumfragen 2010 bis 2016: SWS.
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